17.04.2023 – Kategorie: Digitalisierung

KI-Anwendungen in der Industrie: Die große Expertenumfrage

KI-AnwendungenQuelle: ludariimago/AdobeStock

Künstliche Intelligenz (KI) soll in Zukunft unseare Arbeits- und Lebenswelt prägen. Durch künstliche Intelligenz können Unternehmen in der Fertigungsindustrie ihre Produktivität steigern und ihre Geschäftsmodelle optimieren. Zum Thema KI gibt es aber auch großen Informationsbedarf. Grund genug für uns, acht KI-Experten aus der Industrie zu befragen.

Künstliche Intelligenz kann Unternehmen in Produktion und Fertigung die Wettbewerbs­fähigkeit sichern. Die Vorteile der Zukunftstechnologie reichen von Effizienzsteigerungen bis hin zur Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und sogar digitaler Geschäftsmodelle. Studien belegen das wirtschaftliche Potenzial von KI-Anwendungen: Laut dem Forschungsbeirat der Plattform Industrie 4.0 wird KI im Jahr 2025 einen Wertbetrag von bis 488 Milliarden Euro für die deutsche Gesamtwirtschaft erzielen, was vorrangig auf Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen zurückzuführen ist. Anders als häufig befürchtet, führt der Einsatz von KI nicht zum Verlust von Arbeitsplätzen – ganz im Gegenteil. Im deutschen Mittelstand wird im Zuge der Einführung von KI mit einem Beschäftigungsaufbau gerechnet, da man für die neuen Technologien Spezialisten benötigt. Wie Industrie-Experten das Thema KI in der Fertigungsindustrie einschätzen, lesen Sie auf den folgenden Seiten.


Fragen an die Experten:

  1. KI-Anwendungen für den industriellen Einsatz rücken immer mehr in den Fokus. Welche Bereiche der Fertigung profitieren besonders von der künstlichen Intelligenz?
  2. Was sind die größten Herausforderungen in industriellen KI-Projekten?
  3. Was sollten Fertigungsunternehmen beachten, wenn sie den Einsatz von KI-Lösungen planen?

KI-Anwendungen in der Industrie: Herausforderung und Chance

KI-Anwendungen
Bild: Altair

1. Hier ist sicherlich die sensorgestützte Prozesskontrolle zu nennen. Bisher wird noch sehr viel mit klassischen Six-Sigma-Methoden realisiert. Mit modernen statistischen Verfahren ist deutlich mehr möglich. Wir sehen hier auch immer mehr Themen im Bereich Nachhaltigkeit. Ziel ist es, durch bessere Prozesskontrolle weniger Ausschuss oder bessere Ressourceneffizienz zu gewährleisten.

2. KI-Herausforderungen sind vor allem eins: menschlich. In KI-Projekten haben wir auf der einen Seite Data Scientists. Oftmals sind dies hochausgebildete Fachleute mit starkem statistischem Hintergrund. Auf der anderen Seite haben wir die Produktion, welche oftmals Dekaden an Erfahrung in ihre Produktionsprozesse investiert hat. Beide Seiten müssen zwingenderweise voneinander lernen, um erfolgreich zu werden. Wir befinden uns hier in einem klassischen ‚Change-Management‘-Problem.

3. Punkt 1: Hier gilt es, alle Mitarbeiter, welche die Lösung benutzen sollen, mitzunehmen. Es ist wichtig, die Angst vor dem Neuen zu nehmen. Sowohl ein gutes Self-service-Datenanalyseprodukt als auch gezielte Seminare können hier Wunder wirken. Lösungen, die produktiv sind, aber aufgrund von fehlendem Vertrauen nicht genutzt werden, helfen niemandem. Punkt 2: Weder in den ‚KI-löst-alle-meine-Probleme‘-Modus schalten noch die Technologie als neuen Hype abtun. Hier gilt es, die richtige Balance zwischen Innovation und Hype zu finden.


KI-Anwendungen
Bild: Asseco Solutions

1. Als Paradebeispiel lässt sich hier der Bereich Predictive Analytics anführen. Hier identifiziert die künstliche Intelligenz Parameter-Konstellationen, die auf bevorstehende Fehler in der Produktion hindeuten können. Aber auch andere Bereiche profitieren von KI-Analysen. So lässt sich etwa die Lagerhaltung durch künstliche Intelligenz optimieren und damit die Kapitalbindung reduzieren. Im Backoffice kann KI durch die Bearbeitung von Routineaufgaben unterstützen und so Prozesse beschleunigen oder gar vollständig automatisieren.

