19.07.2013 – Kategorie: IT

Strömungssimulation: Sikorsky optimiert Hubschrauber-Rotor mit CFD

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Die parasitären Verluste am Rotor eines Hubschraubers machen rund ein Drittel seines gesamten Luftwiderstands aus. Eine Lösung, diese Verlust-Komponente zu reduzieren, sind stromlinienförmige Verkleidungen im Bereich des Rotors. Zwar reduziert das den Strömungswiderstand, jedoch erschweren die Verkleidungen Wartung und Inspektion und führen zu erhöhten Betriebskosten. Daher sind alternative Methoden erstrebenswert, um den Strömungswiderstand am Rotorkopf zu verbessern.
Ein Ansatz besteht darin, den Rotorkopf und seine Komponenten so zu kons­truieren, dass er als Baugruppe weniger Luftwiderstand verursacht. Der klassische Weg besteht darin, basierend auf empirisch bestimmten Vergleichdaten die Widerstandskomponenten des Rotorkopfs zu ermitteln und darauf basierend eine Vorhersage über den Gesamtwiderstand der Baugruppe zu treffen. Die Methode stützt sich also nur auf historische Daten und auch Störeffekte werden lediglich abgeschätzt. Auch eine Optimierung des Designs auf die Fertigung der Einzelkomponenten ist mit dieser Methode schwierig. Steht nach diesem recht subjektiven Prozess das Design fest, folgen Tests im Windkanal und eine mitunter kostenintensive, iterative Konstruktionsoptimierung mit wiederholten Versuchen.
Sikorsky hat aus diesen Gründen ein alternatives Verfahren erarbeitet: Die auf numerischer Simulation basierende Methode optimiert den Widerstand am Rotorkopf und berücksichtigt gleichzeitig fertigungstechnische Aspekte. Dabei lassen sich innerhalb kürzester Zeit zahlreiche Varianten in der nötigen Genauigkeit berechnen. Sikorsky setzte bei der Umsetzung der Strategie auf numerische Strömungsmechanik (Computa­tional Fluid Dynamics, CFD) und das Programm STAR-CCM+ von CD-adapco. An den historischen Beispielen der Rotorköpfe ­S-92A und UH-60A zeigt dieser Artikel die Funktionalität dieser Methode.

Simulation stellt historische Windkanaltests nach

Abgesehen von der Zeitersparnis im Entwicklungsprozess liegt der eigentliche Wert der numerischen Simulation in der Berechnungsgenauigkeit des Widerstands am Rotor, insbesondere wenn noch keine experimentellen Daten vorliegen. Die zwei Rotorköpfe, S-92A und UH-60A, wurden 1994 im Rahmen des S-92A-Luftfahrtzeug-Entwicklungsprozesses in einem Größenverhältnis von 1:2 im Windkanal des United Technologies Research Centers (UTRC) getestet. Ohne die Ergebnisse dieser Tests zu berücksichtigen, stellt die Simulation die damalige Situation nach – einschließlich der Windkanalwände und der Spreizplattenmontage. Die Taumelscheiben in den Versuchen waren nicht funktionstüchtig, weshalb auch in den Simulationen die Verbindung zwischen Rotor und Motoren nicht berücksichtigt wurde.

Bildung des Simulationsnetzes

Um die Rotorkopfgeometrie in eine Oberflächenstruktur zu diskretisieren, nutzt Sikorsky die „Surface-Wrapper“-Methode in STAR-CCM+. Der Surface Wrapper schrumpft ein Gitter um eine vorgegebene Geometrie und kreiert so eine feinmaschige Oberfläche. Auf diese Weise entsteht eine Geometrietreue der Oberfläche, die auch kleinste Details wie Muttern und Bolzen darstellt. Der gesamte Modellbereich besteht aus getrimmten hexaedrischen Volumenzellen mit einem prismatischen Grenzschichtgitter nahe der Oberfläche, um die Grenzschichtströmung zu erfassen.
Im Beispiel verfügt die Kontur des Grenzschichtgitters über vier prismatische Zellschichten. Auf der Oberfläche der Rotorkopfabdeckung befinden sich zudem zehn Zellschichten, um die dicken Grenzschichten auf dieser Oberfläche genau auflösen zu können. Hinter dem Rotorkopf wurde zudem eine volumetrische Verfeinerung eingebracht, basierend auf der Lösung eines groben Rechennetzes, um die Nachlaufströmung genau zu erfassen. Um die rotierende Baugruppe herum wurde zudem ein „Sliding Mesh“ eingesetzt. Das fertige Volumengitter des S-92A-Rotorkopfs besteht aus 14,8 Millionen getrimmten hexaedrischen Zellen, wobei das prismatische Grenzschichtnetz 8,2 Millionen Zellen beinhaltet. Ein ähnlicher Prozess für die UH-60A-Rotornabe ergab 13,1 Millionen Hexaederzellen mit 7,1 Millionen Zellen in der Grenzschicht.

