13.10.2021 – Kategorie: Produktionsprozesse
Kühlmittelzuführung: Intelligente Lösungen für eine moderne Fertigung
Beim Zerspanen gilt es, die Hitze aus der Schneidzone herauszuführen. Bei vielen externen Kühlmittelzuführungen lautet da die Devise: „Viel hilft viel.“ Es gibt aber auch intelligentere und feinere Lösungen. Eine davon nutzt moderne Fertigungsverfahren und hat auch das Patentamt überzeugt.
Kühlmittelzuführung: Obwohl beim Drehen ein Großteil der Wärme über den Span abgeleitet wird, herrschen in der Schneidzone enorme Temperaturen. Je nach Werkstoff, Zustellung und Drehzahlen zwischen 300° C bis 1000° C und mehr.
Warum die Kühlmittelzuführung so wichtig ist
Das aktiviert thermische Vorgänge, die das Schneidwerkzeug schneller verschleißen lassen. In Extremfällen verbrennt das Werkzeug nach kurzer Zeit. Nun können eine scharfe Schneide und eine an den Prozess angepasste Schnittgeschwindigkeit zwar vordergründig Abhilfe verschaffen. Das kostet aber auf Dauer viel oder senkt die Produktivität. Deshalb wird gekühlt.
Mit Kanonen auf Spatzen
Die weit verbreitete externe Kühlung entspricht dabei jedoch eher der Scholz’schen „Bazooka“, die mit Kanonen auf Spatzen schießt und deren Wirkung häufig verpufft. Denn mit relativ unpräzisem und unkontrolliertem Einschütten von Kühlschmierstoff in den Schneidprozess kühlt dies eher die wegfliegenden Späne anstatt die wertvolle Werkzeugschneide. Oftmals führen die großen Temperaturunterschiede zu einem Thermoschock an der Schneide, der diese ausbrechen lässt. Die Innenkühlung dagegen wirkt wie ein elegantes Florett. Hier gelingt es Werkzeugherstellern, durch feine Kanalführungen den Kühlschmierstoff direkt in die Schneid- und damit in die Problemzone zu führen.
Kühlmittelzuführung direkt bis an die Schneide
Das patentierte Arno Cooling System (ACS) bringt den Kühlschmierstoff gezielt und fein dosiert über zwei Kanäle, von oben und von unten, direkt an die Schneide. Arno Werkzeuge hat das System für das Abstechen in zwei Varianten entwickelt. Als ACS1 mit einem Kühlkanal wird der Kühlmittelstrahl am Plattensitz entlanggeführt und tritt direkt an der Schneidzone aus. So wird der Span wirkungsvoll unterspült und optimal aus der Schneidzone abgeführt. Der Verschleiß sinkt signifikant und die Standzeiten der Abstechwerkzeuge erhöhen sich ebenso deutlich.
Bei der Variante ACS2 wird zusätzlich zum Kühlmittelkanal am Plattensitz ein zweiter strömungsoptimierter Kühlstrahl von unten an die Freifläche der Stechplatte geführt. Dieser Kanal endet bei der aktuellen Weiterentwicklung in einer dreieckigen Form. So gelangt das Kühlmittel über die volle Breite der Stechplatte bis zum äußersten Rand der Schneide.
Auch die Handhabung vereinfacht sich. Wird bei externer Kühlung die Zufuhr nach Augenschein mehr oder weniger optimal eingestellt, trifft der intern geführte Kühlmittelstrahl – ohne ihn mühsam einstellen zu müssen – da auf, wo er die größte Wirkung entfalten kann, auf Schnittzone und Freifläche. Die Gefahr von Aufbauschneiden und Ausbrüchen an der Schneidkante schwindet.
Neue Möglichkeiten durch AM
Arno setzt bei der Herstellung der weiterentwickelten Abstechmodule auf das additive Verfahren. Mit ihm lässt sich erstmals auch eine dreieckige Form herstellen, die den Kühlmittelstrahl exakt so formt, dass bis zum äußersten Rand des Freiwinkels die maximale Kühlwirkung bei minimalem Verbrauch erzielt wird. So lassen sich auch Stechbreiten reduzieren. Beispielrechnung: Ein Millimeter weniger im Abstechwerkzeug bei 20 Maschinen und 220 Maschinentagen kann die Kosten pro Jahr um mehr als 400.000 Euro senken.
Weniger Stress für das Werkzeug
Anwender bringen mit dem ACS2 Kühlmittel an bislang unerreichte Stellen. Weil der Span auf diese Weise unterspült wird, bricht er optimal und wird zielgerichtet besser aus der Schneidzone abgeführt. Die Späne werden kürzer und kleben nicht mehr an der Schneide fest. Messungen bescheinigen, dass sich die Temperatur bei dieser Art der Kühlung halbiert. In Folge ist das Werkzeug nicht mehr so gestresst und der Verschleiß an Freiflächen reduziert sich deutlich.
Anstatt Schnitt- und Vorschubwerte senken zu müssen, um das Werkzeug zu schonen, können die Werte nun sogar erhöht werden. Die Produktivität steigt, weil die Werkzeugstandzeiten ansteigen. Anwender berichten, dass ihre Werkzeuge durch die optimierte Kühlmittelzuführung bis zu dreimal länger halten, mindestens aber doppelt so lange. Wenn weniger Werkzeugwechsel anstehen, entlastet das letztendlich auch das Bedienpersonal.
Klemmhalter für Drehoperationen
Auch bei Drehoperationen müssen Anwender nicht auf zielgerichtete Kühlung verzichten. Wird der passende Klemmhalter eingesetzt, führen integrierte Kanäle auch hier das Kühlmittel nah in die Schneidzone. Dafür sind keine aufwändigen Einstellungen nötig, denn das Plug-and-Play-System passt immer. Optional bietet der Hersteller eine auf diese Klemmhalter abgestimmte VDI-Aufnahme an, die das Kühlmittel ohne Schlauchverbindungen in den Halter bringt.
Selbst beim Langdrehen auf Automaten mit häufig zu wechselnden Werkzeugen, ist integrierte Kühlung möglich. Arno Werkzeuge empfiehlt dafür seinen AWL-Linearschlitten und das AFC-Schnellwechselsystem. Das zum Patent angemeldete Werkzeugaufnahmesystem AWL kann bis zu sechs Werkzeuge aufnehmen. Auf einen feststehenden Anschlag lassen sich die zu tauschenden Trägerwerkzeuge mit dem jeweiligen Schneideinsatz aufsetzen oder entnehmen. Zwei unabhängige Kühlkanäle im Werkzeugaufnahmesystem, die sich gezielt öffnen oder verschließen lassen, ermöglichen es, Werkzeuge mit und ohne Innenkühlung parallel einzusetzen. Anwender berichten auch hier über Standzeiterhöhungen von 25 Prozent und mehr.
Der Autor Jürgen Fürst ist Fachredakteur in Stuttgart.
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