10.09.2020 – Kategorie: Fertigungs-IT

So finden Fertigungsunternehmen die richtige Plattform: Zwölf Experten geben Rat

FertigungsunternehmenQuelle: PopTika/shutterstock

In der Krise zeigen sich die Stärken des Digitalen. Wir haben Plattform-Experten gefragt, wie Fertigungsunternehmen durch Transformation besser durch Krisen kommen, und wie sie die richtige Plattform für sich finden können.

Unsere Fragen zu Plattformen für Fertigungsunternehmen an die Experten:

1. Wie kann Digitalisierung die Krisen-Resilienz von Unternehmen verbessern?

2. Bitte nennen Sie ein Beispiel einer erfolgreich implementierten Plattform.

3. Was sollten Fertiger bei der Auswahl einer IoT-Plattform beachten?

Sven Hamann (Geschäftsführer, Bosch Connected Industry)

Sven HamannQuelle: BoschQuelle: Bosch
Sven Hamann (Geschäftsführer, Bosch Connected Industry)

1. Wie Digitalisierung die Resilienz steigert, erleben wir aktuell in den eigenen Bosch-Werken weltweit: Die einen konnten wegen Covid-19 sehr schnell und flexibel auf schwankende Nachfragemengen reagieren, während andere auf die Herstellung neuer Produkte wie Atemschutzmasken für die Belegschaft umgestellt haben. Dabei helfen digitale Lösungen wie unsere Nexeed-Software maßgeblich. Erfolgreiche Digitalisierungs-Projekte zeigen: An einzelnen Standorten lassen sich die Produktivität um bis zu 25 Prozent steigern, Lagerbestände um 30 Prozent verringern und Energiekosten erheblich senken. Dies ist ohne Investitionen in neue Maschinen möglich, indem bestehende Anlagen ganz einfach fit für Industrie 4.0 gemacht werden.

2. Zum einen ist Bosch selbst das beste Beispiel. Nexeed ist bereits in rund der Hälfte aller Bosch-Werke implementiert und sorgt für Transparenz und Effizienz in Fertigung und Logistik. Zum anderen nutzen internationale Fertigungsunternehmen unsere Software, zum Beispiel das BMW Werk Landshut oder der Sensorhersteller Sick in der Fertigung sowie Nox NachtExpress in der Logistik.

3. Gemeinsam mit unseren Kunden haben wir für das Nexeed Industrial Application System vier Kerneigenschaften definiert: Aufgrund unserer Domänenkompetenz in Fertigung und Logistik bieten wir praxiserprobte, direkt einsetzbare Lösungen an. Dabei ist die Skalierbarkeit elementar: Jeder Kunde kann selbst die Geschwindigkeit und Kosten der Implementierung steuern. Sämtliche Applikationen sind interoperabel, greifen auf die gleichen Daten zu und arbeiten optimal zusammen. Hinzu kommt die Offenheit des Systems: Offene Schnittstellen sorgen für höchste Flexibilität, damit Kunden ihre eigenen Innovationen noch schneller umsetzen können.

Peter Kiss (Head of Business Development, Conrad Connect GmbH)

FertigungsunternehmenQuelle: Conrad Connect GmbHQuelle: Conrad Connect GmbH
Peter Kiss (Head of Business Development, Conrad Connect GmbH)

1. Bei Digitalisierung und dem Internet der Dinge geht es um mehr als nur darum, Daten zu sammeln und Maschinen miteinander zu vernetzen. Digitalisieren Fertigungsunternehmen ihre Strukturen, können sie ihre Produktion flexibler gestalten. Sie können sich gezielter an Kundenwünschen ausrichten und an den Bedarf anpassen. Ein weiterer Aspekt sind intelligente Produktionsanlagen. Sind diese mit smarten Sensoren ausgestattet, können sie die Verfügbarkeit erhöhen. Gleichzeitig müssen die Anlagen nur noch dann gewartet werden, wenn es nötig ist. Kosten und Personal lassen sich effizient einsetzen und in Krisen können so Produktionsausfälle vermieden oder abgemildert werden.

