20.10.2021 – Kategorie: Fertigungs-IT
Zustandsüberwachung: Vorausschauende Instandhaltung im SaaS-Modell
Im Jahr 2017 hat Schaeffler das auf Maschinendatenerfassung und Zustandsüberwachung spezialisierte IT-Unternehmen Autinity Systems übernommen. Die Software des Chemnitzer Start-ups überwacht mittlerweile über 2000 Anlagen in 75 Werken des Automobilzulieferers und ermöglicht diesem eine vorausschauende Instandhaltung. Auch externe Kunden können die Lösung nutzen.
Bei Schaeffler ist Digitalisierung kein Selbstzweck. Die Anwendungsfälle reichen von der Zustandsüberwachung ganzer Wärmebehandlungsanlagen und haushoher Pressen bis hin zur Druckluftüberwachung an einzelnen Ventilen von Werkzeugmaschinen. Im Einsatz sind Maschinen unterschiedlicher Hersteller mit verschiedensten Maschinensteuerungen.
Über 200 Milliarden Datenpunkte jährlich
Große Potenziale lassen sich beispielsweise durch die Zustandsüberwachung von Härteanlagen heben. Um die Vorgaben der Kunden und die geltenden Normen zu erfüllen, müssen die Produkte dabei zum einen gemäß definierter Parameter exakt wärmebehandelt sein. Zum anderen gilt es, den Prozess sehr detailliert zu dokumentieren. So verlangt es beispielsweise die CQI-9-Norm. Sobald eine Wärmebehandlungsanlage auf einer Solltemperatur läuft, ist es wichtig, diese Temperatur zu halten, da das Hoch- und Herunterfahren der Maschinen sehr zeit- und energieintensiv ist. Weiterhin liegt der Fokus auf einer maximal effizienten Anlagenbelegung und Maschinenauslastung.
Um diese Anforderungen zu erfüllen, werden über die Maschinensteuerungen und Sensoren Daten zu Temperaturen, Luftzufuhr in einzelnen Zonen, Energieverbrauch sowie Schwingungsdaten der Lager kritischer Komponenten wie Ventilatoren aufgezeichnet. In einem Kalenderjahr werden so über 200 Milliarden Datenpunkte verarbeitet und gespeichert. Zudem werden diese Rohdaten mit den gefertigten Produkten intelligent in Verbindung gebracht und dadurch zu sehr wertvollen Informationen verarbeitet.
Kritische Komponenten rund um die Uhr überwachen
Aus diesen Informationen gewinnen Anwender wichtige Erkenntnisse zu Maschinen, Prozessen und Zusammenhängen. Mit einer cloudbasierten Softwarelösung können durch das Tracking von iO- und NiO-Teilen zum Beispiel produktspezifische Prozessparameter nachvollzogen werden. Außerdem ist die vorausschauende Instandhaltung mit sinnvoll vorgeplanten Wartungs- und Reparaturmaßnahmen wesentlich einfacher geworden. So können Anwender auf einen Blick erkennen, wenn sich Werte verschlechtern und direkt Gegenmaßnahmen einleiten. Dadurch lassen sich kritische Komponenten rund um die Uhr überwachen.
Bei Abweichungen von den Soll-Werten wird der Anwender schließlich entweder direkt benachrichtigt oder es wird automatisch ein SAP-PM-Auftrag für die Instandhaltung angelegt. Dieser ist dann sofort für die Instandhaltungsmitarbeiter im SAP-PM (mobilen) Schichtbuch sichtbar. Zudem ist das System in der Lage, abgenutzte Verschleißteile direkt durch das SAP-System neu zu beschaffen. All diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Anlagenverfügbarkeit (OEE) zu steigern und die Wertschöpfung in der Produktion zu optimieren. Das ergibt eine Win-Win-Situation, da sich der Aufwand für die Instandhaltung − in Form von Rundgängen, Routineprüfungen und Havarie-Reparaturen − verringert.
Des Weiteren ließ sich mit der Lösung der Lagerbestand an Reaktionsmaterial und Ersatzteilen reduzieren. Dies hatte enorme Einsparungen an eingesetztem Kapital und Fläche zur Folge. Mit Planungssicherheit und validen, digitalen Informationen zum Zustand der Anlagen, konnten die operativen Instandhaltungsprozesse exponentiell weiterentwickelt werden.
