08.12.2021 – Kategorie: Fertigungs-IT

Reklamationsmanagement: SAP-basiertes Add-on garantiert durchgängigen Prozess

Für das Reklamationsmanagement in der Automotive-Branche gibt es derzeit standardisierte Vorgehensweisen. Ein durchgängiger Datenfluss entlang des gesamten Prozesses ist bislang aber eher die Ausnahme. Mit einem SAP-basierten Add-on und unter Verwendung von IIoT-Technologie können Unternehmen bestehende Lücken schließen.

Reklamationsmanagement im Fokus: Schon seit ein paar Jahren haben Kunden im B2B-Kontext stetig höhere Anforderungen an Produkte und Services. Zudem geht es immer mehr um die Interaktionsprozesse, einschließlich Reklamationen. Die Art und Weise, wie mit Reklamationen umgegangen wird, wirkt sich auch stark auf die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung aus.

Reibungsloser Ablauf im Reklamationsmanagement

Besonders deutlich zeigt sich das in der Automotive-Branche, und dabei geht es nicht nur um das Verhältnis vom Endkunden zum Hersteller. Ebenso wichtig sind die Verhältnisse zwischen OEM und Tier-1-Lieferant sowie zwischen Tier-1-Lieferant und Tier-2-Lieferant und so weiter. Gerade beim Prozess des Reklamationsmanagements zwischen B2B-Stakeholdern gibt es noch Verbesserungspotenzial.

Das liegt daran, dass aufgrund der professionellen Ausrichtung von Kunde und Lieferant die Voraussetzungen für einen reibungslosen Ablauf gegeben sind. An einer hohen Prozessqualität besteht auf beiden Seiten ein hohes Interesse, weil sich damit positive Effekte erzielen lassen: So sinken der Aufwand und die Kosten für die Abwicklung bei Kunden und Lieferanten. Lieferanten können auf Basis von Reklamationen den Produktionsprozess verbessern und damit die Produktqualität steigern – was dann letztlich zu weniger Fehlern und weniger Reklamationen führt.

VDA-Leitfaden als Basis

Das dieses Potenzial bislang kaum genutzt wird, ist verwunderlich, weil für das Reklamationsmanagement in der Automotive-Branche ein standardisiertes Vorgehen besteht, wie es im Leitfaden „Sicherung der Qualität im Produktlebenszyklus – standardisierter Reklamationsprozess“ des Verbands der Automobilbranche (VDA) beschrieben ist. Der gesamte Prozess gliedert sich in mehrere Schritte. Dabei spielen die 8D-Methode und der 8D-Report eine zentrale Rolle. Wenngleich der VDA-Leitfaden weithin bekannt ist, läuft das Reklamationsmanagement längst nicht überall rund. Der Erfolg hängt wesentlich davon ab, wie gut das beschriebene Vorgehen in der Praxis operationalisiert wird. Die Unterstützung durch die IT ist dabei obligatorisch, weil nur so ein durchgängiger Informationsfluss entlang des Reklamationsmanagement-Prozesses erreicht werden kann. Fast immer bestehen jedoch Lücken, die zu Schwierigkeiten im Prozess führen.

Reklamationsmanagement
Der Prozess des Reklamationsmanagements gemäß dem VDA-Leitfaden. Bild: MHP/VDA

Fehlererfassung beim Kunden

Das beginnt schon bei der Erfassung eines Fehlers beim Kunden. Denn in der Regel fällt ein Defekt erst auf, wenn er zu registrierbaren Auswirkungen führt. Die Daten werden dann manuell erfasst und gar nicht oder erst nachträglich in einem System dokumentiert. Dadurch kommt es häufig zu Ungenauigkeiten: Es lässt sich nicht exakt sagen, wo, wann und warum ein Fehler aufgetreten ist.

Eine erfasste Reklamation muss vom Kunden an den Lieferanten übermittelt werden. Das klingt zwar trivial, ist es in der Praxis aber nicht. Da häufig geeignete Schnittstellen für einen elektronischen Datenaustausch fehlen, versenden die Kunden PDF-Dokumente. Diese Informationen müssen vom Lieferanten manuell übernommen werden, wodurch die Fehleranfälligkeit steigt und die Geschwindigkeit sinkt. Diese Herausforderung besteht auch andersherum: Informationen zum Stand einer Reklamation können nur umständlich vom Lieferanten an den Kunden übermittelt werden.

Interner Datenaustausch erschwert

Hinzu kommt, dass auch für die interne Bearbeitung einer Reklamation beim Kunden und Lieferanten häufig unterschiedliche Lösungen zum Einsatz, wie etwa Excel-Tabellen, PDF-Dokumente und CAQ-Lösungen (Computer Aided Quality). Der Grund dafür ist, dass das führende ERP-System (von SAP oder einem anderen Anbieter) nicht alle Funktionen bereitstellt, die für das Reklamationsmanagement erforderlich sind. So fehlen beispielsweise Tools für die VDA-Schadteilanalyse oder die Analyse der Ursachen nach dem Ishikawa-Diagramm und der 5-Why-Methode.