2. Aktuell arbeitet einer unserer Kunden an einem intelligenten Frühwarnsystem auf Basis eines Alarm-Sensors. Dieser ist an der Fertigungslinie platziert. Stehen die Maschinen still, informiert das System auf Knopfdruck den zuständigen Techniker. Außerdem verwendet Conrad Electronic im eigenen Lager einen Predictive-Maintenance-Sensor. Er überwacht den Zustand verschiedener Maschinen und meldet sich, sobald eine Wartung nötig wird. Wir konnten so den Personaleinsatz für Wartungsarbeiten deutlich reduzieren und die Ausfallquote signifikant senken.

3. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter eine IoT-Plattform auch ohne technische Kenntnisse nutzen können. Die Benutzeroberfläche muss zentral bedienbar, die Berichte der Sensordaten schnell einsehbar und Regeln für Automatisierungen einfach zu erstellen sein. Außerdem sollte die IoT-Plattform alle relevanten Hersteller und gängigen Funkstandards unterstützen. In der Produktion sollte bei Cloud-Plattformen darauf geachtet werden, dass sich Serverstandorte in Europa befinden und damit den Vorgaben der DSGVO entsprechen, das ist nicht zuletzt aus Compliance-Gründen entscheidend.

Thomas Schulz (Channel Manager Central and Eastern Europe, GE Digital)

FertigungunternehmenQuelle: GE DigitalQuelle: GE Digital
Thomas Schulz (Channel Manager Central and Eastern Europe, GE Digital)

1. Industrielle IoT-Plattformen können mit ihren zahlreichen Anwendungen dazu beitragen, die Geschäftskontinuität zu gewährleisten und wirtschaftliche Schäden in Krisen zu minimieren, indem sie die Sicherheit der Mitarbeiter gewährleisten und die Flexibilität, Zuverlässigkeit und Agilität erhöhen. Das hilft auch, Kosten kurzfristig zu senken. Webbasierte Lösungen ermöglichen Anlagenbetreibern den ortsunabhängigen Zugriff auf die Betriebsmittel in Echtzeit über geschützte und sichere Verbindungen. Das unterstützt die Aufrechterhaltung des Betriebs mit weniger Mitarbeitern vor Ort durch Fernarbeit.

2. Procter & Gamble wendet die Predix Manufacturing Data Cloud (MDC) von GE an, eine speziell entwickelte IoT-Plattform zur Speicherung, Konsolidierung und Transformation von Fertigungsdaten als Grundlage für weiterführende Analysen. Durch die Cloud-basierte Architektur können die Hersteller Rechtsvorschriften einfacher umsetzen und Daten für Auditierungen aufbereiten. Mit der Molkerei Spomlek setzt ein weiteres Unternehmen die MDC ein. Für die vier Produktionswerke suchte dieser Anwender nach einer digitalen Lösung zur Optimierung der Effizienz von Verpackungslinien, zur Einsatzplanung der Mitarbeiter und zur Überwachung der Produktionsanlagen in Echtzeit. Unter anderem minimiert das Fertigungsunternehmen damit heute Ausfallzeiten.

3. IoT-Plattformen sollten weitreichende Hardware-, Software-, Konnektivitäts-, Sicherheits- und Geräteverwaltungstools für die Verarbeitung von Daten unterschiedlichster Geräte mitbringen. Tools für Produktionsüberwachung, Bestandsverwaltung, Optimierung der Lieferketten und Arbeitssicherheit sollten ebenfalls verfügbar sein. Dabei ist Skalierbarkeit ein Schlüssel zum Erfolg. Das betrifft die mögliche Anzahl von Geräten, Diensten und Benutzern. Flexibilität ist auch ein wichtiges Thema bei der Verwendung von Bandbreite oder Datenspeicherung. Fertigenden Unternehmen sollten sich an Softwareanbieter wenden, die Standards in ihre Lösungen integrieren können, ihre jeweiligen Branchenparameter verstehen und über Technologien verfügen, die ihre geschäftskritischen Prozessanforderungen erfüllen.

