09.03.2022 – Kategorie: Fertigungs-IT
Toolmanagement in der Praxis: Darauf kommt es an
Philips Medical Systems hat beschlossen, seine Fertigung zu optimieren. Dadurch soll mehr Kompetenz in der Zerspanung für Teile der weltweit gefragten Röntgen- und CT-Geräte aufgebaut werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Fertigungspartner von Arno Werkzeuge.
Toolmanagement 2.0: „Wir wollten die Wertschöpfung der wichtigen Teile für die Röntgengeräte verbessern und damit mehr Kontrolle über Qualität, Termin und Kosten haben“, erklärt Thomas Petschke, Manager Mechanical Service bei der Philips Medical Systems Development and Manufacturing Centre (DMC) GmbH. Dazu gehört auch die Kathode – als wichtigstes Teil der Röntgengeräte. Denn sie emittiert Elektronen, die im elektrischen Feld der angelegten Hochspannung in Richtung Anode beschleunigt werden. Bei Philips besteht sie aus Alloy 42, einer Eisen-Nickel-Legierung (Ni42/1.3917).
Schwer zerspanbarer Werkstoff für anspruchsvolle Aufgaben
Nickel-Basis-Legierungen mit geringer Wärmeausdehnung gehören zu den schwer zerspanbaren Werkstoffen für anspruchsvolle Herausforderungen und bedürfen besonderer Erfahrung. Dass es diese Legierung sein muss, liegt an der hohen Wärmebelastung. Bis zu 150.000 Volt Spannung erzeugen in der Kathode rund 1.200 Grad Celsius und beschleunigen Elektronen, die beim Auftreffen auf der Anode die Röntgenstrahlung (Bremsstrahlung) entstehen lassen. Der Wirkungsgrad liegt lediglich bei etwa einem Prozent. Der Rest ist Wärme. Deshalb ist ein thermostabiles Material zwingend.
Mit Jan Weidel von Arno Werkzeuge steht von Anfang an ein Werkzeugexperte zur Seite, der mehr liefert als nur Zerspanungswerkzeuge. „Mit Hilfe unserer Anwendungstechniker haben wir konkrete Pläne für die Bearbeitung des Kathodenkopfes ausgearbeitet“, berichtet Weidel. Die umfasst neben den Prozessschritten Fräsen, Drehen und Bohren auch Gewindedrehen, Senken, Stechen und Entgraten. Tabellen listen detailliert alle Parameter der Bearbeitung auf. Dazu gehören Schnitttiefe und -geschwindigkeit, Durchmesser, Drehzahl, Vorschubweg und -geschwindigkeit pro Umdrehung und pro Minute sowie Vorschubzeit und Gesamtzeit.
Toolmanagement: Bearbeitungspläne erleichtern Arbeit und Kalkulation
Lediglich 32 Millimeter Durchmesser und 19 Millimeter Höhe weist eine Variante des Kathodenkopfes auf. Neben Prozesssicherheit und Wiederholgenauigkeit muss auch eine hohe Oberflächengüte erreicht werden. Für die Werkzeuge sind hohe Wechselgenauigkeit und lange Standzeiten gefordert. „Uns war klar, dass alles zusammen mit einer Spankontrolle und der Wärmeabführung im Bereich der Bearbeitung von Ni42/1.3917 kein Kinderspiel ist“, gibt Petschke zu und lobt im gleichen Atemzug: „Aber die Arno-Experten haben das super gelöst.“
„Zu den Bearbeitungsplänen erhält Philips von uns auch die passenden Werkzeuge,“ sagt Klaus-Dieter Krüger, Verkaufsleitung Arno Werkzeuge. Fürs Drehen sind das unter anderem hochpositive Wendeschneidplatten der ASF-Geometrie mit geschwungenen Schneiden, scharfen Schneidkanten und hoher Kantenstabilität. Diese sind bestens geeignet für solch zähen Werkstoffe, denn sie sind temperaturresistent und brechen den Span kontrolliert. Für das Abstechen kommen schlanke Abstechmodule mit dem patentierten Arno-Cooling-System (ACS) zum Einsatz.
