01.02.2018 – Kategorie: Fertigung, IT

Neue App macht Osram-Fertigung flexibler

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Im Osram-Werk in Berlin unterstützt eine App die Mitarbeiter bei anstehenden Aufgaben – und auf dem Weg hin zur digitalen und flexiblen Fertigung. Von Philipp Gall

Im Osram-Werk in Berlin unterstützt eine App die Mitarbeiter bei anstehenden Aufgaben – und auf dem Weg hin zur digitalen und flexiblen Fertigung. Von Philipp Gall

Veränderte Markt- und Kundenanforderungen stellen jeden Industriebetrieb vor enorme Herausforderungen. Im Fokus stehen dabei eine effizientere Produktion, transparentere Prozesse und eine höhere Flexibilität, um auf variierende Wünsche schneller reagieren zu können. Während vielerorts noch heiß über die ersten Automatisierungsschritte diskutiert wird, ist das Traditionsunternehmen Osram bereits einen Schritt weitergegangen. „Einen sehr großen“, kommentiert Dr. Frank Sroka, Verantwortlicher für die Industrie-4.0-Fertigung bei Osram. Die Produktion der Xenon-Lampen im Berliner Werk hatte er bereits so weit wie möglich automatisiert. Dann stand er vor der Frage, wie sich die nächste Veränderung erreichen lässt.

„Industrie 4.0 ist ein ganz wesentlicher, strategischer Punkt für Osram“, erläutert Sroka. „Hier gibt es viele Ansätze: neue Produkte, neue Services. Wie geht man mit großen Datenmengen um? Aber eben auch: Wie kann man Produktivität, Flexibilität und Modularität in der Fertigung umsetzen? Wir hatten ein klares Ziel und wussten, wie entsprechende IT-Werkzeuge für uns auszusehen haben. Allerdings kannten wir den Weg dorthin noch nicht.“ Da kamen die Software-Experten von Bosch gerade recht. Gemeinsam mit Sroka und seinem Team entwickelten sie eine maßgeschneiderte Industrie-4.0-App: den Osram Ticketmanager (OTM).

Gesamte Fertigungskette vernetzt

Die OTM-App hat die Fertigung und den Arbeitsalltag stark verändert: Wo früher jeder Mitarbeiter feste Aufgaben an ganz bestimmten Maschinen hatte, sorgt die App automatisch dafür, dass nun der Mitarbeiter mit der passenden Qualifikation den Arbeitsauftrag erhält. Dafür haben Osram und Bosch mehr als 80 Maschinen unterschiedlichen Alters und verschiedener Fertigungstechnologien vernetzt und in ein neues, speziell entwickeltes Industrie-4.0-System integriert. Entsprechend ist die gesamte Fertigungskette von der Materialanlieferung und -sortierung über das Einsetzen der Elektroden bis hin zur Befüllung der Glaskolben mit Gas und dem anschließenden Quetschen und Auskühlen über die OTM-App vernetzt.

Das technologische Herzstück des Osram Ticketmanager bildet der Production Performance Manager (PPM), ein Produktionsinformations- und Auswertungssystem von Bosch für die systematische Verbesserung der Produktion. Dieses wurde nach der Entwicklung zuerst in verschiedenen Bosch-Werken etabliert. Die Rückmeldungen der Anwender flossen in weitere Funktionsoptimierungen ein, so dass der Markteinführung Mitte 2016 nichts mehr im Wege stand. Dieses Vorgehen entspricht der Bosch-Strategie des Leitanwenders und Leitanbieters: Sämtliche Industrie-4.0-Lösungen werden zuerst in den eigenen Werken implementiert und weiterentwickelt und erst nach ausführlicher Erprobung Kunden aus verschiedenen Industriebereichen angeboten.

Gemeinsam weiterentwickeln

Mit der Softwarelösung, die um projektspezifische Funktionalitäten – wie eben die OTM-App – für mobile Endgeräte erweitert werden kann, lassen sich teils sehr unterschiedliche Maschinen-Daten in Echtzeit zusammenführen, harmonisieren und regelbasiert zu nützlichen Informationen verarbeiten. Diese Informationen werden dem Nutzer wiederum in Echtzeit zur Verfügung gestellt und automatisiert zur Erstellung von Aufgaben genutzt. Für die zielgerichtete Zuweisung von Aufträgen wurde eine Qualifikationsmatrix sowie das Schichtbuch über eine Datenbank in das OTM-System eingebunden.

