01.12.2017 – Kategorie: Fertigung, IT

Via RFID und OPC UA ins IoT

dm_2017_06_xx_titelstory_pictures_0002_fav-171-2017-pd-pa-v01_abbildung_2

Intelligente an die Cloud angebundene Feldobjekte bilden im industriellen Internet der Dinge (IIoT) die komplexe Realität ab. Doch wie kann eine Integration von Objekten erfolgen, die über keine eigene Kommunikationseinheit verfügen? Radio Frequency Identification (RFID) spannt nun eine Brücke vom Objekt im Feld zur Cloud-Plattform, womit die Datenobjekte weltweit zur Verfügung stehen.   von Markus Weinländer

Intelligente an die Cloud angebundene Feldobjekte bilden im industriellen Internet der Dinge (IIoT) die komplexe Realität ab. Doch wie kann eine Integration von Objekten erfolgen, die über keine eigene Kommunikationseinheit verfügen? Radio Frequency Identification (RFID) spannt nun eine Brücke vom Objekt im Feld zur Cloud-Plattform, womit die Datenobjekte weltweit zur Verfügung stehen.   von Markus Weinländer

Digitalisierung wird oft rein aus der technologischen Perspektive heraus diskutiert: „Wie lassen sich im IIoT zusätzliche Werte schaffen, indem möglichst viele Sensordaten in die Cloud geliefert und dort mit Big-Data-Algorithmen verarbeitet werden?“ Im Kontrast dazu sollte am Anfang der Diskussion jedoch immer die Frage nach dem Nutzen für Kunden und Anwender stehen. Das bedeutet, Cloud-Applikationen sollten ihren Nutzen zunächst zur Optimierung bestehender Prozesse oder zur Realisierung neuer digitaler Angebote unter Beweis stellen. An diesem Nutzen – der in strategische Wettbewerbsvorteile mündet – müssen sich Digitalisierungskonzepte ausrichten und messen lassen (Bild Seite 9 oben).

An dieser Stelle geht es zunächst darum, entweder die bestehenden eigenen Prozesse effizienter oder in höherer Qualität auszuführen (verbesserte Eigenleistung), neue digitale Produkte und Dienstleistungen an den Markt zu bringen oder aber neue Bezahlmodelle zu realisieren, die besser auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind (verbesserter Kundennutzen). Letztlich geht es jedoch auch um die konkrete Technik der Umsetzung.

Die Cloud: Plattform und Apps

Um die genannten Ziele zu realisieren, benötigen die Anwender Algorithmen, Apps und eine Plattform. Die Apps und Algorithmen laufen dabei auf der Plattform und nutzen die in ihr verfügbaren Daten. Zudem bringt die Plattform weitreichende und grundlegende Funktionalitäten mit, beispielsweise ein ausgeklügeltes Zugriffskonzept zur Absicherung der Informationen. Als Eingangsgröße benötigt die Plattform Daten aus dem Feld, die ein geeignetes Netzwerk von intelligenten Feldgeräten wie Sensoren oder Edge-Controller – also die „Dinge“ im „Internet der Dinge“ – sammeln. Auf dieser Basis entsteht ein digitaler Zwilling (Digital Twin) als datentechnisches Abbild der realen (und relevanten) Feldobjekte.

„Dumme Objekte“ einfangen

Tatsächlich gibt es jedoch eine Menge Objekte im Feld, für die zwar ein digitaler Zwilling existiert, die jedoch keine Konnektivität zur Cloud aufweisen – etwa, weil es zu teuer wäre, sie mit einer Kommunikationseinheit zu versehen. Solche Dinge sind zum Beispiel teils teure Transportbehälter und Paletten, die über Poolbetreiber verliehen werden. Im digitalen Abbild werden Informationen über den Standort, die derzeitige Verwendung, die sich daraus ergebende Reinigung und Wartung und so weiter gespeichert.

Ein anderes Beispiel beschreibt die Fertigung komplexer Produkte: Hier ist eine lückenlose Erfassung des Produktionsfortschritts sinnvoll, um Schwachstellenanalysen (Root Cause Analysis) nicht nur lokal durchführen zu können. Vielmehr sollten sich Schwachstellenanalysen weltweit über verteilte Fertigungsstandorte und unter Einbeziehung diverser anderer Parameter wie der Liefertreue der Zulieferer, der Produktionsauslastung einzelner Anbieter und Werke, des Wartungszustandes des verwendeten Equipments und so weiter durchführen lassen.

In beiden Beispielen müsste das eigentliche Objekt – der Transport-Container oder das produzierte Erzeugnis – seine Daten permanent mit dem digitalen Abbild abgleichen, um die benötigte Informationsdichte und -qualität zu erreichen.

Lösung mittels RFID

Eine mögliche Lösung für diese Aufgabe ist der Einsatz von Radio Frequency Identification (RFID). Dabei werden alle relevanten Objekte – Erzeugnisse, Komponenten, Liefereinheiten, Transportbehälter, Werkzeuge und so weiter – mit einem RFID-Transponder ausgerüstet, der eine eindeutige Nummer speichert (siehe Bild Seite 8). An den relevanten Stellen (zum Beispiel an einem Gefahrenübergang) wird diese Nummer mit einem RFID-Lesegerät erfasst und an die Cloud-Plattform übertragen.