2. Eine große Herausforderung ist aus meiner Sicht der noch recht weit verbreitete Irrglaube, dass eine große Datenmenge ausreicht und die KI ‚schon irgendetwas damit anfangen kann‘. Dem ist keinesfalls so! Um gute Ergebnisse zu erzielen, müssen die Daten in den relevanten Kontext eingebettet sein. Wer etwa Maschinenstillstände mit KI untersuchen möchte, sollte sicherstellen, dass diese auch zeitlich mit ihren zugehörigen Betriebsparametern korrelieren. Eine kleine Einstellung im MES macht hier oft schon den Unterschied zwischen sehr guten und weniger brauchbaren Datensätzen.

3. Wer aktuell noch am Anfang seiner KI-Bestrebungen steht, dem würde ich empfehlen, lieber ein wenig mehr Zeit in eine solide Planung zu investieren als mit einem halbgaren Konzept zu starten und dann immer wieder Modifikationen am Szenario oder der Datenerfassung vornehmen zu müssen. Auch wenn Masse nicht der alleinige Schlüssel zum KI-Erfolg ist, müssen auch geeignete Datensätze in ausreichender Menge vorliegen. Wer immer wieder anpasst, fängt mehrmals von Neuem mit der Datensammlung an. Ich würde dazu raten, von Anfang an konkrete Zielsetzungen zu definieren und die Daten dann sauber mit ihrem erforderlichen Kontext zu erfassen.


Gute Daten sind die Grundlage für gute Ergebnisse

Bild: c-Com GmbH

1. Alle Arbeitsschritte in der industriellen Fertigung benötigen Daten und produzieren Daten; insofern profitieren perspektivisch alle Bereiche von KI. Kurzfristig möchte ich die Bereiche Qualität und Instandhaltung herausstellen. In der Instandhaltung kommen aktuell Predictive Maintenance-Lösungen zum Einsatz, die meist regelbasiert und somit relativ ‚starr‘ sind und nur fest definierte Muster erkennen. ­KI-basierte Algorithmen können komplexe Datenmuster erfassen und erlernen und ermöglichen somit bessere und sichere Entscheidungen. Durch das Erkennen von ungewöhnlichen Mustern in den ­Produktionsdaten kann man Qualitätsprobleme schnell identifizieren und beheben. Die Produktion von ‚n.i.O.‘-Teilen lässt sich mit KI dramatisch reduzieren.

2. Hier sehe ich zwei konkrete Themen: Einerseits die Kompetenzen und Ressourcen, die man benötigt, um KI-Projekte durchzuführen. Am Markt gibt es nicht ausreichend Ressourcen, was vor allem KMUs vor Herausforderungen stellt. Andererseits das Thema Datenqualität, wobei es nicht an Daten fehlt. Die Herausforderung ist: Wo sind diese Daten? Was bedeuten sie, wie kann ich eine Konnektivität der einzelnen Inselsysteme erreichen und wie kann ich sie einsetzen?

3. Ein grundlegendes Verständnis für KI und sinnvolle Einsätze von KI vorausgesetzt, müssen zunächst entsprechende Kompetenzen im Unternehmen aufgebaut werden. Oft benötigen die Firmen dazu auch externe Partner. Eine gute Datengrundlage und Verständnis für Bedeutung und Zusammenhänge der Daten sind darüber hinaus wesentlich für eine erfolgreiche KI-Lösung. Außerdem empfehle ich dringend, mit kleinen, klar umrissenen Projekten anzufangen, hier Erfahrungen und Verständnis zu sammeln. Und in einem zweiten Schritt die Lessons Learned zu nutzen und zu skalieren.


KI-Anwendungen
Bild: GFT-Kompetenzzentrum für Industrielösungen

1. Vor allem in drei Bereichen sehen wir einen hohen Mehrwert. Erstens kann KI zur Verbesserung der Qualitätssicherung in der Fertigung eingesetzt werden. Zweitens unterstützt KI die Mensch-Maschine-Interaktion, etwa durch Sprach- oder Bilderkennung. Und der dritte hoch interessante Anwendungsfall ist Predictive Maintenance: Auf Grundlage der Analyse von Sensordaten aus verschiedenen Maschinen erstellen KI-Anwendungen Vorhersagen zu Wartungsbedarf und Vermeidung von ungeplanten Ausfallzeiten.

2. Zu den größten Herausforderungen zählen Datenqualität, Komplexität und Fachkräftemangel. KI-Anwendungen sind nur so gut wie die Daten, auf denen sie basieren. Es gilt große Datenmenge aus verschiedenen Quellen wie Sensoren oder Planungssystemen aufzubereiten, zu bereinigen und zu integrieren. Die dafür nötige Software-Architektur ist häufig komplex, so dass auch die Wartung eine Herausforderung ist. Insgesamt erfordern KI-Projekte große Expertise in den Bereichen Datenanalyse, maschinelles Lernen und Software-Entwicklung – die aufgrund des Fachkräfte­mangels oft nicht ausreichend zu finden ist.