Simulationsablauf

Die Lösung der Simulation erfolgte unter Beachtung empfohlener Vorgehensweisen für die Simulation beweglicher Objekte in STAR-CCM+. Erste Rechenläufe erfolgten auf Basis eines groben Gitternetzes. Die Ergebnisse dienten der Überprüfung des Modellaufbaus sowie der abschnittsweisen Verfeinerung des Gitters. Der Lösungsprozess folgte dem Windkanaltests in umgekehrter Reihenfolge mit einer anfänglich vollständigen Konfiguration des S-92A-Rotorkopfs, gefolgt von Simulationen, in denen Aufsatz, Schubstange, Scheiben und Antrieb, Taumelscheibe und Bifilarspule entfallen. Gleichermaßen wurden die UH-60A-Rechenläufe mit einer umfassenden Konfiguration begonnen und anschließend die Bifilar- und die verstellbaren Anlenkgestänge in den weiteren Schritten entfernt. Ingesamt wurden für die Rotor­naben S-92A und UH-60A jeweils sechs respektive drei Konfigurationen durchgerechnet. Es wurden stationäre Simulationen beider Rotorköpfe mit einer Eintrittsgeschwindigkeit von 150 Knoten, einer Umdrehungsgeschwindigkeit von 500 Umdrehungen pro Minute sowie einer Vorschubkraft durchgeführt, die ähnlich der eines maßstäblichen Drehflüglers ist. In den Simulationen wurde die gleiche Reynolds- und Machzahl wie in den Versuchen verwendet.
Auf den groben Gittern der Rotorkopfgeometrien liefen die stationären Rechenläufe unter Verwendung von Moving Reference Frame (MRF) ab. Die MRF-Methode eignet sich für rotierende Bezugsysteme, wobei die rotierenden Gebiete – wie hier die Rotorköpfe – nicht physisch rotieren, sondern der Effekt der Rotation bei der Berechnung im Solver berücksichtigt wird. Die Ergebnisse der Grobgitterrechenläufe dienten als Startlösungen für die Rechenläufe auf den feinen Gittern. Die Berechnungen für die feinen Gitter berücksichtigen die Rotation der Baugruppe mittels Rigid Body Motion. Bei der Rigid Body Motion handelt es sich um eine Festkörperrotation mit echter Gitterbewegung. Es wurden zwei instationäre Rechenläufe basierend auf einer statistischen Modellierung (Unsteady Reynolds Averaged Navier Stokes – URANS) sowie eine Detached-Eddy-Simulation (DES) berechnet. Die URANS-Rechenläufe verwendeten die Lösung der stationären Rechnung als Startlösung, die DES-Rechenläufe nutzten die URANS-Lösung mit einem SST-k-ω-Turbulenzmodell nach Dr. F. Menter als Startlösung. Für die instationären Rechenläufe wählte Sikorsky Schrittweiten zwischen 0,5 und 5 Grad der Nabenrotation pro Zeitschritt.