Der Clou an dieser nutzerzentrierten Lösung: Sie lässt sich von den Mitarbeitern selber weiterentwickeln. „Die gemeinsam mit Bosch geschaffene Schnittstelle erlaubt es den Facharbeitern, selbst Modellierung und Programmierung vorzunehmen“, erläutert Sroka. „Somit hatten wir die Möglichkeit, unsere Maschinenanbindung gleich gemeinsam mit den Mitarbeitern umzusetzen.“

Heute bildet der OTM die Basis für die gesamte arbeitsbezogene Kommunikation in der Osram-Fertigung. Zu Arbeitsbeginn erhält jeder Mitarbeiter ein Mobiltelefon. Über die App werden Tickets ausgelöst und je nach Zuteilung durch den jeweiligen Mitarbeiter abgearbeitet. Um das zu bewerkstelligen, senden die Maschinen in Echtzeit Daten über ihren Zustand und über maschinenspezifische Ereignisse an das System.

Wo immer Maschinenbediener, Wartungs- oder Servicemitarbeiter sich gerade innerhalb der Fertigung befinden: Dank der OTM-App wissen sie stets über den Status aller Anlagen Bescheid und werden über die zu erledigenden Aufgaben wie Wartungsarbeiten, Materialnachlieferung oder Behebung einer Maschinenstörung informiert. Auf diese Weise konnten Reaktionszeiten der Mitarbeiter, etwa bei einem Wartungsauftrag, deutlich verkürzt und somit Maschinenstillstände reduziert werden.

App und Abläufe aktiv mitgestalten

Zwei grundlegende Neuerungen haben dafür gesorgt, dass sich der Arbeitsalltag der Fertigungsmitarbeiter stark verändert hat: Zum einen hat sich die Arbeitsweise von einer maschinenzentrierten zu einer projekt- oder aufgabenbezogenen Zuordnung gewandelt. Zum anderen können die Mitarbeiter nun Abläufe aktiv mitgestalten, indem sie ihr in der App hinterlegtes Profil sowie neue Regeln für die App selbst definieren. Der Facharbeiter kann die Arbeitsaufgabe, die auf dem Bildschirm seines Mobiltelefons erscheint, annehmen, weiterleiten oder im Zweifelsfall auch eskalieren. Dadurch lassen sich Fehler und unnötig lange Bearbeitungszeiten vermeiden.

Bei der Aufgabenverteilung haben die Mitarbeiter selbstverständlich ein Wörtchen mitzureden. Denn sie sind es, die für die Weiterentwicklung und Optimierung der App verantwortlich sind. Gemeinsam mit den Prozessexperten von Osram konfigurieren die Fertigungsmitarbeiter teilweise hochkomplexe Regeln und passen diese immer wieder aktiv an die aktuellen Produktionsbedingungen und Erkenntnisse an. Auch während der Durchführung einer Aufgabe neu gewonnene Informationen lassen sich anschließend für die restliche Belegschaft abspeichern. Entsprechend steht das Wissen der Mitarbeiter, auch über maschinenübergreifende Zusammenhänge zur Verfügung.

Neue Formen der Zusammenarbeit

Neben den harten Faktoren der Effizienz und Produktionssteigerung schafft das neue System für Osram vor allem eine Grundlage, die Organisation ganz im Sinne von Industrie 4.0 umzustrukturieren. „Für mich ist der Ticketmanager eine regelrecht disruptive Innovation“, kommentiert Sroka. „Wir können nicht nur besser und mobiler in der Fertigung kommunizieren. Wir haben damit auch das wesentliche Werkzeug, um wirklich neue Strukturen im Fertigungsbereich zu etablieren.“

Genau wie der Osram Ticketmanager den Arbeitsalltag der Fertigungsmitarbeiter verändert hat, so hat sich auch die Zusammenarbeit von Osram und Bosch verändert. „Industrie-4.0-Projekte benötigen eine neue Form der Zusammenarbeit“, erläutert Sroka. „Indem wir die klassische Struktur der Kunden-Zulieferer-Beziehung aufgelöst haben, konnten wir gemeinsam mit Bosch eine individuelle Lösung entwickeln, die sich an den spezifischen Bedürfnissen unserer Mitarbeiter und Betriebsabläufe ausrichtet.“ Nach dem erfolgreich abgeschlossenen Projekt will Osram die Lösung gemeinsam mit Dr. Frank Sroka auch in weiteren Fertigungen ausrollen.jbi

Autor: Philipp Gall ist Key Account Manager Osram bei Bosch Connected Industry.

Die Basis: Mehr als 80 verschiedene Maschinen unterschiedlichen Alters und Typs hat Bosch bei Osram in Berlin vernetzt.

Für mich ist der Ticketmanager eine regelrecht disruptive Innovation“,

Dr. Frank Sroka, verantwortlich für Industrie 4.0 und Automatisierung bei Osram.

 


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