Interview: Autonome Produktion durch kundenorientierte Automation
Die Automatisierung ist eine wichtige Säule der Zukunftsstrategie von DMG MORI: Jede vierte Neumaschine ist bereits automatisiert oder vorbereitet. Von über 30 ausgestellten Exponaten präsentiert der Anbieter auf der AMB insgesamt 13 automatisierte Fertigungslösungen. Was dahinter steckt und wie es weitergeht, klärt Digital Manufacturing Magazin im Gespräch.
Die Automatisierung ist eine wichtige Säule der Zukunftsstrategie von DMG MORI: Jede vierte Neumaschine ist bereits automatisiert oder vorbereitet. Von über 30 ausgestellten Exponaten präsentiert der Anbieter auf der AMB insgesamt 13 automatisierte Fertigungslösungen. Was dahinter steckt und wie es weitergeht, klärt Digital Manufacturing Magazin im Gespräch.
DMG MORI hat im November 2017 seine Automatisierungskompetenz mit dem Joint Venture DMG MORI HEITEC gestärkt. Ziel ist es, gemeinsames
Know-how zu bündeln, um die Entwicklung innovativer Automatisierungslösungen zu beschleunigen. Über künftige Ambitionen, Anforderungen und Ziele sprachen wir mit Markus Rehm, Geschäftsführer von DECKEL MAHO Seebach sowie von DMG MORI HEITEC und Kai Lenfert, Geschäftsführer von DMG MORI HEITEC.
Digital Manufacturing (DM): Herr Rehm, Automatisierungslösungen haben für DMG MORI einen sehr hohen Stellenwert. Was können die AMB-Besucher auf dem Messestand in Halle 10 erwarten?
Markus Rehm: Ein Highlight ist der Robo2Go 2nd Generation, den wir an einer CLX 350 und einer CTX beta 800 TC zeigen. Die flexible Roboterautomation für Drehzentren der CLX- und CTX-Baureihen hat Traglasten von 10, 20 oder 35 Kilogramm und lässt sich mit Hilfe von Programmierbausteinen ohne tiefgreifende Roboterkenntnisse schnell und einfach direkt über die Maschinensteuerung programmieren. Das Teachen eines neuen Werkstücks dauert weniger als 15 Minuten. Die hohe Flexibilität des Robo2Go 2nd Generation bezieht sich sowohl auf den Einsatz an mehreren
Maschinen als auch auf das Handling
unterschiedlichster Bauteile. Darüber hinaus zeigen wir ein breites Automationsportfolio. Dazu gehört mit 150 Kilogramm Traglast im Standard das PH-150-Paletten-Handling, das wir pro Jahr rund 150-mal installieren. Auch hier überzeugt die anwenderfreundliche Bedienung über die Maschinensteuerung. Die DMU 50 3rd Generation zeigen wir mit WH 15 Cell. Die 5-achsige Fräsmaschine und das kompakte Werkstück-Handling sind perfekt aufeinander abgestimmt, so dass Anwender von einer optimalen Autonomie in der 5-Achs-Bearbeitung von Werkstücken bis 15 Kilogramm profitieren. Das Angebot im Bereich der Palettenrundspeicher repräsentiert auf der AMB eine NHX 5000 mit RPS 14. Das System nimmt 14 Paletten mit einem maximalen Gewicht von 700 Kilogramm und einer Größe von 500 x 500 Millimetern auf.
DM: Die Automatisierungskompetenz konzentriert DMG MORI in der DMG MORI HEITEC GmbH. Welche Rolle spielt das junge Unternehmen innerhalb des DMG-MORI-Konzerns?
Kai Lenfert: Als Automationspartner fokussieren wir uns auf kundenindividuelle Werkstück-Handling-Systeme. Die Automationskompetenz, zum Beispiel für das Paletten-Handling, ist direkt in den Produktionswerken von DMG MORI integriert. Aus dem Zusammenspiel zwischen dem Engineering der Werke und der Automationskompetenz seitens DMG MORI HEITEC erhält der Kunde eine kundenindividuelle, durchgängige und prozesssichere Lösung aus einer Hand. Wir bieten den Kunden auch Serviceleistungen von der Konfiguration bis zum Einsatz des Systems – inklusive der Umstellung und Erweiterung eines Systems für zusätzliche Produkte.
DM: Laut der gemeinsamen Presseerklärung von DMG MORI und HEITEC soll sich Ihr Unternehmen zunächst vornehmlich um modular aufeinander abgestimmten Lösungen insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen kümmern.
Markus Rehm: Das ist lediglich eine, wenn auch wichtige Zielstellung unserer Zusammenarbeit mit DMG MORI sowie Kunden und Partnern – etwa im Bereich der Greifertechnik.
Kai Lenfert: Grundsätzlich realisieren wir auf Basis eines Baukastens modular aufgebaute Fertigungszellen und -systeme, die eine individuelle Einrichtung und Anpassung zulassen. Das ist ein entscheidender Aspekt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.
Markus Rehm: Allerdings differenzieren wir als Automatisierer nicht nach der Unternehmensgröße. Für uns zählt allein die Lösung. Diese Perspektive lässt die Grenzen dann sehr schnell verschwimmen.
DM: Sie bewerben bei Automationsprojekten Ihren Weitblick für die Wertschöpfung. Warum?
