04.05.2022 – Kategorie: Digitalisierung
IoT in der Produktion: Die richtige MES-IoT-Strategie
Seit geraumer Zeit beobachten nicht nur die Experten der CIM Aachen GmbH, dass sich die Funktionen von (I)IoT-Plattformen und MES-Lösungen zunehmend überschneiden. Aus über 400 verfügbaren Lösungen müssen Anwender die richtigen Bausteine finden. Bei einer bestehenden Systemlandschaft wird die Auswahl zur Herkulesaufgabe.
IoT in der Produktion: Beim ersten Schritt der Systemauswahl machen viele Unternehmen den Fehler, sich in unzureichend vorbereiteten Workshops von Anbietern einen Überblick über vermeintlich in Frage kommende Systeme zu verschaffen. Bei solchen Verkaufsveranstaltungen verwischen Wunsch und Wirklichkeit zu Konzepten, die in der Praxis nicht oder nur mit hohem Customizing-Aufwand zu realisieren sind. In der Beratungspraxis von CIM Aachen bestätigt sich immer wieder die Erfolgsformel „Systematik vor System“. Es gilt also, zunächst die vorhandene Produktionssystematik sowie die Shopfloor-Systeme zu bewerten und daraus die konkreten Anforderungen an die neue IT-Umgebung abzuleiten.
IoT in der Produktion: Zuerst die Analyse
Hierzu führt CIM Aachen in Kundenprojekten die IT-Wirkungsgradanalyse durch. Mit den funktionalen Anforderungen als Maßstab wird sowohl die installierte Leistung als auch der aktuelle Nutzungsgrad der IT-Landschaft bewertet. Basierend auf einer systematischen „Gap-Analyse“ werden Zukunftsszenarien entwickelt, die sowohl bei der Optimierung der Nutzung bestehender Systeme als auch bei der Einführung neuer Systeme ansetzen.
Die Herausforderung bei Diehl Metering
Auch die Diehl Metering GmbH, die zur Diehl-Gruppe gehört, war mit dem Problem einer heterogenen Lösungsarchitektur konfrontiert. Das Unternehmen stellt mit rund 1.600 Mitarbeitern an sieben Standorten weltweit Messgeräte für Wasser, thermische Energie, Gas und Strom her. Als international agierendes Unternehmen in einem volatilen Marktumfeld mit zunehmender Produktvarianz sind der flexible Aufbau von Montagekapazitäten und die Reduzierung von Durchlaufzeiten wichtige Bestandteile der operativen Exzellenz.
Die Analyse der gewachsenen Shopfloor-IT-Landschaft durch ein interdisziplinäres Team offenbarte, dass über 30 Softwarelösungen mit MES-Funktionalitäten an den Standorten im Einsatz waren. Diese Lösungsvielfalt erschwerte den flexiblen Aufbau von Produktionskapazitäten. Die Herausforderung für Diehl lautete also, die bestehende-IT Landschaft komplett neu aufzustellen und dabei Investitionen und Zeitbudgets in einem wettbewerbsfähigen Rahmen zu gestalten. Ziel war es, dass sich jedes Produkt an jedem Standort semi-automatisiert montieren lässt. Berücksichtigt werden musste dabei, dass Diehl Metering auch als Hersteller von Anlagen mit integrierten MES-Funktionalitäten auftritt.
Entwicklung einer globalen MES-IoT-Strategie
Den beschriebenen Herausforderungen begegnete Diehl Metering mit einer globalen MES-IoT-Strategie. Deren Zielsetzung war es, die Harmonisierung der international verteilten Systemlandschaft zu erreichen und die wettbewerbsrelevanten Kernfunktionalitäten durch spezialisierte MES-Lösungen zu erhalten. Dazu wurden zunächst die funktionalen Anforderungen an ein MES erhoben sowie die eingesetzten Lösungen in einer Analyse der IT-Landschaft erfasst. Basierend auf dieser Analyse erfolgte jeweils die Entscheidung für eine Best-of-breed-Lösung in den verschiedenen Fertigungssegmenten.
Anschließend spezifizierte das Team, bei welchen der zehn MES-Funktionsbausteine nach VDI 5600 Blatt 1 es sich um Kernfunktionen und bei welchen es sich um Zusatzfunktionen handelt. Kernfunktionen zeichnen sich dadurch aus, dass diese zur Fertigung zwingend technisch erforderlich sind. Dementsprechend sollen diese Funktionalitäten lokal im MES des jeweiligen Fertigungssegments beibehalten werden. Zusatzfunktionen sollen hingegen bei allen Standorten und Fertigungssegmenten harmonisiert und in Microsoft Azure implementiert werden.
Dazu hat Diehl Metering die auf Microsoft Azure basierende „Manufacturing Data Platform“ eingeführt. Die Plattform ermöglicht es, flexibel Daten aus den relevanten Systemen zu verarbeiten, zu speichern und darzustellen. Dazu wurden standortübergreifende Standards für Erfassung und Analyse von Produktionsdaten geschaffen.
Durch die Einführung der Plattform konnte Diehl die Transparenz in den Produktionsprozessen und die Vergleichbarkeit der Standorte deutlich erhöhen. Trotzdem wurden die Stärken der jeweiligen Systeme beibehalten. Die Trennung von On-premise-Funktionalitäten und global bereitgestellten Zusatzfunktionalitäten führt zu einer antifragilen Systemgestaltung, die auch im Falle einer Netzwerkstörung an jedem Standort autark das Weiterproduzieren ermöglicht. Der hybride Ansatz ermöglichte es mit geringem Investitionsaufwand und Ausfallrisiko, eine standortübergreifende und skalierbare MES-IoT-Umgebung zu etablieren und so eine zielführende Kombination der beiden Welten „MES lokal“ und „IoT-Cloud“ herbeizuführen.
Diehl Metering hat sich bei der Entwicklung der MES-IoT-Strategie die Vorgehensweise des IT-Wirkungsgradmodells zunutze gemacht. Das systematische Vorgehen bei der Analyse hat dabei geholfen, eine zukunftsfähige Lösungsarchitektur unter Berücksichtigung der Budgetvorgaben und Rahmenbedingungen zu entwickeln. Zu den Erfolgsfaktoren zählten neben dem interdisziplinären Team die Rückendeckung der Führungsebene, einen innovativen Hybridansatz aus MES und IoT-Cloud umzusetzen. Generell lässt sich feststellen, dass die Auswahl der richtigen Shopfloor-IT von den individuellen Unternehmensmerkmalen abhängt. Eine systematische Begleitung des Analyse- und Auswahlprozesses bei der Einführung von IoT in der Produktion durch erfahrene Berater unterstützt Anwender dabei, moderne Lösungsarchitekturen maßgeschneidert zu implementieren.
Die Autoren: Christoph Dümmler ist IT-Projektleiter, Diehl Metering GmbH; Florian Einzinger ist Project Manager Operational Excellence, Diehl Metering GmbH; Tim Vingl ist Consultant, CIM Aachen GmbH.
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