Dabei schafft es das ACS2, den Kühlschmierstoff gezielt und fein dosiert über zwei Kanäle direkt an die Schneide zu bringen. Einer führt durch den Plattensitz, der zweite Kanal führt Kühlmittel von unten direkt an die Freiflächen und endet in einer dreieckigen Form. Durch diese optimale Formgebung gelangt das Kühlmittel über die volle Breite der Stechplatte bis zum äußersten Rand der Schneide. „Mehr geht nicht. Der Plattendurchsatz ist sehr gut“, versichert Jan Weidel. „Der Schneidenverbrauch ist stark gesunken“, bestätigt Petschke.
Des Weiteren kommen Werkzeuge fürs Fräsen, Bohren und Gewindedrehen zum Einsatz, um in sechs bis zehn Minuten eine Variante der Kathodenköpfe zu bearbeiten. Auch mit den passenden Bohrwerkzeugen hat Arno Werkzeuge gepunktet. Die Bohroperationen mit engen Toleranzen sind besonders anspruchsvoll. „Hier hatten wir früher häufig Werkzeugbruch“, erzählt Petschke. Das war nicht akzeptabel, denn um die jährlich etwa 14.000 Kathodenköpfe fertigen zu können, ist mannarme Bearbeitung notwendig. Ein spät entdeckter Werkzeugbruch hat da fatale Folgen und verursacht hohe Kosten.
Werkzeugentnahme und -rückgabe rund um die Uhr
Weil all das gut funktionierte, durfte Arno Werkzeuge auch sein Werkzeugverwaltungssystem (Toolmanagement) Storemanager vorstellen. „Unser Paternoster war alt, störanfällig, starr sowie unflexibel und hat zu viel Platz benötigt“, sagt Petschke. Heute werden die Werkzeuge über einen Storemanager Pro Master und zwei Start Plus-Module von Arno Werkzeuge verwaltet und ausgegeben. Was man früher umständlich zählen und in der Access-Datenbank eintragen musste, wird heute von der Software rund um die Uhr vollständig und lückenlos erfasst und verwaltet.
„Der Storemanager findet stets zuverlässig das passende Werkzeug zum Auftrag. Dafür sorgen der unbestechliche Scanner und das Programm, das niemals danebengreift,“ versichert Krüger. Dass die zum Auftrag und Bearbeitungsprozess passenden Werkzeuge wie Schneidplatten, Abstechstähle oder Bohrsysteme hinterlegt sind, ist ein Ergebnis der intensiven Zusammenarbeit zwischen Philips und Arno Werkzeuge.
Die Werker entnehmen dem Toolmanagementsystem nun zielgerichtet und schnell die für den Prozess definierten und zur Entnahme freigegebenen, fertig voreingestellten Werkzeuge. Ebenso Schneidplatten, Fräs- und Bohrsysteme – „und bringen sie dorthin auch wieder zurück“, wie Petschke betont. Fehlbestände gibt es praktisch keine mehr, denn jedes Werkzeug ist eindeutig Auftrag und Werker zugeordnet. „Diese Rückverfolgbarkeit schafft Verbindlichkeiten, die die Verantwortung für das entnommene Teil stärkt“, berichtet Jan Leenes, bei Arno Werkzeuge im Norden für die Storemanager zuständig.
Das Karussellsystem des Storemanager Pro enthält je nach Konfiguration der 1er-, 2er, 3er- oder 4er-Fächer bis zu 2.160 Plätze für die kontrollierte Einzelentnahme mit Rücklagermöglichkeit. Die Software verwaltet dabei das Entnehmen und Zurückbringen effizient, zuverlässig sowie reibungslos und kümmert sich auch um den Bestand. Und sie bestellt automatisch nach.
Kleine Aufstellfläche für das Toolmanagement schafft Platz
Dass Thomas Petschke „ohne dieses System nicht mehr arbeiten will“, ist das Ergebnis der Überzeugungsarbeit von Leenes. „Wir haben durch die kostenfreie Probestellung weitere Vorteile wie kleine Aufstellfläche, Zeitersparnis und intuitive Bedienung demonstriert“, so Leenes. Und so stehen nun auf dem frei gewordenen Platz zwei neue, automatisierte und hochproduktive Schleifmaschinen. Diese optimieren die Fertigung bei Philips Medical Systems weiter – aber das ist eine andere Geschichte.
Der Autor Jürgen Fürst ist Fachautor aus Stuttgart.
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