21.01.2021 – Kategorie: Produktionsprozesse
Zuverlässigere Produktion durch passgenaue Greifsysteme
Lagern, Fördern, Transportieren oder Kommissionieren – SSI Schäfer ist Spezialist, wenn es um modulare Lager- und Logistiksysteme mit zugehöriger Software geht. Für den Produktionsprozess von Lager-, Transport- und Kommissionierbehältern suchte der Hersteller nach einer kostengünstigeren und zuverlässigeren Methode zum Entnehmen der Behälter aus den Spritzgussanlagen. Die Lösung hierfür lag im additiven Fertigungsverfahren.
Ob der Ausfall von IT-Systemen oder menschliches Versagen, die Liste möglicher Gründe für einen Produktionsausfall ist lang. Wesentlich weniger aufregend, aber im operativen Alltag relevanter als Katastrophenszenarien, sind die Fallstricke in den produktionsinhärenten Prozessen. Das ist auch bei der SSI Schäfer der Fall, einem weltweit tätigen Lösungsanbieter von modularen Lager- und Logistiksystemen mit Hauptsitz in Neunkirchen. Bei der Herstellung von Lager-, Kommissionier- und Transportbehältern nutzte das Unternehmen über viele Jahre ein universell einsetzbares Greifsystem aus Aluminium. Diese „Metallhände“ bestanden aus Aluminiumprofilen mit Aufnahmen für Saugnäpfe. Justiert wurde dieser Mechanismus über Imbusschrauben – und zwar immer wieder neu, je nach gefertigter Behälterart.
Höhere Präzision verhindert Produktionsausfall
Entscheidend ist hierbei die Präzision: Die Saugnäpfe müssen exakt an der richtigen Position sein, damit die Behälter reibungslos und schnell im Produktionszyklus aus der Spritzgussmaschine entnommen werden können. Geschieht das nicht, droht ein Verkanten des Behälters, woraus wiederum ein Produktionsstopp resultieren kann. Doch selbst ohne diesen „Worst Case“ wird deutlich, dass der wiederkehrende Aufwand für die Umrüstung nicht unerheblich ist. „Wir müssen wegen unseres großen Produktportfolios etwa drei Mal pro Tag eine unserer vielen Spritzgussmaschinen umrüsten,“ erklärt Michael Zander, Leiter der Produktion Kunststoff am Standort Neunkirchen/Siegerland. Etwa zehn Minuten wurden bisher allein für diese Umrüstungen benötigt, mit den entsprechend verlorenen Umsätzen durch Maschinen- und Produktionsstillstand.
Mit Blick auf diese Voraussetzungen ist es leicht nachvollziehbar, dass das Unternehmen den Produktionsprozess verbessern wollte. Außerdem können mit einer besseren Lösung auch direkt die Kosten gesenkt werden, indem die Rüst- und Stillstandszeiten der Spritzgussmaschinen grundsätzlich reduziert werden.
Ersetzen der Aluminiumgreifer durch neue Spezialgreifer
Mit Unterstützung der technischen Berater von EOS Additive Minds konnte das Team von SSI Schäfer in kurzer Zeit Wissen aufbauen und folgendes Verbesserungspotenzial bestimmen: Der fehleranfällige Aluminiumgreifer sollte durch mehrere, individuell auf die jeweiligen Behältergrößen und -formen abgestimmte Spezialgreifer ersetzt werden. Diese sollten haltbar, schnell auswechselbar und optimal auf die jeweilige Anforderung abgestimmt sein.
Die Grundidee ähnelt damit der des Sports: Ein Zehnkämpfer ist sicher ein beeindruckender Sportler, doch auf Einzeldisziplinen spezialisierte Sportler sind ihm in aller Regel überlegen. Dieser Annahme folgend machten sich EOS und SSI Schäfer an das Projekt. Die Konstruktion der passenden Greifer war dabei insofern relativ einfach, da alle Daten zu den Behältern inhouse verfügbar waren. Dabei galt es auch, frühere Designprozesse zu verlassen und so die Vorteile des 3D-Drucks optimal auszunutzen. Die Integration der Luftkanäle im Greifer, die wiederum die Basis für den pneumatischen Greifmechanismus zur Entnahme der Behälter sind, gehört zu den Besonderheiten der additiven Fertigung. Weiterhin ging es darum, die Bauteile so zu konstruieren, dass Stabilität und Funktion durch die kompakte Baugröße und das niedrige Eigengewicht des Greifers miteinander harmonieren.
„Letztlich ist so ein Design immer ein Kompromiss“, erklärt Werkzeugbauleiter Torsten Kosiahn. Das hierfür ausgewählte Material PA 2200 hat sich dank seiner ausgeglichenen Eigenschaften in tausenden von Anwendungen bewährt: fest, steif, chemikalienbeständig und langlebig. Darüber hinaus ermöglicht es eine hohe Detailtreue mit umfassenden Möglichkeiten zur Nachbearbeitung – kurzum ideal für Funktionsteile und bewegliche Verbindungen. Produziert wurden die Greifer mit dem 3D-Drucksystem EOS P 396.
Durch die additive Fertigungsmethode konnte SSI Schäfer innerhalb weniger Tagen eine Vielzahl von Greifern konstruieren und anfertigen. Durch die Verwendung der neuen Greifer konnten die Umrüstzeiten erheblich reduziert werden. Wo früher fummelige Feinarbeit erforderlich war, reichen nun ein paar Klicks – und der perfekt auf den jeweiligen Euro-Behälter abgestimmte Greifer sitzt. Das macht sich auch in Zahlen bemerkbar. So konnten die Rüstzeiten um 80 Prozent reduziert und rund 120 Stunden Produktionszeit pro Jahr hinzugewonnen werden.
Re-Design schließt Gefahr von Fehlbedienungen und Produktionsausfall aus
Kaum in Zahlen auszudrücken sind die möglichen Folgeaufwendungen, wenn ein schwerwiegender Fehler bei der Einstellung eines Greifers zu einem längeren Ausfall geführt hätte, denn bei der händischen Feinabstimmung der alten Greifer bestand stets die Gefahr von Fehlbedienungen. Durch das entsprechende Re-Design ist dies nun so gut wie ausgeschlossen, denn die Saugnäpfe sitzen jetzt zuverlässig immer an der richtigen Stelle. Zudem sind die neuen Greifer dank ihres Materials auch deutlich leichter als die zuvor eingesetzten. Das Gewichtsersparnis von über 70 Prozent und die erhöhte Bedienerfreundlichkeit gefällt natürlich auch den Mitarbeitern, die die Umrüstungen durchführt.
So konnte SSI Schäfer sämtlichen Zielsetzungen umsetzen: höhere Zuverlässigkeit, geringere Kosten, Gewichtsersparnis und die generelle Zunahme der Produktivität statt Produktionsausfall. Kasim Mohamed, Produkt- und Innovationsmanager bei SSI Schäfer, ist mit dem Ergebnis wie auch der Unterstützung durch das Additive-Minds-Team von EOS sehr zufrieden: „Unsere Anforderungen waren ganz klar: Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit mussten bei der Umrüstung der Greifer zunehmen. Mit der additiven Fertigung unserer Greifsysteme konnten wir diese Aufgabe lösen und Kosten reduzieren.“
Daniel Schröder ist Application Development Consultant bei der EOS GmbH.
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