Matthias Roese (Chief Technologist, Manufacturing, Automotive & IoT, Hewlett Packard Enterprise)

Matthias RoeseQuelle: Hewlett Packard EnterpriseQuelle: Hewlett Packard Enterprise
Matthias Roese (Chief Technologist, Manufacturing, Automotive & IoT, Hewlett Packard Enterprise)

1. Das Ziel von Industrie 4.0 sind Produktionssysteme in Fertigungsunternehmen, die flexibel, intelligent und autonom auf Ereignisse reagieren können. Das sind Eigenschaften, die in Krisenzeiten besonders nötig sind – etwa um bei Lieferkettenproblemen oder Nachfrageschwankungen die Produktion schnell und vorausschauend anzupassen.

2. Die wandelbare Fabrik erfordert einen einheitlichen Zugriff auf Daten verteilter Maschinen und Systeme. Wir verwenden dafür unter anderem die Lösung MapR – ein massiv skalierbares verteiltes Dateisystem. Ein Beispiel ist Edwards, einer der weltweit führenden Hersteller von Vakuumtechnologie und Luftreinigungssystemen, die unter anderem in der Halbleiterfertigung eingesetzt werden. Edwards nutzt MapR als Plattform für die Echtzeit-Analyse seiner Produkte bei den Kunden, sodass diese die Qualität und Produktivität ihrer Fertigung erhöhen können. Edwards kann damit sehr unterschiedliche Datentypen von einer großen Zahl von Quellen erfassen und analysieren. Damit werden Machine-Learning-Modelle trainiert, die in Sensordaten Anomalien entdecken.

3. Wenn Fertigungsunternehmen in einem Best-of-Breed-Ansatz die IoT-Plattformen ihrer verschiedenen Maschinen-Hersteller nutzen, können Daten-Inseln entstehen, die die übergreifende Analyse und Steuerung erschweren. Wenn sie dagegen zwecks Komplexitätsreduktion nur auf eine oder wenige Plattformen setzen, können sie in zu große Abhängigkeiten geraten. Diese Probleme lassen sich durch die Einrichtung einer separaten Datenschicht lösen, die einen einheitlichen Zugriff auf alle verteilten Datenbestände gewährt. Diese Schicht integriert und steuert den Daten-Kreislauf über Standorte und IoT-Plattformen hinweg.

Thomas Frahler (Business Lead IoT, Microsoft Deutschland)

Thomas FrahlerQuelle: Microsoft DeutschlandQuelle: Microsoft Deutschland
Thomas Frahler (Business Lead IoT, Microsoft Deutschland)

1. Digitalisierung eröffnet Spielräume, weil sie sowohl die Flexibilität als auch die Effizienz erhöht. Damit ermöglicht sie die Erschließung neuer Geschäftsfelder. Ein aktueller Bericht von McKinsey* zeigt, dass abgesehen von finanziellen Kriterien vor allem jene Fertigungsunternehmen erfolgreich durch Krisen kommen, die schnell und entschieden auf das Thema Produktivität reagieren. Vernetzte Wertschöpfungsketten und Fertigungsanlagen machen das möglich.

*Coronavirus: Five strategies for industrial and automotive companies, 2020

2. Da fällt mir Festo ein. Der Automatisierer reduziert Stillstandzeiten in der Produktion durch intelligente, vorbeugende Wartung. So lassen sich Unregelmäßigkeiten frühzeitig erkennen und nötige Maßnahmen einleiten, noch bevor ein Ausfall auftritt. Möglich macht das die Vernetzung der Maschinen und die Visualisierung von Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Weil die Daten zentral in der Cloud dokumentiert werden, sind sie weltweit verfügbar, können für Audits leicht abgerufen werden und schaffen mehr betriebliche Transparenz für Produktionsleiter und Bediener. In Sachen Datenverfügbarkeit und Datensicherheit setzt Festo dabei auf die Microsoft Services der Cloud-Plattform Azure.

3. Die Anwender sollten auf Offenheit achten – das vereinfacht die Interoperabilität, wodurch Hersteller sich von proprietären Schnittstellen verabschieden können. Wichtig dabei: Open Source, offene Plattformen, offene Industriestandards und offene Datenmodelle. Weitere wichtige Kriterien sind: Ende-zu-Ende-Sicherheit, Flexibilität in Sachen Verfügbarkeit und Realisierung mittels Public-, Private- oder Hybrid-Clouds, Protokoll- und Plattformunabhängigkeit, Skalierbarkeit und Regionale Verfügbarkeit, Modularität der Plattform (Managed/Hyper-Scale). Das wichtigste an einer Plattform ist aber ein funktionierendes Partnerökosystem.

