12.04.2022 – Kategorie: Unternehmen & Events
Nachhaltig bauen: So grün ist das neue 3D-Druck-Werk
Eineinhalb Jahre hat der Bau gedauert. Nun ist es in Betrieb: Das neue 3D-Druck-Werk von Protolabs. Was der Dienstleiter und seine neue Produktion kann, darüber hier mehr.
Nachhaltig bauen in der Praxis: Fast klinische Reinheit herrscht in der Produktion im neuen Gebäude von Protolabs in Putzbrunn bei München. Jede Maschine ist beispielsweise mit Metall- oder Kunststoffpulvern beladen. Da kleinste Verunreinigungen der Rohmaterialien zu Ausschuss und Qualitätsproblemen führen können, ist ein Umrüsten auf andere Pulver ist nur schwer möglich, denn dies würde einen langwierigen Reinigungsprozess nach sich ziehen. Jeder Raum ist je nach den Anforderungen auf die Mitarbeiter und die Fertigungsprozesse abgestimmt sowie entsprechend klimatisiert. Viele sind, wie im 3D-Druck üblich, Quereinsteiger. Metallfacharbeiter, Ingenieure und Zahntechniker sind darunter – den Lehrberuf „3D-Drucker“ gibt es (noch) nicht.
Nachhaltig bauen: Eine Investition in die Zukunft
Mit der Investition in den neuen Standort erhöht der Dienstleister im Bereich Prototypen und Kleinserien seine Kapazität um bis zu 60 Prozent. Um die Fertigung im Inneren des Gebäudes gruppieren sich die Planung, Arbeitsvorbereitung und Nachbearbeitung der Teile. Das ist auf zwei Etagen so – in der Dritten sitzt die Verwaltung. Deren Mittelpunkt: Daniel Cohn, Geschäftsführer von Protolabs in Deutschland. Unterstützt durch ein Planungsbüro ist er sozusagen der Vater dieses Gebäudes.
Warum jetzt ein neues Werk bauen?
Cohn erklärt: „Mit der neuen Produktionsstätte erweitern wir unsere Möglichkeiten deutlich. Wir rechnen auch in Zukunft mit weiterem Wachstum bei den 3D-Drucktechnologien.“ Oder, wie eine Unternehmensmeldung des Fertigungsdienstleisters das Gebäude beschreibt: „Nachhaltig und umweltgerecht, modern ausgestattet und geräumig genug, um auch in Zukunft einer wachsenden Nachfrage gerecht zu werden.“ Dafür sind nicht nur Produktions-Hardware und Mitarbeiter nötig, sondern auch Software.
Dabei kümmert sich das Unternehmen mit Hauptsitz in den USA selbst um die Entwicklung produktionsnaher Software – bis auf das ERP-System ist die Software für die Planung der Produktion und Arbeitsvorbereitung auch im neuen Werk selbst entwickelt. Aktuelle CAD-Software und Sonder-Lösungen der Anlagenhersteller ergänzen die IT zur Orchestrierung der Kundenaufträge.
Von letzteren erhofft sich der Dienstleister eine ordentliche Steigerung in den kommenden Jahren. Die Prognose lautet: 20 Prozent durchschnittliche Wachstumsrate pro Jahr.
Wie läuft ein Kundenauftrag ab?
Ein Kunde bespricht seine Applikation mit einem Mitarbeiter von Protolabs oder lädt einfach ein CAD-File und eine Beschreibung über die Webseite hoch. Applikationsingenieure prüfen diese Dateien und der Kunde erhält, wenn das Teil umsetzbar ist, ein Angebot. Wenn nicht, bemüht sich das Unternehmen um eine Lösung.
Ist der Auftrag erteilt, muss die CAD-Datei übersetzt werden: Sie wird dabei für den Druck aufbereitet. Manche Verfahren benötigen Stützstrukturen und auch die Lage der Teile sowie die „Verschachtelung“ (ähnlich wie bei einem Laserschneidteil) mit anderen Aufträgen in einem Druckjob steht an. Alle Informationen fließen nun in der sogenannten „Build-Datei“ zusammen – diese ist mit dem CAM-Programm einer CNC-Maschine vergleichbar und steuert beim selektiven Lasersintern unter anderem die Abfolge, in der der Laser das Pulver an unterschiedlichen Stellen im Pulverbett aufschmilzt.