Markus Rehm: Weil wir überzeugt sind, dass Automatisierung weitaus mehr ist als die Summe von Maschinen und die zugehörigen Handling-, Lager- und Logistiksysteme. Wir müssen wichtige Implikationen der Automation und den Gesamtkomplex der Produktion berücksichtigen.
DM: Das müssen Sie uns erklären…
Kai Lenfert: Ein Kunde, der sich mit einer automatisierten Anlage die mannlose Nachtschicht erschließt, muss in der Lage sein, die nötigen Ressourcen bereitzuhalten – also Programme, Werkzeuge und Rohteile. Hinzu kommen die Prüfung der gefertigten Teile und die Kapazitäten der nachfolgenden Bereiche. Das sind nur wenige von vielen elementaren Fragen. Je komplexer die Aufgabenstellung wird, desto detaillierter muss eine Anlage vorausschauend und vor allem wertschöpfungsintegriert geplant werden. Das gilt für die Berechnung des ROI ebenso wie für den wirtschaftlichen Einsatz des Systems in der Praxis.
DM: Wie lässt sich hier durchgehend der nötige Überblick behalten?
Kai Lenfert: Die Vielzahl der Einflussfaktoren lässt sich selbst mit unserer langjährigen Erfahrung nicht mehr ganzheitlich überblicken. Deshalb nutzen wir verstärkt die Möglichkeiten des durchgängig digitalen Engineerings der Systeme.
DM: Was verbirgt sich hinter diesem
Ansatz?
Markus Rehm: Durch die Interaktion mit den DMG-MORI-Werken können wir Automatisierungsprojekte sehr konkret mit dem virtuellen Abbild in Echtzeit planen und kundenbezogen optimieren – inklusive des Einfahrens konkreter Bauteilprogramme. Das schafft eine hohe Investitionssicherheit für den Kunden, garantiert eine schnelle Installation und Inbetriebnahme vor Ort und sorgt für einen schnellen Produktionsstart. Inbetriebnahmezeiten lassen sich so um bis zu 80 Prozent reduzieren. Vor allem kann der Kunde mit dem Wissen aus den virtualisierten Ergebnissen des digitalen Engineerings schon während der Entscheidungsphase sehr genau abschätzen, wie das System in die Prozesskette wirkt und was er gegebenenfalls tun muss, um einen effizienten Betrieb des Systems und seines gesamten Produktionsablaufs zu gewährleisten.
DM: Ist das schon der digitale Zwilling, von dem die Produktionstechnik so begeistert ist?
Kai Lenfert: Es gibt am Markt unterschiedliche Meinungen dazu, was der digitale Zwilling letztlich bedeutet. Bei Leistritz haben wir zum Beispiel eine Anlage mit einem virtuellen Abbild von Maschine und Robotik planen, testen und frühzeitig in Betrieb nehmen können. Wir sind jedoch weit entfernt, diese Form der Virtualisierung als einen digitalen Zwilling zu bewerten.
DM: Und was ist aus Ihrer Sicht der digitale Zwilling?
Kai Lenfert: Lassen Sie es mich anhand der Eigenschaften versuchen: Mit einem digitalen Zwilling wird der Anwender in der Lage sein, sowohl die flexible Steuerung von einzelnen Ereignissen innerhalb seiner Prozesskette als auch die Wandlungsfähigkeit des gesamten Produktionssystems vorausschauend sicherzustellen. Somit ist der digitale Zwilling ein virtuelles Abbild mit allen mechatronischen und dynamisch-kinematischen Eigenschaften einer realen Maschine, eines realen Systems und einer „echten“ Produktion, das sich parallel zum tatsächlichen Geschehen in der Werkshalle digital betreiben lässt.
DM: Also wird Automatisierung erst im Zusammenspiel mit der Digitalisierung funktionieren. Da dürfte DMG MORI HEITEC von dem Hype um Industrie 4.0 künftig entsprechend profitieren
können…
Markus Rehm: Automatisierung und Digitalisierung sind neben Informations- und Produktionstechnik sowie Technologie und Prozess nur zwei Elemente – und keines der Elemente kann unabhängig von den anderen betrachtet werden. Für uns öffnet die geschilderte Ausgangslage eine vielversprechende Perspektive. Sie bedeutet aber auch eine interdisziplinäre Herausforderung, den Kunden in allen Kompetenzfeldern ein adäquater und ganzheitlich guter Partner sein zu müssen.
DM: Die DMG MORI HEITEC GmbH verbindet klangvolle Namen, ist allerding selbst eher noch ein junges Unternehmen, das sich auf breiter Front erst noch beweisen muss. Mutet man sich mit der von Ihnen immer wieder betonten Ganzheitlichkeit zu viel zu?
Kai Lenfert: Wir wollen nachhaltig wachsen und überlegen uns sehr genau, welche Schritte nötig sind und wie wir sie gehen sollen. Die Innovationsführerschaft von DMG MORI im globalen Werkzeugmaschinenbau und deren engmaschiger globaler Direktvertrieb sowie das enorme Backup von DMG MORI HEITEC sind markante Vertrauenspunkte, auf die wir und unsere Kunden zählen können. Und Vertrauen ist ein hohes Gut bei Digitalisierung und Automation. rt
Teilen Sie die Meldung „Interview: Autonome Produktion durch kundenorientierte Automation“ mit Ihren Kontakten: