15.12.2022 – Kategorie: Produktionsprozesse

PET-Herstellung: Produktion ohne Stromunterbrechung sicherstellen

PET-HerstellungQuelle: Keba

Netstal ist Hersteller von Maschinen und Systemen für die Spritzgussindustrie. Diese werden auch in Regionen mit instabilen Stromnetzen betrieben. Daher war der Hersteller auf der Suche nach einer Lösung, die die PET-Herstellung auch an Standorten der Spritzguss- und Getränkeindustrie, wo Stromunterbrechungen auftreten können, ermöglicht.

Netstal mit Hauptsitz in Näfels in der Schweiz entwickelt und produziert Maschinen und Gesamtsysteme für die Spritzgussindustrie mit Schwerpunkt in den Bereichen Medizintechnik, Dünnwandverpackung sowie Verschlüsse und PET-Preforms für die Getränkeindustrie. Das Spritzgussverfahren ist hoch automatisiert und die Anlagen laufen rund um die Uhr. Die Maschinen stehen auch in Regionen, in denen es zu Stromunterbrechungen kommen kann oder die Stromnetze nicht immer stabil sind. Stromunterbrechungen können teuer und zeitraubend sein – daher machte sich Netstal auf die Suche nach einer Lösung, um in der PET-Herstellung kosten- und materialschonend mit solchen Unterbrechungen umzugehen.

Entwicklungen in der PET-Herstellung

Die Geschichte der PET-Flasche (PET steht für „Polyethylenterephthalat“) startete in den späten 1960er Jahren. Der internationale Durchbruch der PET-Flasche begann, als Coca Cola 1978 in den USA eine zwei-Liter-Flasche einführte – damals noch ausgestattet mit einer Bodenschale die aus einem anderen Material hergestellt wurde.

Heutzutage werden jährlich etwa 1,5 Billionen Getränkebehälter unterschiedlicher Größen und aus unterschiedlichen Materialien hergestellt – ein Drittel davon sind Getränkebehälter aus PET. 80 Prozent davon werden für Wasser und Süßgetränke mit Kohlensäure hergestellt. Für genau diesen Markt hat Netstal eine neue Baureihe konzipiert und 2020 auf den Markt gebracht: die PET-Line. Die Anlage wurde übrigens besonders darauf ausgelegt, uneingeschränkt recyceltes PET (rPET) verarbeiten zu können.

PET-Behälter mit ausgereiftem Recycling-Konzept

Durch die Tatsache, dass das Recycling-Konzept von PET-Behältern ausgereift und weit verbreitet ist, hat die SUP (Single Use Plastics Directive) den PET-Ansatz nicht hinterfragt, wie es etwa bei Wattestäbchen oder Strohhalmen der Fall ist. Darüber hinaus können PET-Behälter vollständig aus recyceltem PET hergestellt werden, wobei kein Neumaterial notwendig ist. Die Nachfrage nach recyceltem PET ist extrem groß – größer als das Angebot.

Getränkeverpackungen aus PET sind im Höhenflug, der PET-Markt für Getränkebehälter wächst im Schnitt um etwa vier Prozent pro Jahr. PET wird ebenfalls vermehrt in der Lebensmittelverpackung eingesetzt, zum Beispiel für die Herstellung von Obst- und Gemüseschalen. Stefan Kleinfeld, Product Manager bei Netstal, erklärt: „In der Corona-Pandemie sind viele Veranstaltungen und Meetings ausgefallen. Die Menschen konnten nicht in den Urlaub fahren. Die Folge war ein massiver Einbruch beim Bedarf an PET-Behältern für Getränke – gerade bei den kleinen Flaschen, also unter einem Liter, die mit rund 80 Prozent den Löwenanteil der PET-Verpackungen ausmachen. Jetzt zieht der Markt wieder an und es wird auch wieder in neue Anlagen investiert. Unsere Auftragslage ist sehr gut.“

Höhere Energieeffizienz und schnellere Fertigung

Die Spritzgussmaschinen von Netstal haben die Nase vorn, wenn es um Energiebedarf, Geschwindigkeit und Benutzerfreundlichkeit geht. So brauchen die Anlagen der neuesten Generation zehn bis 15 Prozent weniger Energie als Anlagen der Konkurrenz bei vergleichbaren Prozessen und Bedingungen. Die von Netstal gelieferten Anlagen von können nach nur wenigen Schulungstagen in Betrieb genommen werden – Grund dafür ist der eigens entwickelte Smart Operation-Ansatz. So kann jede Anlage mit nur vier Bedienknöpfen gesteuert werden. Zudem sind die Anlagen der PET-Line momentan die schnellsten am Markt: Mit einer Lock-zu-Lock-Zeit von 1,9 Sekunden bieten sie die schnellste Bewegungszeit und den höchsten Ausstoß – also maximale Auslastung.