Dipl.-Ing. Anja Moldehn (Brand and Senior Project Manager Industrie 4.0, Phoenix Contact)

FertigungsunternehmenQuelle: Phoenix ContactQuelle: Phoenix Contact
Dipl.-Ing. Anja Moldehn (Brand and Senior Project Manager Industrie 4.0, Phoenix Contact)

1 Wir setzen selbst seit Jahren auf Digitalisierung in Produktion und Logistik, um maximale Flexibilität zu erzielen. In unserem Werkzeugbau etwa schafft ein selbst entwickeltes Informationssystem Transparenz über alle weltweiten Projekte. Für jeden Arbeitsschritt der Prozesskette stehen Daten zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung. Wir fertigen heute viele Produkte nach Industrie 4.0-Gesichtspunkten. Die I/O-Module der Produktfamilie Axioline zum Beispiel werden auf modularen Anlagen hergestellt, die digitale Zwillinge zur vollautomatischen Produktion ab Losgröße eins nutzen. Die Krise ist bei uns Anstoß für weitere Entwicklungen: Um den Ausfall der Hannover Messe zu kompensieren, haben wir die Dialog Days eingeführt, eine virtuelle Messe, um mit unseren Anwendern im Gespräch zu bleiben und um über aktuelle Technologien und Trends zu informieren. Vor allem die Vorträge und Live-Chats fanden großen Anklang.

2 Neben dem Portfolio rund um den 3D-Druck fungiert unsere Tochter Protiq als Plattformanbieter für Dritt-Unternehmen der additiven Fertigung. Der 3D-Druck-Marktplatz erlaubt einen einfachen Vergleich der Offerten. Über den PLCnext Store als digitalem Marktplatz stellt Phoenix Contact zudem Apps speziell für die Automatisierungstechnik bereit, wie etwa Softwarebibliotheken zur schnelleren SPS-Programmierung.

3 Interoperabilität ist der Knackpunkt. Die Plattformen müssen auch untereinander die Cloud-to-Cloud-Kommunikation ermöglichen. Denn die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle erfordert durchgängige Daten in allen Bereichen. Industrie 4.0 bedeutet auch, dass die vernetzten Ökosysteme künstliche Intelligenz nutzen, um Entscheidungshilfen zu liefern, die zum besten Ergebnis leiten. Die KI-Apps müssen dank Interoperabilität nicht unbedingt auf der eigenen IoT-Plattform laufen, sondern lassen sich von anderen Plattformen „zukaufen“.

Karl M. Tröger (Business Development Manager, PSI)

Karl M. TrögerQuelle: PSIQuelle: PSI
Karl M. Tröger (Business Development Manager, PSI)

1. Mit digitalen Prozessen lassen sich Abweichungen in den Abläufen und eine verringerte Produktionsleistung in Fertigungsunternehmen schnell erkennen. Dabei ersetzen pro-aktive Frühwarnsysteme die üblichen, nachgeführten Analysen, die meist erst dann greifen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Digitalisierung ist neben der technischen Umsetzung auch ein Integrationsprojekt und kann damit die Prozesse verbessern und stabilisieren. Das kann im Ergebnis die Krisen Resilienz eines Unternehmens nachhaltig stärken.

2. Fertigungsunternehmen, die unsere Softwarelösungen nutzen, schätzen den integrierten Ansatz. Die horizontale Integration aller, mitunter weltweit verteilter, Standorte, liefert ad-hoc ein vollständiges Bild des Geschehens. Sie setzen dabei die Multisite-Plattform unseres ERP-Systems ein. Aber auch die vertikale Integration bis in den Shopfloor bringt Mehrwerte. Die aus einer Integrationsarchitektur und entsprechenden funktionalen MES-Komponenten bestehende Manufacturing-Plattform ist hierfür der Schlüssel.

3. Die Auswahl einer IoT-Plattform ist eine strategische Entscheidung und muss als solche verstanden werden. Denn ein Wechsel der Plattform wird oft mit zunehmender Laufzeit schwieriger. Eine wichtige Rolle bei der Wahl spielen Aspekte wie die Kritikalität der Daten, Datenmengen, Verfügbarkeitszusagen und APIs für den Datenzugriff. Zudem müssen Randbedingungen wie Ort der Datenhaltung und Sicherheitskonzepte zum Schutz der Daten vor unerlaubtem Zugriff oder Verlust zu den Anforderungen passen.

Markus Hannen (Vice President Go-to-Market, PTC)

FertigungsunternehmenQuelle: PTCQuelle: PTC
Markus Hannen (Vice President Go-to-Market, PTC)

1. In der Krise widerstandfähig ist, wer agil und flexibel etwa auf Reisebeschränkungen reagieren kann. Digitalisierung schafft es, die Fertigungssysteme standortübergreifend zu vernetzen, um sie auch aus der Ferne steuern und instandsetzen zu können. Beispiele sind Augmented-Reality- und Plattform-Lösungen. Das kann ein Ersatz für aktuell nicht mögliche persönliche Treffen sein, auch wenn es etwa um Arbeitsgespräche oder komplexere Wartungs- und Serviceleistungen geht.

2. Ein global agierender Hersteller konnte bei einer ausländischen Tochtergesellschaft die Qualitätskontrolle verbessern. Dem Team gelang es, alle Prozessschritte in der Fertigung eines Produkts bis hin zur Qualitätssicherung und dem Etikettendruck im Versand zu vernetzen. Ein OK in der Qualitätsprüfung löst nun direkt den Druck der Etiketten sowie der Versanddokumente aus und gibt dem Mitarbeiter damit das Go für das Verpacken und den Versand des hergestellten Produkts. Bleibt der Druck aus, weiß der Mitarbeiter, dass das Produkt nachgearbeitet werden muss, um anschließend erneut den Prüfprozess zu durchlaufen.

3. Damit eine IoT-Plattform als zentrale Datendrehscheibe agieren kann, muss sie in er Lage sein, Maschinen, Hilfsmittel und Produkte in der Fertigung zu vernetzen. Eine Plattform ist damit ein Schmelztiegel für Daten unterschiedlichster Protokolle und Formate aus internen und externen Systemen. Es gilt, diese in einem effizienten Prozess auf einen Nenner zu bringen. Der Anwender sollte auch auf automatische Prozesssteuerungen, Analysefunktionen als auch auf die Visualisierungsmöglichkeiten achten. Insbesondere sollte die Plattform Werkzeuge für die einfache und schnelle Entwicklung von eigenen Applikationen und Schnittstellen bereitstellen.

Claudius Link (Global Head of Digital Manufacturing, SAP SE)

Claudius LinkQuelle: SAP SEQuelle: SAP SE
Claudius Link (Global Head of Digital Manufacturing, SAP SE)

1. Krise bedeutet häufig: schrumpfende Märkte. Das heißt für Unternehmen, dass ein Ausbau der Marktanteile überlebenswichtig sein könnte. Die Digitalisierung der Fertigung kann helfen, sich vom Wettbewerb zu differenzieren und mit digitalen Services Mehrwerte zu schaffen. Zudem ist jetzt essentiell, innerhalb der Supply Chain, schnell auf die veränderte Nachfrage zu reagieren und kurzfristig Entscheidungen zu treffen – zum Ramp-down, aber zum Ramp-up. Das erfordert Informationsfluss zwischen den Partnern nahezu in Echtzeit – im Fertigungsunternehmen – aber gerade auch über Grenzen hinweg. Digitalisierung kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten. Produktionsabläufe können automatisiert werden und lassen sich flexibler gestalten. Insgesamt kann das Fertigungsunternehmen so schneller auf die Situation reagieren und beispielsweise neue oder angepasste Produkte schneller einführen.

2. Ein Automobilzulieferer hat eine Kombination aus lokalen Manufacturing-Execution-Systemen (MES) und einer globalen Cloud-Plattform aufgebaut. Über die MES in den Werken steuert das Fertigungsunternehmen Prozesse in Produktion, Qualität und Logistik. Das stellt auch eine nahtlose Absicherung und Rückverfolgung sicher. In der Cloud werden die Informationen aus den lokalen Systemen aufbereitet und analysiert. Diese Architektur bildet die Basis für künftig steigende Anforderungen an die Prozessabsicherung, den Datenaustausch mit Lieferanten und Kunden, Machine-to-Machine Kommunikation, Advanced Analytics und Machine Learning.

3. IoT-Plattform ist nicht gleich IoT-Plattform. Es gibt Data Lakes, Software as a Service, Advanced Analytics. Stehen Geschäftsergebnisse im Vordergrund, benötigt es eine Plattform, die die Vernetzung von IoT-Daten, wie zum Beispiel Nutzungsdaten, mit Geschäftsprozessen zusammenbringt und so nutzbar macht. Bei der Wahl sollte der Anwender auch darauf achten, dass keine neuen Information-Silos entstehen und klar darin sein, welche Business-Prozesse er steuern möchte. Die Plattform sollte eine einfache Integration und offene Industrie-Standards unterstützen. Damit können bereits implementierte Geschäftsprozesse um IoT-Aspekte erweitert werden. Offenheit, Sicherheit, Verfügbarkeit und Skalierbarkeit sind weitere Kriterien. Eine herstellerunabhängige Referenz-Architektur wird z.B. im Rahmen der Open Industry 4.0 Alliance definiert und weiterentwickelt.

Gerard O’Neill (MindSphere Field Marketing Manager EMEA, Siemens)

Gerard O'NeillQuelle: SiemensQuelle: Siemens
Gerard O’Neill (MindSphere Field Marketing Manager EMEA, Siemens)

1. Stärker digitalisierte, automatisierte Prozesse senken das Risiko, dass Fertigungsstraßen zum Stillstand kommen, falls Arbeitnehmer von zu Hause aus arbeiten müssen. Ferndiagnose- und -Management-Tools ermöglichen es dann, von außen in die Produktion einzugreifen. Digitale Supply-Chain-Lösungen, die in Echtzeit die Warenbewegungen entlang der Lieferkette verfolgen, unterstützen dabei, schnell auf veränderte Krisensituationen zu reagieren. Digitale Zwillinge helfen bei der Planung der dafür notwendigen Szenarien, indem sie verschiedene Modelle von Produktionsprozessen simulieren. Im Zuge der Covid-19-Krise ist insbesondere die Nachfrage eingebrochen. Daher ist zu überlegen, wie Unternehmen hohe Investitionen umgehen können. Der Einsatz von Cloud-Lösungen und digitaler Bezahlmodelle ist ein Ansatz dazu.

2. Rittal, Anbieter von Klimatisierungs-Lösungen, hat Predictive-Maintenance-Anwendungen auf Basis unserer Plattform MindSphere entwickelt. Damit können die Rittal-Kunden die Ausfallzeiten der Anlagen in ihren Fabriken minimieren, die Auslastung erhöhen und die Produktivität verbessern.

3. Es besteht die Gefahr, sich auf ein proprietäres Modell oder einen Industrial Internet of Things (IIoT)-Ansatz eines einzigen Herstellers festzulegen. Die Plattform sollte daher flexibel und offen sein und vorkonfigurierte Elemente mitbringen, auf die der Nutzer aufbauen kann. Regelmäßige Aktualisierungen sollten neue und aktuelle Funktionen bringen, damit Anwender von der kontinuierlichen Innovation am Markt profitieren können – das ist schließlich ein Hauptargument für IIoT. Zudem sollten sich Unternehmen für eine Plattform entscheiden, die eine umfassende Sicherheit bietet. Ebenfalls entscheidend sollte sein, ob die Plattform von einem breiten Ökosystem von Lösungsentwicklern und Integratoren unterstützt wird. Aber auch die Mitarbeiter im Fertigungsunternehmen sollten schnell Applikationen entwickeln können, um eigene Prozesse zu optimieren.

Bernd Groß (Gründer und CEO, Cumulocity IoT, Software AG)

FertigungsunternehmenQuelle: Software AGQuelle: Software AG
Bernd Groß (Gründer und CEO, Cumulocity IoT, Software AG)

1. Digitale Tools machen Fertigungsunternehmen flexibler, was eine schnelle Reaktion auch auf Krisen-Situationen ermöglicht. Die Technologien erlauben vorteilhafte Optionen wie etwa die Wartung und Steuerung von Geräten und Maschinen aus der Ferne sowie das Abrufen von Daten in Echtzeit. Firmen werden so unabhängiger und verbessern ihre Anpassungsfähigkeit an jegliche aktuelle Marktsituationen.