Erschwert wird der interne Austausch auch, weil unterschiedliche Fachbereiche am Reklamationsmanagement beteiligt sind. Und die haben oft Interessen, die weit auseinanderliegen. Der Vertrieb möchte im Rahmen des Reklamationsmanagements dem Kunden umgehend eine Entschädigung anbieten, um für ein gutes Verhältnis zu erhalten. Die Produktion möchte zunächst prüfen, ob die beteiligten Maschinen und Anlagen ordnungsgemäß arbeiten und so den Grund für den Fehler finden. Und der Einkauf fragt sich, ob Teile eines Lieferanten fehlerhaft waren.

Reklamationsmanagement
Mit dem Add-on MHP Complaint Management wird die Reklamationsbearbeitung optimiert. Bild: MHP

Reklamationsmanagement: QDX-Adapter für Integration

Wie anspruchsvoll das Reklamationsmanagement ohne eine durchgängige IT-Unterstützung sein kann, musste zum Beispiel ein Tier-1-Automotive-Zuliefer erfahren, der in einem Projekt mit MHP zusammengearbeitete. Der Zulieferer hatte zwar einen Reklamations­management-Prozess nach dem VDA-Leitfaden aufgebaut, allerdings fehlte ein IT-gestützter Datenaustausch zu den OEM. Stattdessen musste der Lieferant die Reklamationen der OEM auf deren Portalen bearbeiten und die Daten in das eigene System übertragen, um die erforderlichen Analysen durchführen zu können. Das verursachte nicht nur einen hohen Aufwand, sondern erschwerte es auch, die von den OEMs vorgegebenen Bearbeitungsfristen einzuhalten.

Um das zu ändern, hat MHP zunächst den gesamten Reklamationsmanagement-Prozess ganzheitlich betrachtet. Grundsätzlich empfiehlt sich ein Vorgehen in vier Schritten:

  • Schritt 1: Analyse Ist-Situation: Welche Prozessschritte gibt es und welche Technologien kommen wozu zum Einsatz?
  • Schritt 2: Definition der Soll-Prozesse mithilfe von erprobten Best-Practice-Prozessen.
  • Schritt 3: Ableitung von Ziele und konkreten Maßnahmen für die Umsetzung.
  • Schritt 4: Abgleich der Soll-Prozess mit den Lösungen für ein Reklamationsmanagement.

Bei dem Tier-1-Automotive-Zuliefer erwies sich die mangelhafte Integration der OEM als zentrale Herausforderung. Insofern sollte ein Tool eingesetzt werden, mit dem die erforderliche Anbindung umgesetzt werden konnte. Das Unternehmen entschied sich schließlich für das SAP-basierte Add-on „MHP Complaint Management“. Mit dem Add-on lässt sich nicht nur der Prozess des ­Reklamationsmanagements gemäß dem VDA-Leitfaden abbilden, sondern verfügt auch über einen Adapter, der das Austauschformat Quality Data eXchange (QDX) unterstützt.

Die Anpassung der Prozesse und die Einführung des Ads-ons haben dazu geführt, dass der Tier-1-Automotive-Zuliefer die Daten zu den Reklamationen nicht mehr doppelt einpflegen muss. Gleichzeitig sind Transparenz und Konsistenz gestiegen, weil nun alle Daten in das eigene System übernommen werden und die Fachbereiche darauf zugreifen können.

IIoT unterstützt Fehlererfassung

Ausgeklammert wurde bei dem Projekt mit dem Tier-1-Automotive-Zuliefer die Fehlererfassung. Nach der Einschätzung von MHP besteht hier grundsätzlich noch immenses Potenzial, das sich mithilfe innovativer IIoT-Technologien nutzen lässt. Realisiert haben wir bereits zwei Use Cases: Bei der Artificial Intelligence Visual Inspection (AIVI) kontrolliert eine Kamera den Zustand von Teilen. Die Bilddaten werden von einem KI-System ausgewertet, das darauf trainiert ist, problematische Abweichungen zu erkennen. Etwaige Defekte fallen so auf, bevor die entsprechenden Teile verbaut werden, und werden dokumentiert. Beim Error Recording nimmt eine Spracherkennungssoftware die verbal von einem Menschen beschriebenen Fehler auf und überführt die Informationen in eine für IT-Systeme verarbeitbare Form, was die Quantität und Qualität der Informationen steigert.

Der Autor Jan Pöppelbaum ist Product Manager Digital Supply Chain bei MHP.

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