Grundsätzlich ist für Automatisierungsingenieure der Einsatz von RFID natürlich nichts Neues; diese Technik wird bereits seit vielen Jahren für die Steuerung von Fertigungsprozessen eingesetzt. Der Unterschied ergibt sich erst aus der Architektur des Gesamtsystems.

Architektur des Gesamtsystems

Stand der Technik: In der Fertigungssteuerung dient RFID klassisch als Werkzeug der dezentralen Steuerung: Dabei sind Informationen direkt auf dem RFID-Datenträger gespeichert (zum Beispiel der Typ des Werkstücks) und nicht in einer Hintergrunddatenbank. Damit sind solche Automatisierungskonzepte oftmals einfach strukturiert und die Verfügbarkeit ist hoch. Jedoch ist die Anwendung häufig auf ein Werk oder einen Standort begrenzt und darüber hinaus nicht global vernetzt.

Ist RFID jedoch Teil der Cloud-Konnektivität, dient das RFID-System lediglich dazu, die Lücke zwischen dem digitalen Abbild und den realen Vorgängen in der Fabrik oder im Lager zu schließen. Der RFID-Reader überträgt neben der Identifikationsnummer des Transponders auch die eigene Position und einen Zeitstempel, so dass sich der Weg des Objekts durch die Fabrik mit einer gewissen Granularität sowohl räumlich als auch zeitlich nachvollziehen lässt.

Bewegen sich die Objekte zwischen verschiedenen Standorten und Unternehmen, ist zudem die Einbeziehung aller Partner entlang der Wertschöpfungskette essentiell. Auf diese Weise lassen sich bewegliche Gegenstände des Anlagevermögens (sogenannte Assets) wie hochwertige Transportbehälter, Werkzeuge und Halberzeugnisse lückenlos überwachen. Sind deren Umschlagpfade bekannt, können Zykluszeiten und somit die Kapitalintensität optimiert werden.

OPC-UA-fähige RFID-Geräte

Damit jedoch auch Geschäftspartner – Lieferanten und Kunden – ihre Daten zur Verfügung stellen können, ist eine möglichst einfach zu installierende Erfassung und Kommunikation erforderlich, die keinen Integrationsaufwand verursachen sollte. Siemens hat auf der diesjährigen Hannover Messe im April ein solches Konzept vorgestellt. Der RFID-Reader ­Simatic RF600 bietet als eines der ersten RFID-Systeme eine integrierte OPC-UA-Schnittstelle, die der Spezifikation der OPC Foundation und AIM, dem Industrieverband für RFID, folgt.

Damit stehen die RFID-Daten in einem allgemein akzeptierten Format zur Verfügung, das alle benötigten Meta-Informationen wie Erfassungsort und -zeit sowie den Objektkontext (Datentypen, Bezeichner) enthält. Diese Daten lassen sich über ein IoT-Gateway an Cloud-Systeme übertragen. Als Beispiel wurde dazu das RuggedCom-RX1400-IoT-Gateway ausgewählt, das die Daten direkt in die MindSphere – die Plattform für IoT-Anwendungen von Siemens – übertragen kann (Bild links).

Besonders vorteilhaft bei diesem Gateway ist die mögliche LTE-Anbindung über öffentliche Mobilfunknetze. Ein Routing von RFID-Daten über das jeweilige Automatisierungsnetzwerk in die Cloud kann deshalb entfallen – ein wichtiges Argument mit Blick auf die Cybersecurity, da es somit keine Verbindung zu bestehenden Netzwerken gibt. Alternativ können die RFID-Daten jedoch auch zusammen mit anderen Informationen, zum Beispiel aus den Produktionssteuerungen, über bestehende Netzwerke in die Cloud transportiert werden.

Beschränkungen auflösen

Der Vorteil, RFID über die Cloud zu nutzen, liegt für die Anwender auf der Hand: RFID beschränkt sich bei diesem Konzept nicht mehr alleine auf die Steuerung in der lokalen Fertigungszelle, sondern kann zur Überwachung von Objekten aller Art weltweit genutzt werden. Auf der anderen Seite bietet die Cloud-Plattform den Vorteil, dass sie Daten aus allen möglichen Informationsquellen verarbeiten kann und somit ein breites Abbild dessen bereitstellt, was in der Fabrik tatsächlich stattfindet, also auch Objekte ohne Konnektivität erfassen kann. Auch die Partner im Wertschöpfungsnetzwerk lassen sich recht einfach einbeziehen. Nimmt man alle Aspekte zusammen, so ergibt sich die Basis, daraus neue digitale Prozesse, Angebote und Abrechnungsmodelle zu etablieren. jbi

Autor: Markus Weinländer ist Leiter Produktmanagement Simatic Communication Modules bei Siemens in Nürnberg.

Referenz

[1] Weinländer, Markus: „Industrielle Kommunikation – Basistechnologie für die Digitalisierung der Industrie“, Beuth-Verlag, Berlin, 2017.



Scroll to Top