1981 brachte Netstal ihr erstes PET-System auf den Markt. Das Schweizer Unternehmen vertreibt die Spritzgussmaschinen für die PET-Industrie auch in Märkte und Regionen, in denen die Stabilität des Stromnetzes nicht immer gegeben ist oder es zu Stromschwankungen kommen kann. Und das sind durchaus lukrative Märkte mit steigender Tendenz, wie Länder in Südamerika oder Südostasien. Um auch in solchen Regionen bei einem Stromausfall kontrolliert produzieren zu können, machte sich Netstal auf die Suche nach einer Lösung. Das theoretische Modell entwickelten die die Ingenieure selbst, um die Umsetzung in die Praxis kümmerte sich die Keba Industrial Automation GmbH.

Die Spritzgussmaschine Netstal PET-Line 3000/4000. Bild: Netstal

Spannungsfeld: Immer mehr Leistung versus instabile Stromnetze

Die neue PET-Line hat einen hohen Elektrifizierungsgrad. Manuel Hausammann, Control Systems Engineer bei Netstal, erklärt hierzu: „Wir arbeiten mit einer Nennleistung von bis zu 240 kW – die Leistung und der Ausstoß haben über die Jahre im Spritzguss immer mehr zugenommen. Es gibt jedoch nach wie vor viele Regionen mit instabilen Stromnetzen. Diese Kombination ist besonders heikel. Stromausfälle oder Unterbrechungen kommen immer wieder vor, darauf muss man sich einstellen. Als Maschinenbauer kann man jedoch dafür sorgen, dass der Ausschuss und der Aufwand für das Wiederanfahren der Anlage minimal sind.“

Wenn eine Spritzgussanlage abrupt stehen bleibt, bedeutet das, dass der Zyklus nicht zu Ende gefahren werden kann. Der Worst Case ist, wenn die Unterbrechung während des Einspritzvorgangs auftritt, die Kavität aber noch nicht ganz mit Kunststoff gefüllt ist. Dann entstehen sogenannte „Short Shots“ – halb fertig gespritzte PET-Preforms. Diese müssen von Hand entfernt werden. Dabei kann das Werkzeug kaputt gehen oder die Beschichtung beschädigt werden. Bis zu 144 Short Shots kann es bei einer Zyklusunterbrechung in der PET-Herstellung geben – der Produktionsausfall aufgrund von Reinigung und Wiederanfahren beträgt in diesem Fall zwischen zwei und drei Stunden.

PET-Herstellung: Den Zyklus kontrolliert beenden

Netstal entwickelte eine Funktion um die Zeit zwischen Stromunterbrechung und dem Zyklusende zu überbrücken. Hausam­mann: „Das Ziel war es, den jeweils aktuellen Zyklus ohne externe Energie kontrolliert zu beenden – in etwa, wie wenn man die Anlage bei Produktionsende herun­terfährt. Und zwar so, dass die Plastifizierung und das Werkzeug sauber bleiben und die Preforms des letzten Zyklus kein Ausschuss sind.“

Die Lösung, die den Produktnamen Cycle Guard bekam, besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten: einem sehr schnellen elektrischen Energiespeicher für die kurze Zeit direkt nach dem Stromausfall und einem Hydraulikspeicher für die größere Energiemenge zum Entformen der Kunststoffteile und zum Stillsetzen der Anlage. Die Idee hinter Cycle Guard: Wenn die Netzversorgung ausfällt, wird die Energie, die in den Hydraulikspeichern gespeichert ist, abgerufen, um die Anlage weiter fahren zu können. Um diese Energie nutzbar zu machen, muss die Förderrichtung der Hydraulikpumpe umgestellt werden. Das dauert etwa 100 Millisekunden. Um diese Zeit zu überbrücken und die fehlende Energie bereitzustellen, wird das Energy Storage System des KeDrive D3 von Keba eingesetzt.

