03.11.2021 – Kategorie: Automatisierung & Robotik

Roboter-Vermessung: So werden auch große Bauteile exakt vermessen

Roboter-VermessungQuelle: Yaskawa

Die Vermessung größerer Bauteile ist umständlich und erfolgt deshalb oft nur stichprobenartig. Die Qualitätsanforderungen steigen jedoch in vielen Branchen stetig an. Wie sich die Messquote deutlich erhöhen lässt, zeigt dieser Artikel.

Roboter-Vermessung als Lösung? Viele Industrieprodukte müssen besonders hohe Standards erfüllen – und erfordern deshalb eine präzise und reproduzierbare Bestimmung der Qualität. Während sich dies für eine sicherheitsrelevante Schraube relativ schnell realisieren lässt, ist die Vermessung größerer Bauteile sehr viel aufwändiger.

Wie die Roboter-Vermessung helfen kann

Um etwa eine Autotür präzise zu vermessen, benötigt eine herkömmliche Koordinatenmessmaschine oder Streifenlichtprojektion bis zu zwei Stunden. Zudem muss das Prüfteil dem Produktionsprozess entnommen werden, was weitere wertvolle Zeit kostet.

Vor diesem Hintergrund wird schnell klar, dass die Vermessung solcher größeren Bauteile gerade in fein getakteten Produktionsprozessen nur stichprobenartig erfolgen kann. Dem entgegen steht jedoch der dringende Wunsch vieler Branchen nach einer Steigerung der Prüfquote, idealerweise auf 100 Prozent.

Dass geeignete Anlagen zur Atline- oder Inline-Vermessung dennoch weitgehend fehlen, liegt an der Komplexität dieser Aufgabe. Denn die von einer Koordinatenmessmaschine gewohnt hohe Präzision muss in deutlich kürzeren Durchlaufzeiten gewährleistet sein.

Dieser Herausforderung hat sich nun die auf Systeme und Services für Industrie-Messungen spezialisierte MQS AG in Ingolstadt gestellt. Das Ergebnis aus rund 18 Monaten Entwicklungsarbeit ist eine roboterbasierte Lösung. Seit November 2020 läuft eine erste Demozelle im Praxisbetrieb.

Die richtigen Instinkte und voll integrierbar

Die schlüsselfertige Komplettzelle verbindet mehrere Elemente: das eigentliche Messsystem, bestehend aus einem Messkopf (Scanner) sowie einer Kamera (Tracker), einen Handlingroboter, auf dem der Messkopf sitzt, und einen Drehtisch zur flexiblen Positionierung des Prüfteils. Die über der Zelle positionierte Kamera erinnert dabei an eine Gottesanbeterin – daher auch der Name der Zelle: „Mantis ist der lateinische Bezeichnung für das Raubinsekt“, erklärt Andreas Zacherl, Automationsexperte bei MQS.

Die eigentliche Roboter-Vermessung übernimmt der Messkopf, ein Zulieferprodukt von Scantech. Geführt vom Roboterarm scannt er das zu prüfende Bauteil detailliert ab, wobei insgesamt drei unterschiedliche Laser zum Einsatz kommen. Die Kamera überwacht dabei permanent die Position des Messkopfs. „Der Scanner weiß also immer genau, wo er sich gerade befindet“, beschreibt Andreas Zacherl das Zusammenspiel der beiden Komponenten. Zusätzlich orientiert sich der Scanner an mehreren Markierungspunkten auf dem Drehtisch.

Durch diese Punktewolke ist sichergestellt, dass die Messposition auch nach Drehen und Bewegen des Prüfteils exakt berechenbar bleibt. Aktuell erreicht das System eine Messgenauigkeit bis zu 3 Hundertstel Millimeter.

Neben den vielfältig kombinierbaren Hardwarekomponenten bildet eine anwendungsspezifische, bedienungsfreundliche Software des Entwicklungspartners Eleven Dynamics die zweite Säule des automatisierten Messkonzepts. Die automatisierte Messung erfolgt mittels hinterlegter CAD-Daten anhand dort festgelegter Prüfpunkte und Messpläne.

Als Offline- wie als Online-Plattform ermöglicht Mantis die Integration neuer Technologien und skaliert den Nutzen bestehender Methoden für zukünftige Anwendungen. So lässt sich die Zelle beispielsweise problemlos um eine automatisierte Bestückung ergänzen oder in komplette Produktionslinien einbinden.

Der integrierte Handlingroboter

Beim Roboter fiel die Wahl auf einen Handlingroboter der Serie Motoman GP von Yaskawa. Ausschlaggebend war in diesem konkreten Fall vor allem die hohe Beweglichkeit der 6-Achser: „Der Manipulator muss sich sehr stark verbiegen können“, beschreibt Andreas Zacherl die besonderen Anforderungen, „zum einen, um auch die Unterseite des Messobjekts zu erreichen, zum anderen, damit der Roboterarm den Messkopf nicht verdeckt beziehungsweise bei der Aufnahme behindert.“

Die Voraussetzung dafür schafft das schlanke Armdesign, das Störkonturen mit der Peripherie minimiert. Der Hohlarm für die interne Leitungsführung erhöht die Lebensdauer der Medienkabel zu den jeweiligen Aktoren, hier zum Messkopf.

Fazit zur Roboter-Vermessung

Mit der Messzelle Mantis hat die Ingolstädter MQS AG eine automatisierte und voll integrierbare Turn-Key-Lösung für die Messtechnik entwickelt – und damit ein neues Konzept für die Fabrik der Zukunft.

Roboter-Vermessung
Bild: Yaskawa

Der eingesetzte Roboter

In der Demozelle steckt ein Roboter mit einer maximalen Tragkraft von 12 Kilo. Wobei diese nicht ausschlaggebend ist, da der Messkopf vergleichsweise leicht ist. Auch die hohe Positioniergenauigkeit des Roboters wird durch die präzise optische Überwachung der Messkopfposition nicht in vollem Umfang benötigt. Allerdings bietet er eine große Reichweite von 1440 Millimetern.

Gesteuert werden die Roboter der GP-Serie mit der Hochleistungssteuerung Motoman YRC1000. Offene Schnittstellen prädestinieren diese Steuerungsgeneration besonders für den Einsatz in vernetzten Umgebungen.

Ergonomisch und übersichtlich präsentiert sich das zugehörige Programmierhandgerät, das nur 730 Gramm auf die Waage bringt. Der Touchscreen ermöglicht eine intuitive Bedienung und damit einfaches Bewegen und Scrollen mit dem Cursor. Auf diesem kann auch eine 3D-Simulation der Roboterbewegung vor und während des Betriebs mit dem echten Roboterarm erfolgen. Im Schaltschrank nimmt die Steuerung mit nur 125 Liter Volumen ein.

Bei allen Modellen der GP-Serie ist für die Verbindung zwischen Manipulator und Steuerung zudem nur ein einziges Roboterkabel notwendig. Die Vorteile liegen in einem geringeren Verschleiß und einer einfachen Wartung. Zudem wird so eine schnelle und problemlose Inbetriebnahme ermöglicht − vor allem beim Einbau in den Kabelschlepp einer Fahrbahn.

Eine hohe Verfügbarkeit ist auch in raueren Umgebungen gewährleistet. Die Handgelenksachsen der Roboter sind standardmäßig in der Schutzklasse IP67 ausgeführt, die Hauptachsen in der Schutzklasse IP54.

Der Autor Jürgen Riedinger ist Senior Sales Manager Robots & Products bei Yaskawa Europe in Allershauen.

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