Zustandsüberwachung: Von den Rohdaten zur vorbeugenden Instandhaltung
Auch der bereits erwähnte CQI-9-Report bringt eine große Zeitersparnis mit sich. Anwender müssen die im Heat-Treat-System-Assessment geforderten Angaben zur Bewertung von Wärmebehandlungsprozessen nicht mehr aufwendig manuell erfassen oder aus einzelnen Datenquellen zusammentragen. Das übernimmt jetzt die Software, die in regelmäßigen Abständen fertige Reports zusammenstellt und versendet. Somit gelangt man von den Rohdaten hin zu einer vorbeugenden Instandhaltung. Ungeplante Ausfälle und damit verbunden akute Ad-hoc Maßnahmen gehören der Vergangenheit an.
An über 2000 Maschinen im Einsatz
Für all das nutzt Schaeffler nur ein System: Autinityhub. Die Software ist bei dem Zulieferer an über 2000, zum Teil auch älteren, Maschinen im Einsatz. Hinter der Software steht ein Chemnitzer Start-up, das 2017 von Schaeffler gekauft wurde. Das vormals unter Autinity Systems GmbH firmierende Softwareunternehmen heißt nun Schaeffler Digital Solutions und gilt als einer der Stützpfeiler der digitalen Transformation des Automobil- und Industriezulieferers.
Schon vor dem Kauf des Unternehmens wurden die Softwarelösungen aus Chemnitz für Maschinendatenerfassung und Zustandsüberwachung in der Produktion von Schaeffler großflächig eingesetzt. Seitdem bringen Schaeffler-Experten kontinuierlich das Fachwissen ein und entwickeln die Lösungen weiter. Ein Vorteil der Software ist das einfache Konnektieren von unterschiedlichsten Maschinensteuerungen und Sensoren. Dabei wird ein Industrie-PC für die maschinennahe Erfassung der Daten genutzt. Nach dessen Einbau und dem Anschluss der Maschine geschieht alles weitere komfortabel über eine Software-Plattform.
Software zur Zustandsüberwachung: Auch für externe Kunden verfügbar
Die Software, die mittlerweile als „Industrie 4.0“-Plattform eingesetzt wird, ist auch für externe Kunden und Partner verfügbar. Durch die agile Entwicklung in Kombination mit einem attraktiven SaaS-Modell erhalten Anwender stets alle Neuerungen und gestalten gemeinsam mit Schaeffler die weitere Entwicklung der Software. Dank eines starken, weltweiten Maintenance- und Digitalisierungsnetzwerkes sowie der skalierbaren Software ist es gelungen, neue Maschinen schnell an das System anzubinden. Autinityhub steht an allen Schaeffler-Standorten zur Verfügung und kann auch ohne vorangegangenes IT-Studium genutzt werden.
Alle Use Cases mit entsprechenden Einsparungen werden dabei zentral in einer Datenbank erfasst, um diese allen Werken zur Verfügung zu stellen. In Trainings lernen Mitarbeiter vor Ort, wie sie das System nutzen und selbstständig neue Maschinen sowie Sensoren anschließen können. Außerdem stehen Experten im internen Netzwerk stets für Fragen zur Verfügung und unterstützen dabei, konkrete Probleme mithilfe von Autinityhub zu lösen. Dieses Knowhow fließt auch in die Produktweiterentwicklung ein. Somit können mittlerweile über 50 Maschinen pro Monat angebunden werden.
Daten sind auch für andere Abteilungen wertvoll
Mittlerweile nutzen auch andere Bereiche bei Schaeffler die Daten für ihre digitalen Produkte. Die Daten sind unter anderem für Produktionstechnologen, Energiemanager, Daten-Analysten, aber auch für Teams auf dem Shopfloor wertvoll. Gemeinsam mit dem Digitalisierungsbereich von Schaeffler werden alle Maschinen weltweit mit dieser einheitlichen Lösung ausgestattet.
Die Plattform Autinityhub kann die aufgezeichneten Daten einfach ausleiten und sie für andere Systeme bereitstellen. Dabei gilt: Je mehr Datennutzer dazu kommen, desto besser werden die Business-Cases für jede einzelne Maschine.
Der Autor Jürgen Hildel ist Director Global Maintenance bei Schaeffler Technologies, Autor Matthias Hafner ist Head of Sales & Marketing bei Schaeffler Digital Solutions.
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