Der Netzausfall wird erkannt und innerhalb nur einer Millisekunde reagiert das elektrische Energiespeichersystem und ersetzt für 10 bis 20 Millisekunden die Einspeisung aus dem Netz mit einer Leistung von bis zu 300 kW. Gleichzeitig führen alle elektrischen Achsen einen Schnellhalt aus, dabei wird der Einspritzprozess nicht unterbrochen. Die Bremsenergie der Motoren wird durch den Energiespeicher aufgenommen und anschließend stabilisiert dieser den Zwischenkreis des Antriebssystems, bis die Hydraulikpumpe generatorisch arbeitet und Energie zur Verfügung stellt. Diese ersten 20 Millisekunden sind essentiell für die Funktion des Cycle Guards.

Cycle Guard mit zwei Speichersystemen

Es gibt in der Funktion Cycle Guard zwei Speichersysteme: Ein sehr schnelles elektrisches Energiespeichersystem für die zuverlässige Überbrückung kurzer Netzausfälle oder Leistungsschwankungen im Millisekundenbereich. Dieses besteht aus einem Energiespeicher mit Hochleistungs-Elektrolytkondensatoren und einem Energiemanager, der den Leistungsfluss regelt und den Energiespeicher überwacht. Das System ist für die hohen Leistungsanforderungen mit minimaler Reaktionszeit, einem geringen Bauraum und der einfachen Integration ins Antriebssystem optimiert. Durch den Einsatz von Speicherkondensatoren stellen große Lastzyklen mit hoher Frequenz kein Problem dar.

Und ein langsameres hydraulisches Energiespeichersystem, das mit einer Pumpe und einem Hydraulikspeicher funktioniert – hier ist rund 100 mal mehr Energie gespeichert als im oben genannten System. Dieses System stellt also sicher, dass längere Unterbrechungen überbrückt werden können. Bei längeren Netzunterbrechungen wird der aktuelle Zyklus kontrolliert und sicher beendet. Preforms werden sauber fertig gespritzt und entformt. Nach Netzwiederkehr und einem kurzen Systemcheck kann die Produktion schnell wieder gestartet werden.

PET-Herstellung
Das System Cycle Guard überwacht permanent die Stromversorgung der Anlagen. Bild: Keba

Speichersysteme bei der PET-Herstellung optimal aufeinander abstimmen

Die Herausforderung, nicht nur in der PET-Herstellung, besteht darin, diese zwei Speichersysteme so aufeinander abzustimmen, dass der Netzausfall in jedem Störungsfall überbrückt und der Zyklus kontrolliert zu Ende gefahren wird. Diese Aufgabe übernimmt aXos 9, die Steuerung der Spritzgussmaschine. „Cycle Guard bietet Herstellern, die mit Spritzgussverfahren produzieren, enorme Vorteile. Das System überwacht permanent die Stromversorgung und stellt im Notfall ausreichend Energie zur Verfügung um die Produktion kontrolliert zu beenden. Cycle Guard benötigt keine Batterien oder Akkus und ist daher besonders wartungsarm und kostengünstig im Betrieb“, erläutert Wolfgang Kapp, Sales Manager Schweiz bei Keba.

Cycle Guard ist als Option verfügbar und eine Investition die sich rasch rentiert – je nach Produkt bereits nach weniger als zehn überbrückten Stromausfällen. Momentan liefert Netstal etwa 40 Prozent der ausgelieferten PET-Anlagen mit dieser Option aus.

PET-Herstellung: Die Spritzgussmaschine Netstal PET-Line 2. Bild: Netstal

Eine langjährige Partnerschaft auf Augenhöhe

Netstal und Keba kooperieren seit über 14 Jahren. Besonders die Nähe zum Entwicklungsteam und den Support durch Keba Schweiz weiß Netstal zu schätzen. Manuel Hausammann bestätigt dies: „Die Zusammenarbeit ist unkompliziert und effizient. Wir haben einen direkten Draht zu Personen in der Entwicklung und im Produktmanagement. Zu beinahe jeder Frage oder Anforderung bei der PET-Herstellung gibt es eine Lösung. Aufgrund der sehr guten Zusammenarbeit mit Keba bei der Einführung der neuen Achsregler-Generation und ihren umfassenden Vorkenntnissen im Bereich Energiespeicher setzten wir auch bei der Energiespeicher-Entwicklung auf Keba. Dank der fortschrittlichen Simulationsmöglichkeiten von Netstal und Keba war die Entwicklung des passenden Produkts innerhalb kurzer Zeit möglich.“ Netstal plant mit Keba aktuell die Umstellung der Produktreihen Elion und Elios auf die Antriebsmodule KeDrive D3 von Keba. Und es werden in Zukunft weitere Projekte hinzukommen.


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