16.03.2022 – Kategorie: Digitalisierung
Nachhaltige Produktion durch intelligentes Energiemanagement
Bei vielen Unternehmen steht das Ziel der nachhaltigen Produktion weit oben auf der Agenda – die aktuellen Energiepreise erhöhen den Druck. Wie lässt sich Nachhaltigkeit wirtschaftlich erreichen?
Die nachhaltige Produktion hat viele Facetten. Besonders gut lässt sie sich über die Energieeffizienz erreichen. Wer aber denkt, dass spürbare Einsparungen nur mit großen Investitionen in die nötige Energieinfrastruktur möglich sind, liegt falsch. Beispiele aus der Praxis zeigen, wie smartes Energiemanagement funktioniert – und welche Einsparpotenziale hinter „versteckten Verbrauchern“ zu finden sind.
Sparen mit Industrie 4.0
Industrie-4.0-Technologien spielen bei der Optimierung des Energieverbrauchs in der Produktion eine wichtige Rolle. Denn diese werden nicht nur bei neuen Anlagen, sondern auch im bestehenden Anlagenpark eingesetzt. Intelligente Sensoren ermöglichen die Erfassung von Energiedaten auf Maschinenebene. Diese Daten werden über standardisierte Schnittstellen an übergeordnete Systeme weitergeleitet, in denen die Daten überwacht und ausgewertet werden.
Durch die Produktionsprozesse entstehen so relevante Kennzahlen, die einen Überblick über Handlungsbedarf und Optimierungsmöglichkeiten bieten.
Nachhaltige Produktion: Mit Software Optimierungspotenziale aufdecken
In der Praxis zeigt sich häufig, dass erhöhter Energieverbrauch von Maschinen, Anlagen und weiterer Infrastruktur in der Produktion oft lange unbemerkt bleibt. Ein Grund dafür ist schlicht mangelnde Transparenz. Beispielsweise liegen oft wenige Daten zur Infrastruktur wie der Lüftung vor – dabei verbraucht sie häufig bedeutende Energiemengen. Was also tun?
Schlüssel zum Verständnis des Energieverbrauchs ist eine intelligente Software. Sie konsolidiert alle zur Verfügung stehenden Daten, zeigt Informationslücken auf und sorgt mittels Visualisierung für Transparenz über den tatsächlichen Energieverbrauch. Ein Beispiel dafür ist die Nexeed Energy Platform aus dem Industrie 4.0-Portfolio von Bosch. Sie ist intern bei Bosch in zahlreichen Werken weltweit im Einsatz.
Dabei erfasst die Software neben Daten aus Heizkraftwerken und Photovoltaikanlagen auch Wärme-, Strom- oder Druckluftverbrauch bis auf die Ebene einzelner Maschinen. Sie analysiert diese Daten und gibt die Informationen in einer übersichtlichen Darstellung aus. So entsteht jederzeit ein klares Bild über den tatsächlichen Verbrauch.
Um kurzfristig Abweichungen im Energieverbrauch von Maschinen zu erkennen und Lastspitzen aufzufangen, verwendet die Plattform intelligente Algorithmen und greift aktiv steuernd ein. Beispielsweise konnte damit das Bosch-Werk in Homburg den Energieverbrauch um über 40 Prozent pro hergestelltem Produkt reduzieren.
Geringe Investition, hohe Einsparung
Aber nicht mehr nur Bosch nutzt heute diese Technologie: Bei einem produzierenden Unternehmen aus der Automobilbranche verbessert sie beispielsweise die Effizienz der Frischluftzufuhr in den Produktionshallen. Zuvor blieb der Luftumsatz in der Fertigungshalle immer gleich, unabhängig von der Anzahl an Personen in der Halle. Das führte zu einem sehr hohen Energieverbrauch. Hier kam das Team von Bosch Industry Consulting ins Spiel.
Gemeinsam mit den internen Prozessexperten wurde in einem Workshop ein spezifischer Anwendungsfall erarbeitet. Und eine passende Lösung: Nun laufen auf der Nexeed Energy Platform alle Energiedaten der Fertigung sowie Daten zur Anwesenheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen, um eine energieeffiziente Hallenbelüftung zu ermöglichen.