3. Am wichtigsten ist die ‚Hammer-und-Nagel-Frage‘: Unternehmen sollten sich im Klaren sein, welches Problem sie mit KI lösen möchten, um sicherzugehen, dass KI überhaupt der richtige Hammer für den einzuschlagenden Nagel ist. Darüber hinaus ist es entscheidend, ob ausreichend Daten vorhanden sind. Der Erfolg eines KI-Projektes hängt zu 80 Prozent von den Daten und zu 20 Prozent von der eigentlichen Technologie ab. Was man auch nie vergessen sollte, sind die Auswirkungen auf die Mitarbeitenden und deren Arbeitsprozesse – hier sind gute Schulungen das A und O.


Fragen an die Experten:

  1. KI-Anwendungen für den industriellen Einsatz rücken immer mehr in den Fokus. Welche Bereiche der Fertigung profitieren besonders von der künstlichen Intelligenz?
  2. Was sind die größten Herausforderungen in industriellen KI-Projekten?
  3. Was sollten Fertigungsunternehmen beachten, wenn sie den Einsatz von KI-Lösungen planen?

Skepsis und Neugierde: KI-Anwendungen unter der Lupe

Bild: IDS Imaging Development Systems

1. KI löst Aufgaben, an denen die klassische Bildverarbeitung scheitert oder an Grenzen stößt – speziell, wenn organische und andere variantenreiche Objekte detektiert und klassifiziert werden sollen. Mit ihrer Fähigkeit, sowohl bekannte als auch unbekannte Abweichungen von einem trainierten GUT-Zustand zu erkennen, bietet KI-Vision beispielsweise großes Potenzial bei Qualitätskontrollen. Manuelle Sichtprüfungen lassen sich dadurch reduzieren und Fehler im Produktionsprozess zuverlässig erkennen.

2. Derzeit beobachten wir sowohl eine gewisse Skepsis als auch eine große Neugierde gegenüber der Technologie. Deshalb ist es wichtig, Transparenz in die ‚Black Box‘ KI zu bringen und Vertrauen zu schaffen. Im gleichen Zuge müssen die Benutzerfreundlichkeit von KI-Systemen sowie deren ­Leistungsfähigkeit demonstriert werden. Dabei helfen unter anderem Early Adopter, deren Anwendungen zeigen, was wie möglich ist, und die dieses Wissen in die Breite tragen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist es, eine realistische Erwartungshaltung zu schaffen. Auch wenn KI viele neue Möglichkeiten in der Bildverarbeitung eröffnet, ist die Technologie nicht allmächtig.

3. KI-Vision ermöglicht zusätzliche und neue Lösungen, jedoch durch gänzlich andere Methoden. Die Ergebnisse des maschinellen Lernens werden nicht durch Bildverarbeitungsspezialisten und Anwendungsprogrammierer bestimmt. Neuronale Netze lernen stattdessen durch wiederkehrende Muster in Bilddaten mit den richtigen Hinweisen durch Fachspezialisten, wie ‚gut‘ und ‚schlecht‘. Unternehmen sollten den Umgang mit der Technologie am besten Schritt für Schritt kennenlernen und an kleinen Projekten testen. KI-Gesamtsysteme und erfahrene Partner können hierbei wertvolle Hilfe leisten.


KI-Anwendungen
Bild: F+E it’s OWL Clustermanagement

1. Der Einsatz von KI-Anwendungen ist besonders da spannend, wo große Mengen an Daten und Informationen zur Entscheidungsfindung verarbeitet werden müssen. Typische Anwendungsfälle sind die KI-basierte Bildverarbeitung in der Qualitätskontrolle oder der Einsatz von Anomalie-Erkennung zur vorausschauenden Wartung. Zunehmend rückt auch der Einsatz von KI in der Produktionsplanung und -steuerung in den Fokus. Hier lassen sich besonders große Effekte mit Blick auf Effizienz- und Flexibilitätsgewinne erwarten.

2. Bei der Umsetzung von KI-Projekten entfällt nach wie vor ein großer Aufwand auf die Daten­beschaffung und -vorverarbeitung – Datenverfügbarkeit und -qualität sind erfolgskritisch. Auch nach der initialen Umsetzung ergeben sich zahlreiche ­Herausforderungen: Wie erfolgen Wartung und Pflege der KI-Lösung? Wie lässt sich die Lösung im Unternehmen skalieren?