2. Dampferzeuger von Certuss werden beispielsweise zur Sterilisation chirurgischer Instrumente, oder der Befeuchtung von Plastik eingesetzt. Um den reibungslosen Betrieb der Geräte zu gewährleisten, hat Certuss mithilfe der Cumulocity-IoT-Plattform einen Predictive-Maintenance-Service aufgebaut. Für jedes Gerät werden mehr als 60 Parameter in Echtzeit überwacht, darunter Druck, Temperatur, Verbrennungszustand und Wasserstand. Der Hersteller kann so frühzeitig einen Techniker zum Kunden schicken, bevor es zu einem Ausfall kommt. Per Fernkonfiguration lassen sich die Dampferzeuger außerdem exakt an die geforderte Dampfmenge anpassen – das spart Energiekosten.

3. Unternehmen sollten vor ihrer Entscheidung abwägen, in welchen Bereichen und Geschäftsprozessen die IoT-Plattform Anwendung finden soll. Schnelle Einsetzbarkeit, vielfältige Protokollkompatibilität, hohe Effizienz durch automatisierte Prozesse, gute Skalierbarkeit und eine offene Plattform-Architektur sind wichtige Leistungsindikatoren bei der Auswahl einer geeigneten Plattform. Auch welche Referenzkunden es gibt und wie lange der Anbieter schon am Markt ist, sind gute Anhaltspunkte für die Entscheidung.

Henning Neuse (verantwortlich für die IoT-Plattform „Cloud of Things“, Deutsche Telekom)

Henning NeuseQuelle: Deutsche TelekomQuelle: Deutsche Telekom
Henning Neuse (verantwortlich für die IoT-Plattform „Cloud of Things“, Deutsche Telekom)

1. Die aktuelle Krise führt dazu, dass Werke Prioritäten, Strukturen und Prozesse über Nacht ändern. Sie beschleunigt die bereits vorhandenen digitalen Trends. Bis vor wenigen Wochen brillierten besonders innovative Unternehmen mit weitgehender Automatisierung, Auswertunen, ultra-flexiblen Wertschöpfungsketten und Künstlicher Intelligenz. Heute sind das Notwendigkeiten für jedes Unternehmen, das nach mehr Widerstandsfähigkeit strebt.

2. GlasGo hat unsere IoT-Plattform Cloud of Things eingeführt. Erste Umsetzungen sind bereits abgeschlossen. Beispielsweise reduzieren Sensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Füllstände an zwei vernetzten Lackierstraßen manuelle Prüfungen. Auf verteilten Displays visualisierte Sensor-Daten und Alarm-Funktionen bringen die Informationen zu den Mitarbeiten und so können diese jetzt in der Krise einfacher Sicherheitsabstände einhalten. Sie können zudem ihre Zeit produktiver nutzen, da Überwachungs-Gänge wegfallen. Die Cloud-of-Things-Plattform läuft bei Glasgo seit 16 Monaten.

3. Im Mittelpunkt sollten eine einfache Bedienung und eine intuitive Plattform-Oberfläche stehen. Auch die Vielfalt bei der Ausgestaltung und die Zuverlässigkeit des Tools sind wichtig. Daten aus verteilten Objekten sollten einfach extrahiert, Positions- und Zustandsdaten sowie Fehlermeldungen und Alarme einfach konfiguriert, erfasst und übertragen werden können. Auch eine Visualisierung der Daten in einem Web-basierten Dashboard ist sehr nützlich. Verschiedene IoT-Komponenten sollten jederzeit nachrüstbar sein und die IoT-Plattform in sicheren Rechenzentren nach deutschem Datenschutz gehostet und betrieben werden können. Fertigungsunternehmen geben zudem an, dass vor allem die Einbindung der Hardware schnell und sicher funktionieren sollte.

Lesen Sie auch: Datenpotenziale in der smarten Fabrik für eine schnellere Produktion nutzen


Teilen Sie die Meldung „So finden Fertigungsunternehmen die richtige Plattform: Zwölf Experten geben Rat“ mit Ihren Kontakten:


Scroll to Top