Ergebnisse

Der Luftwiderstand aus den stationären Rechenläufen mit MRF entsprach dem berechneten maximalen Luftwiderstand aus den DES-Durchläufen mit einer 5-Grad-Nabenrotation pro Zeitschritt. Wie erwartet, ist der maximale Luftwiderstand feststellbar, wenn die Rotorblätter senkrecht (sprich: 90 Grad) zur Strömung mit einer großen Frontfläche stehen, während ein minimaler Widerstand auftritt, wenn sich die Rotorblätter in einem 45-Grad-Winkel zur Strömung mit minimaler Frontfläche befinden. Der zeitliche Durchschnitt des Widerstands wies Abweichungen von vier Prozent zwischen den Zeitschritten 5 und 0,5 Grad auf, während der Unterschied des Durchschnittswiderstands zwischen URANS- und DES-Durchläufen 0,6 Grad betrug. Das DES-Verfahren konnte die Turbulenz im Nachlauf des Rotorkopfes besser auflösen. Der Spektralgehalt dieser Turbulenz hatte jedoch kaum Auswirkungen auf den Gesamtwiderstand des Rotorkopfes. Die abschließenden Simulationen zur Validierung beider Rotorenköpfe mit ihren unterschiedlichen Konfigurationen wurden als DES-Durchläufe mit einem Zeitschritt von 5 Grad durchgeführt.
Die Ergebnisse aus den DES-Rechenläufen für die S-92A-Geometrie zeigten, dass die zusätzlichen Bauteile den Luftwiderstand erhöhten und gut mit den Windkanalergebnissen korrelierten. Im Durchschnitt überschätzten die numerischen Ergebnisse den Luftwiderstand nur leicht, und die größte Fehlerquote zwischen Simulation und Versuch betrug weniger als sieben Prozent. Die numerischen Ergebnisse für den UH-60A-Rotorkopf unterschätzten den Luftwiderstand, während andere Trends den Ergebnissen der S-92A-Rotornabe entsprachen. An den Konturen des Drucks an der Oberfläche und des Betrags der Geschwindigkeit in der Mittelebene ist eindeutig der Einfluss der Rotation auf den Oberflächendruck zu erkennen. Die instationären Wirbel im Nachlauf des Rotorkopfes werden in den blau-grünen Bereichen der Geschwindigkeitskonturen hinter dem Rotorkopf deutlich. Der Rotorkopf Sikorsky S-92A wies in Versuchsreihen der frühen Entwicklungsphasen eine Heckschwingung auf, die auf die Nachlaufströmung der Scheiben- und dazugehörigen Komponenten des Rotorkopfes zurückgeführt werden konnte. Es handelt sich hierbei um die einzigen Strukturen, die eine zweifache Umdrehungskraftfunktion pro Rotor auslösen können. Dieses Problem wurde gelöst, indem die vertikale Position des Rotorkopfes angehoben und Veränderungen am Pylon vorgenommen wurden.

Zusammenfassung

Sikorsky wollte die Nutzbarkeit von numerischen Simulationen zur genauen Berechnung des Strömungswiderstands am Rotorkopf neuer Rotorkopfkonstruktionen in der Entwicklungsphase untersuchen. Die numerischen Simulationen zeigten, dass STAR-CCM+ den Rotorkopfwiderstand verhältnismäßig gut mit einer maximalen Fehlerquote von sieben Prozent im Vergleich mit den realen Versuchen berechnen kann. Für eine Erststudie ohne Gitterunabhängigkeitsuntersuchung sind diese Ergebnisse akzeptabel, und die Simulationsergebnisse lassen sich durch lösungsbasierte Gitterverfeinerung und Untersuchungen zur Zeitschrittweite verbessern. Der Zeitaufwand vom CAD-Modell bis zu den Ergebnissen betrug etwa 14 Arbeitsstunden und rund 30 Rechner-Stunden für die MRF-Studien sowie rund 75 Rechner-Stunden für die DES-Studien. Anhand dieser Zahlen lässt sich erkennen, dass erfahrene Nutzer Rotorkopfwiderstandanalysen im Rahmen von Designstudien äußerst schnell und effektiv mit ausreichend Genauigkeit durchführen und somit frühzeitig Erkenntnisse über die Rotorkopfkonstruktion gewinnen können. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen zudem, dass STAR-CCM+ in der Lage ist, sehr schnell Rechengitter für komplexe Widerstandsuntersuchungen am Rotorkopf zu erstellen. Darüber hinaus zeigte sich, dass STAR-CCM+ auch dafür geeignet ist, die Struktur im Nachlauf des Rotorkopfes mit hoher Genauigkeit wiederzugeben.

Autoren:

Alan Egolf ist Supervisor Aerodynamic Methodology bei Sikorsky Aircraft in Stratford.
MikeDombrosk ist Principle Application Engineer bei CD-adapco in Detroit.


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