3. Hier gilt wie so oft: Vom Ziel her denken. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Lösungen einen wirklichen Mehrwert bieten. Aus technischer Sicht ist ein Datenmanagement erforderlich, dass sich um die Verfügbarkeit und Qualität der Daten im Unternehmen kümmert. Zu guter Letzt ist es erfahrungsgemäß förderlich, betroffene Mitarbeitende in die Entwicklung der Lösungen zu involvieren, um die Akzeptanz für mögliche Veränderungen im Tagesgeschäft zu steigern.


Mit dem richtigen Partner ist vieles möglich

Bild: MPDV Mikrolab

1. An sich können fast alle Fertigungsbereiche von KI profitieren, da es überall Aufgaben gibt, etwas zu analysieren, etwas vorherzusagen oder etwas zu optimieren. Wir als MPDV bieten zum Beispiel eine KI-Lösung für die Feinplanung an, gleichzeitig aber auch Lösungen zur Analyse von historischen Produktionsdaten, um einerseits festzustellen, welche Einflussfaktoren relevant sind für die Produktivität und andererseits, um beispielsweise Rüstzeiten genauer vorherzusagen.

2. Wie in eigentlich allen KI-Projekten geht es auch in der Fertigungsindustrie darum, die Daten zum Anlernen der KI aufzubereiten. Nach der etablierten CRISP-DM-Methode nimmt dieser Arbeitsschritt bereits am Anfang jedes Projekts einen enormen Anteil an Zeit und Kosten in Anspruch. Daher hat sich MPDV für die Automatisierung dieses Prozesses entschieden. Zusammen mit unserem KI-Spezialisten AIMES haben wir Automated Data Science entwickelt. Damit reduzieren sich Kosten und Zeitaufwand signifikant. Zudem profitieren unsere KI-Lösungen davon, dass Daten in unserer Manufacturing Integration Platform bereits strukturiert und semantisch beschrieben sind.

3. Sie sollten sich vor allem den richtigen Partner suchen. KI-Anbieter gibt es relativ viele – die Zahl derer, die sich auch mit der industriellen Produktion auskennen, ist schon deutlich geringer. Zudem sollte der Anwendungsfall konkret und greifbar sein. Allgemeine Fragestellungen wie ‚Was können wir besser machen?‘ führen selten ans Ziel. Auch sollten Unter­nehmen mit einfachen Use Cases beginnen, zum Beispiel mit der Vorhersage von Rüstzeiten oder der KI-basierte Analyse von Ausschuss, um zu erfahren, welche Einflussfaktoren relevant sind.


KI-Anwendungen
Bild: Phoenix Contact Electronics

1. Der größte und häufig genannte Nutzen der KI in der Fertigung liegt in der Qualitäts­sicherung. Unternehmen können maschinelle Lern­modelle einsetzen, um Abweichungen von typischen Designkriterien, Fehler oder Konsistenzprobleme zu erkennen, die ein Mensch übersehen könnte.
Maschinelle Lerntechniken verbessern die Produktqualität und verringern gleichzeitig die Kosten und den Zeitaufwand für die Qualitätssicherung. Vorbeugende Wartung ist ein weiterer Vorteil der produktionsnahen KI. Probleme lassen sich detektieren, bevor sie entstehen. Dies trägt dazu bei, dass die Fertigung nicht aufgrund von Anlagenausfällen unterbrochen werden muss. Die KI soll vorhersagen, welche Komponenten zu aktualisieren sind, bevor es zu einem Ausfall kommt.

2. Die Erreichbarkeit der Datenquellen kann in industriellen KI-Anwendungen zu einer großen Herausforderung werden, wenn das OT-Netz streng gekapselt ist. Das Zusammenwirken von OT und IT erweist sich hier als sehr wichtig. Weitere schwierige Aufgaben sind Sicherheit und Datenschutz, die auch weit oben auf der Liste der technischen Herausforderungen bei IoT-Projekten stehen. Daten haben einen monetären, aber immateriellen Wert, den die Unternehmen nicht mit anderen teilen wollen.

3. Bei der Planung von KI-Anwendungen ist zu berücksichtigen, dass die Implementierung alle an der digitalen Transformation beteiligten Gruppen betrifft. Der Erfolg von KI-Projekten hängt maßgeblich davon ab, dass OT, IT und Geschäftsführung ein gemeinsames Verständnis über Veränderungen haben. Datenwissenschaftler müssen Experimente durchführen und Modelle entwickeln, wobei ihnen bekannt sein muss, wo diese letztendlich ausgeführt werden sollen. Die Support-Teams müssen die erforderliche Infrastruktur und die Geschäftsprozesse zur Unterstützung von KI-Lösungen planen. Die Führungsebene sollte den gesamten Umfang dessen, was in einem erfolgreichen KI-Projekt enthalten und notwendig ist, klar verstehen, wenn es um die langfristige Bereitstellung und Wartung des Projekts geht.

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