Die Software gleicht die technischen Daten aus der Fertigung mit den Informationen zum anwesenden Personal und externen Einflüssen, wie dem Wetter, ab. Auf Basis der Daten wird die Hallenbelüftung an den tatsächlichen Bedarf angepasst. So lässt sich nahezu ohne Eingriff in die vorhandene Hardware eine jährliche Ersparnis in vierfacher Höhe der Investition erzielen.
Das Sparen auf die Spitze treiben
Nach diesem ersten Erfolg folgte die zweite Stufe: Nun wurde das riemenbetriebene Ventilationssystem als Hebel für weitere Einsparungen identifiziert. Nach einem Blick auf die Daten war klar, dass es in diesem Fall nicht ohne neue Hardware funktionieren würde. Ein leicht zu wartendes System mit signifikant niedrigerem Stromverbrauch sollte angeschafft werden.
Ziel war es, die starren Riemenventilatoren gegen energieeffiziente Fangrid-Module auszutauschen. Diese bestehen aus mehreren, kleinen und direktgetriebenen Ventilatoren, die parallel nebeneinander laufen. Dank Kopplung der Daten zur Arbeitslast sowie Luftqualität an die Steuerung der Ventilatoren wird deren Leistung stets entsprechend dem tatsächlichen Bedarf ausgelegt. Software und Hardware sorgen nun gemeinsam dafür, dass im laufenden Betrieb enorme Summen eingespart werden: Mit einem ROI von knapp über einem Jahr hat sich die zunächst recht hohe Investition im sechsstelligen Euro-Bereich schnell bezahlt gemacht.
Unnötige Reinigung vermeiden für eine nachhaltige Produktion
Nicht nur in der Infrastruktur, sondern auch in den Produktionsprozessen stecken Optimierungspotenziale. Etwa bei der Reinigung zwischen Fertigungsprozessen. Oft müssen Komponenten und Werkzeuge aufwändig gereinigt werden. Ein hoher Energieverbrauch entsteht hierbei, insbesondere wenn Erhitzung der Reinigungsmedien notwendig ist. Nach der Analyse von Fertigungs- und Energiedaten bei einem weiteren Kunden stand fest: Hier besteht hohes Einsparpotenzial durch die Reduzierung der eingesetzten Energiemenge.
Zusätzlich nahm das Team von Bosch Industry Consulting gemeinsam mit den Prozessexperten die bisher genutzten Mengen an Wasser, die eingestellte Mindesttemperatur sowie die Trocknungszeit unter die Lupe. Die Daten aus der Software zeigten, dass die Prozesstemperatur an vielen Stellen höher war als nötig. Das größte Potenzial steckte jedoch in einer cleveren Energierückgewinnung.
Der Kunde verwendet nun bisher ungenutzte Abwärme aus anderen Prozessen, um das Reinigungswasser aufzuheizen. Ein ROI von rund einem Dreivierteljahr und eine Gesamteinsparung von über 3.000 Tonnen CO2-Equivalent haben aus einem Ressourcenfresser einen Vorzeigeprozess in Sachen Energieeffizienz gemacht.
Nachhaltige Produktion durch künstliche Intelligenz?
Der Einsatz von übergeordneter Energiemanagement-Software hilft dabei, Einsparpotenziale nicht nur zu erkennen und Maßnahmen umzusetzen, sondern diese auch zu überprüfen und fortlaufend weiter zu verbessern. Zukünftig werden dank der voranschreitenden Digitalisierung noch mehr Optimierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Beispielsweise lässt sich Künstliche Intelligenz nutzen, um die Energieflüsse in der Produktion eigenständig zu steuern und zu optimieren.
Das hilft nicht nur, die Energieeffizienz zu verbessern, sondern ermöglicht auch die optimale Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen. Mit einer steigenden Zahl umgesetzter Anwendungsfälle lässt sich nach und nach ein zusammenhängendes Netz aus ineinandergreifenden Maßnahmen realisieren. So entstehen selbst in älteren Fertigungswerken intelligente Energieverbünde, in denen keine Ressourcen verschwendet werden.
Der Autor Jonas Dahlmann ist Senior Consultant Lean & Industry 4.0 bei Bosch Connected Industry.
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