In Kombination verhindert dieser Ablauf und das Know-how, das in dieser Build-Datei steckt, beispielsweise Ausschuss durch zu hohe Energieeinbringung und Versprödung des Bauteils. Komplexe und große Einzelteile können in der Herstellung auch mal 10.000 Euro kosten – da gibt es oft keine Nullserie und das erste Teil muss passen.
Im neuen Werk wird entsprechend konzentriert gearbeitet – jeder Handgriff muss letztlich sitzen und schnell erledigt werden. Sinnbild dafür ist die Nachbearbeitung. Hier polieren, schleifen und veredeln die Mitarbeiter die meist filigranen Bauteile – auch komplexe Baugruppen kann das Unternehmen in Putzbrunn umsetzen.
Nachhaltig bauen: Was hat das neue Werk gekostet?
Die Investitionssumme für das 6.500 Quadratmeter große Gebäude und die technische Ausstattung in Lüftungs-, Versorgungs- und Energietechnik beläuft sich auf rund 13,5 Millionen Euro. Zusätzlich wurden etwa 2,5 Millionen Euro in weiteres Equipment und in die Erweiterung des Serviceangebots investiert. Dadurch vergrößert das Unternehmen nicht nur seine Produktionsflächen: Das neue Gebäude und zusätzliche Technologieverdichtung sowie neue Anlagen und Maschinen sollen auch die Zukunft des Fertigungsdienstleisters sichern.
Protolabs arbeitet am neuen Standort mit über 60 Druckern beziehungsweise Fertigungsanlagen. Dabei nutzt das Unternehmen insbesondere die Verfahren direktes Metall-Lasersintern, Multi Jet Fusion, Stereolithografie und selektives Lasersintern. Aber auch neue Verfahren werden stets beobachtet.
Mit dem neuen Standort verdeutlicht Protolabs die enorme Relevanz der Additiven Fertigung für Branchen wie den Automobilbau, die Medizintechnik, die Luft- und Raumfahrt sowie den Maschinen- und Anlagenbau. Denn der Standort scheint, mit Bedacht gewählt zu sein: Die zentrale Lage nahe München ermöglicht kurze Lieferzeiten und -wege zu wichtigen Abnehmern der Luft- und Raumfahrt sowie des Automobilsektors. Auch die Medizintechnik ist im Raum München stark vertreten. Das soll auch positiven Einfluss auf den CO2-Fußabdruck haben.
Kann ein 3D-Druckzentrum grün sein?
Nachhaltig bauen scheint bei der Umsetzung des neuen Standorts, essenziell gewesen zu sein. Ein Schwerpunkt bei der Planung und dem Bau des Gebäudes lag jedenfalls auf nachhaltigen Konzepten und Technologien. Eine ISO14001-Zertifizierung verdeutlicht diesen Fokus. Cohn kommentiert: „Zunächst ist es sehr aufwendig in der Planung, all die gesetzlichen und freiwilligen Richtlinien zu befolgen sowie durch eigene Ideen Ressourcen zu sparen. Im Betrieb zahlen sich diese Investitionen aber aus. Wir sind so zu einem viel besseren Gebäudekonzept gekommen.“
Der Dienstleister nutzt Technologien zur Wärmerückgewinnung und Abwärmenutzung ebenso wie die intelligente Verknüpfung weiterer entscheidender verfahrenstechnischer Mittel – etwa werden Hilfsstoffe teils inhouse wiederaufbereitet. Die Produktionsbereiche, in denen sehr stabile klimatische Bedingungen gefordert sind, sind deshalb im Inneren des Gebäudes untergebracht, während die Hilfsprozesse um diese herum angeordnet sind. Der neue Standort umfasst zudem Lademöglichkeiten für Elektro- und Hybridfahrzeuge im eigenen Parkhaus und bezieht einen Mix aus grünem Strom.
Cohn resümiert: „Wir wollen unserer gesellschaftlichen Verantwortung genauso nachkommen wie dem Versprechen, unseren Kunden exzellenten Service durch unseren digitalen Fertigungsansatz zu bieten. Wir ermöglichen unseren Partnern dadurch eine schnellere Markteinführung, reduzierte Herstellungskosten sowie eine flexible Lieferkette über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg.“
Der Autor Jan Bihn ist Redakteur des Digital Manufacturing Magazins.
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