14.06.2022 – Kategorie: Produktionsprozesse

Mikrobohrer im Einsatz: 60% schneller produzieren

MikrobohrerQuelle: Moldino

Bis dato hat der Kontakttechnikspezialist Metz Connect die Auswerferbohrungen in den auf 58 HRC vorgehärteten Unimax-Stahl drahterodiert. Falls es die Werkstück-Kontur zulässt, wird die filigrane Bearbeitung heute mittels Mikrobohrern durchgeführt.

Auf der Suche nach interessanten Neuheiten aus der Metallbearbeitung stieß Konrad Reinel im Internet auf die neuen Mikrobohrer, erinnert er sich: „Und da kam mir sofort der Gedanke: Vielleicht könnten wir unsere Auswerferbohrungen damit herstellen, statt diese drahterodieren zu müssen.“ Reinel ist CAM-Programmierer und arbeitet im Werkzeugbau bei Metz Connect in Blumberg im Südschwarzwald.

Mikrobohrer mit kleinstem Durchmesser

Die weltweit agierende Metz-Gruppe entwickelt und produziert, mit Produktions- und Vertriebsstandorten in Ungarn, Frankreich, USA und China, ein Sortiment aus Steckverbindern, Klemmen, Kabeln und Leitungen, Gehäusen bis hin zu ganzen Systemkomponenten. 650 der rund 800 Mitarbeiter agieren am Hauptsitz in Blumberg, wo sich auch der Werkzeugbau befindet. Die dort gefertigten Spritzgieß- sowie Stanz- und Umformwerkzeuge kommen ausschließlich intern zum Einsatz.

Die Bohrer, von denen Reinel spricht, sind die neuen zweischneidigen ATH-beschichteten Mikrobohrer aus der EMSBH-ATH-Reihe von Moldino. Im Durchmesserbereich 0,1 bis 2 Millimeter erhältlich weisen die Vollhartmetall-Bohrer einen Spitzenwinkel von 140 Grad auf und sie sind speziell für das Bohren harter Stähle mit Durchmessertoleranzen im Mikrometer-Bereich bis 65 HRC ausgelegt.

Dabei ist das japanische Unternehmen Moldino im Werkzeugbau von Metz keineswegs unbekannt: Bereits vor rund zehn Jahren, damals firmierte Moldino noch unter MMC Hitachi Tool, hat das Metz damit begonnen, vor allem die Hartbearbeitung auf VHM-Werkzeuge des Herstellers umzustellen. Heute setzt das Kontakttechnik-Unternehmen bei der Hartbearbeitung zu 90 Prozent auf diese Werkzeuge. Fast ebenso lang betreut Moldino-Anwendungstechniker Timo Heimann den Kontakttechnikhersteller.

Anspruchsvoll sind unter anderem die in Blumberg gefertigten Stanz- und Umformwerkzeuge, deren Bearbeitung überwiegend auf einer mittels Knickarmroboter automatisierten RXP 600DSH von Röders stattfindet. Diese 5-achsige Maschine übernimmt zur Hälfte auch das Grafitfräsen bei Metz.

Mikrobohrer
Auf dem automatisierten 5-achsigen-Bearbeitungszentrum kommen die neuen Mikrobohrer ebenfalls zum Einsatz. Bild: Moldino

Bohren in drei Schritten

Unimax ist ein zäher, harter sowie äußerst verschleißfester Warmarbeitsstahl und relativ gut zerspanbar. Reinel erklärt: „Wir fahren alle unsere Einsätze auf 56 bis 58 HRC vorgehärtetem Unimax und testen auch alle unsere Zerspanwerkzeuge auf diesen Werkstoff hin. Um die Prozessparameter ausloten zu können, hatten wir beschlossen, zunächst auf der Röders-Maschine Probebohrungen in einem Restblock aus Unimax vorzunehmen.“

