09.07.2018 – Kategorie: Fertigung

Schneller projektieren und produzieren mit digital Twins

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Der digitale Zwilling ist in aller Munde, wie er wirklich funktioniert und was er leisten kann, das können jedoch noch wenige Unternehmen einschätzen. Nicht so das Erlanger Unternehmen Heitec, das sich schon seit einigen Jahren mit der Thematik beschäftigt. › von Stefan Uhlmann

Der digitale Zwilling ist in aller Munde, wie er wirklich funktioniert und was er leisten kann, das können jedoch noch wenige Unternehmen einschätzen. Nicht so das Erlanger Unternehmen Heitec, das sich schon seit einigen Jahren mit der Thematik beschäftigt. › von Stefan Uhlmann

Automatisierung und Digitalisierung sind die bestimmenden Faktoren einer zukunftsorientierten Fertigung, denn nur mit deren Hilfe können Unternehmen auf sich ständig verändernde Kundenwünsche und immer kürzere Entwicklungszeiten reagieren. Sie verschaffen die notwendige Flexibilität und Effizienz für eine immer individuellere Massenproduktion. Deshalb sollten Planungs-, Engineering- und Inbetriebnahme-Prozesse durchgängig softwarebasiert durch virtuelle Modelle von Maschinen und Anlagen unterstützt werden.

Der Erlanger Automatisierungsspezialist Heitec entwickelt hierfür den digitalen Zwilling als Pendant zur realen Anlage.

Großkonzern als Anwender

Procter & Gamble gehört zu den 50 größten Unternehmen der Welt und bietet Verbrauchern eines der stärksten Portfolios an qualitativ hochwertigen Produkten unter vielen führenden Marken an. Am Produktionsstandort Marktheidenfeld produziert das Unternehmen beispielsweise Handstücke und Zubehör für verschiedene elektrische Zahnbürsten des Zahnputzsystems Oral-B. So gibt es neben den ganz normalen Zahnbürsten, auch Handstücke, die sich über Bluetooth mit einer App im Smartphone verbinden lassen. Ebenso sind Modelle verfügbar, die die Position beim Putzen erkennen und korrigieren. Varianten reinigen mit Schall oder durch oszillierende Rotation.

Das Global Innovation Center in Kronberg ist innerhalb des Procter-&-Gamble-Konzerns ein wichtiges Technologiezentrum. Deren Entwicklungsabteilung beauftragte Heitec mit der Automatisierung einer Mess- und Beschriftungszelle. Diese ist die letzte Station innerhalb einer Montagelinie. In dieser Zelle werden die Handstücke mit einem Laser individuell beschriftet. Zudem kontrollieren Vision-Systeme das Produkt auf Montagefehler und Fertigungsmängel.

Schneller zur virtuellen Anlage

Um Zeit für die Inbetriebnahme vor Ort zu gewinnen und die Software mit allen Eventualitäten zu testen, entwickelte ein Expertenteam der Heitec-Niederlassungen Crailsheim und Chemnitz ein virtuelles Modell der gesamten Zelle. Für die Entwicklung des virtuellen Modells verwendete Heitec sein digitales Framework HeiVM. So bezeichnet Heitec virtuelle Modelle einer Anlage oder Maschine. Diese bilden die Basis für die modernen Engineering-Methoden und stellen den digitalen Zwilling – also das Pendant zur realen Anlage – für die Planung, die Inbetriebnahme und die Optimierung von Anlagen zur Verfügung.

Praxiserprobte Technologieobjekte aus einer Bibliothek beschreiben hierbei alle physischen Komponenten wie Aktoren, Sensoren, Antriebe, Automatisierungssysteme, Roboter, Förderbänder oder andere technologische Systeme in ihren kommunikativen, sensorischen und verarbeitenden Eigenschaften. Für die Steuerungen verhalten sich diese virtuellen Modelle in ihrem funktionalen Verhalten und bezüglich der Schnittstellen identisch wie ihre physikalischen Vorbilder. So können Automatisierungskonzepte sowohl in ihrer Funktionalität als auch in ihrem Zeitverhalten getestet und Prozessabläufe optimiert werden, bevor die realen Anlagen und Maschinen bereitstehen.

Projektlaufzeiten reduzieren

Auf diese Weise erreicht man eine höhere Auslieferungsqualität der Automatisierungssoftware und erkennt frühzeitig Konstruktions- und Ablauffehler. Mithilfe des virtuellen Engineerings lassen sich die Projektdurchlaufzeiten um etwa 15 Prozent und die Inbetriebnahmezeiten vor Ort um 50 bis 60 Prozent reduzieren. Bei Auslegung erstmals gebauter Maschinen verkürzt dies die Durchlaufzeit um vier bis sechs Wochen.

Mit dem virtuellen Modell der Mess- und Beschriftungszelle konnten die Heitec-Spezialisten das erstellte Steuerungsprogramm in relativ kurzer Zeit in Betrieb nehmen. Funktionsumfänge wie beispielsweise das Schreiben und Lesen von RFID-Daten, Bewegungsabläufe des Umsetzhandlings und die Bedienung der Zelle mit dem realen HMI-System wurden direkt am digitalen Zwilling getestet und abgenommen. Nach Abnahme des erstellten Steuerungsprogramms wurde die reale Prüfzelle am Entwicklungsstandort Kronberg ohne Probleme in Betrieb genommen.

Das virtuelle Modell in der Produktion

Da der digitale Zwilling dem Anwender auch nach der Inbetriebnahme zur Verfügung steht, können Produktionstechnologen weiterhin alle gegenwärtigen und künftigen Betriebsabläufe in der entsprechenden Produktionsumgebung testen und innerhalb der einmal festgelegten Rahmenbedingungen alle möglichen Alternativen und Konfigurationen durchspielen und die Anlage optimieren. Mit den CAD-Daten von neuen Produkten können sie die Automatisierung der Anlage auch dann unter Volllast testen, wenn die Vorprodukte/Produkte noch nicht oder nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

Gleiches gilt auch für die Schulung neuer Mitarbeiter. Auch sie können noch vor Installation der Montagezelle am virtuellen Modell geschult werden. Dabei bemerken sie keinen Unterschied zur realen Anlage. jbi ‹

Autor: Stefan Uhlmann ist Projektingenieur bei der Heitec AG in Crailsheim.


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