Moldino-Prozessoptimierer Heimann empfahl das Bohren in drei Schritten: Zentrieren, Anbohren, Fertigbohren. Obwohl sich das Pilot-Loch auch fräsen lässt, setzt er auf den speziellen Zentrierbohrer DN2HC mit drei Millimetern Durchmesser. Heimann erläutert: „Wichtig ist, dass der Zentrierbohrer den gleichen Winkel hat wie der anschließend verwendete Vollhartmetallbohrer. Deshalb hat der DN2HC zwei Spitzenwinkel 135 Grad für den Bohrer und 90 Grad zur Fasenbildung. Damit tippten wir die Bohrung nur an, sodass der EMSBH-Bohrer zentriert wurde.“

Mikrobohrer
Die 0,8-Millimeter-Bohrung bei 147-facher Vergrößerung. Bild: Moldino

Das anschließende Anbohren und Fertigbohren hat mit dem EMSBH-ATH stattgefunden. Reinel sagt: „Den Anbohrprozess musste ich mit reduzierten Parametern fahren“. Im Anschluss wurde aber umgeschaltet auf 100 Prozent der Arbeitsparameter und damit die 16 Millimeter tiefe Passbohrung hergestellt. Die Mikrobohrer können während des Bohrprozesses mit MMS oder Emulsion gekühlt werden. Wichtig ist, dass der Rundlauf kleiner fünf Mikrometer gewährleistet ist.

Premiere der Mikrobohrer

Die Premiere in der eigentlichen Fertigung war das Bohren der Auswerferlöcher mit den oben beschriebenen Parametern – jedoch mit einem EMSBH mit 8 Millimetern Nutzlänge – in den Einsätzen eines Segment-Werkzeugs. Segment deshalb, weil viele Spritzgießwerkzeuge bei Metz Connect flexibel umrüstbar sind. In diesem Fall für die Deckel von zwei- bis hin zu siebenpoligen Klemmen. Bei den neun Werkstücken mit insgesamt 72 Auswerferbohrungen betrug die Laufzeit pro Bohrung rund eine Minute.

„Anfangs hatten wir ein paar Probleme mit der Kühlung, weshalb der Bohrer nur 45 Bohrungen innerhalb der Toleranz schaffte“, räumt Reinel ein. „Wir haben jetzt neue Schrumpffutter mit Kühlkanalbohrung angeschafft, um die Spindel-Innenkühlung zu nutzen. Damit können wir die Kühlung punktgenau an den Bohrer heranbringen.“

Schnell, prozesssicher und automatisierbar

Die Mitarbeiter bei Metz schätzen die Maßhaltigkeit, die mit diesem Bohrer erreicht wurde. Sie haben die Bohrungen im Test-Werkstück unter einem optischen Messgerät angeschaut. Alle Bohrungen lagen innerhalb der Toleranz von +0/+0,005 Millimetern. Ebenso sei überall der Mittenrauwert der Bohroberfläche von Ra 0,2 μ eingehalten worden. Auch bei der Maßhaltigkeit von Eintrittsloch und Austrittsloch hat es keinerlei Abweichungen gegeben.

Moldino-Prozessoptimierer Heimann hatte für die Herstellung der 0,8-Millimeter-Auswerferbohrungen eine Wirtschaftlichkeitsberechnung erstellt. Konrad Reinel betont: „Die Berechnung hat gezeigt, dass im Vergleich zwischen dem Startloch- sowie Drahterodieren und dem Mikrobohren letzteres bei den Produktionskosten nicht wesentlich günstiger ist.“ Der große Vorteil liege jedoch bei der Durchlaufzeit: „Hier ist das Mikrobohren fast 60 Prozent schneller. So dürften sich bei manchem Werkzeug schon mal zwei Wochen rausholen lassen.“

Ein weiterer Pluspunkt sei die deutlich höhere Prozesssicherheit sowie die Möglichkeit, die Auswerferbohrungen mannlos fertigen zu können. Diese Vorteile sieht man auch bei Metz Connect. Die erfolgreiche Umstellung auf das Mikrobohren ist für das Unternehmen ein weiterer Schritt in Richtung Zukunft: Die heißt, den Werkzeugbau noch umfangreicher zu automatisieren.

Der Autor Wolfgang Bahle ist freier Fachjournalist in München.

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