20.06.2023 – Kategorie: Automatisierung & Robotik

Industrierobotik als Zukunft der Fertigung — Die große Expertenumfrage

IndustrierobotikQuelle: IM Imagery/AdobeStock

Industrieroboter sind zu einem Schlüsselfaktor industrieller Fertigungsprozesse geworden. Bereits heute ist die Herstellung vieler Produktgruppen ohne den Einsatz von Robotern schlicht unmöglich, zum Beispiel in der Automobilindustrie. Und die Geschäfte laufen gut: Die deutsche Robotik- und Automationsbranche rechnet für 2023 mit einem Branchenwachstum von neun Prozent auf 15,7 Milliarden Euro.

Wie die Robotik-Hersteller auf Trends wie Cobots und künstliche Intelligenz (KI) reagieren, lesen Sie in unserer großen Industrierobotik-Umfrage, an der 13 Experten teilgenommen haben.

Klimaschutz, Lieferketten-Resilienz oder Fachkräfteman­gel – Robotik und Automation kommt hier eine besondere Schlüsselrolle zu. Eines ist klar: Nur wer intelligent automatisiert und digital vernetzt kann wirtschaftlich und nachhaltig produzieren – ohne riskante Abhängigkeiten einzugehen. Roboter sind immer leichter zu bedienen und amortisieren sich immer schneller, was sie auch für KMUs und gering automatisierte Industrien zunehmend attraktiver macht. Mehr über die aktuelle und zukünftige Rolle der Industrierobotik erfahren Sie auf den nächsten Seiten.


Fragen an die Experten:

  • Welche Auswirkungen haben die jüngsten wirtschaftlichen und geo­politischen Krisen auf die Bereitschaft der produzierenden Industrie, in Robotik- und Automatisierungstechnologie zu investieren?
  • Wie reagiert ihr Unternehmen auf den zunehmenden Trend hin zu kollaborativen Robotern (Cobots)?
  • Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz (KI) derzeit in der Industrierobotik und wie wird KI-Technologie zukünftig die Robotik beeinflussen?

Flexibilität durch Industrierobotik

Industrierobotik
Bild: ABB

1. Wir sehen Tendenzen zu Re- und Near-Shoring sowie flexiblen und skalierbaren Lösungen. Dies zeigt auch eine von ABB Robotics in Auftrag gegebenen Umfrage: Immer mehr Automobilhersteller halten höhere Bestände vor und gehen von ‚Just-in-time‘- zu ‚Just-in-case‘-Strategien über, um sich gegen ungeplante Unterbrechungen zu schützen. Sie setzen auf eine verstärkte Lagerhaltung und die Abnahme großer Mengen, um die Risiken durch Lieferkettenstörungen zu begrenzen. Gleichzeitig nutzen viele ein größeres Lieferantennetzwerk, um eine ausreichende Teileverfügbarkeit zu gewährleisten.

2. Wir erweitern und optimieren stetig unsere Hard- und Software sowie Integrationsfähigkeit des Portfolios – etwa mit RobotStudio in der Cloud oder neuen Cobots, die wir auf der Automatica in München vorstellen. Wir entwickeln und integrieren flexible und skalierbare Automatisierungslösungen, die eine nachhaltige Fertigung sowie den Übergang zur Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Daneben ist der Fachkräftemangel eine Herausforderung. In (Hoch)Schulen ist die Vermittlung zusätzlicher Kenntnisse nötig, um notwendige Fähigkeiten zu Programmierung, Bedienung und Wartung von Robotern und Cobots für eine automatisierte Zukunft auszubilden.

3. KI macht Prozesse effizienter, zuverlässiger, produktiver und flexibler. Zudem etablieren sich selbstlernende Roboter zunehmend. Unser Konzept für die flexible Fertigung von morgen verbindet KI-gestützte Bildverarbeitung, Mobilität und modulare Zellen in einer einzigen Fabriksimulation. Wir ermöglichen die Umstellung auf eine flexible, voll automatisierte Produktion. Roboterzellen sind mit autonomen mobilen Robotern (AMR) vernetzt, die per Software miteinander kommunizieren und koordiniert werden.


Industrierobotik
Bild: ArtiMinds Robotics

1. Die Bereitschaft ist durch die gewachsene Erkenntnis, Liefer­ketten verkürzen zu müssen, sowie durch erhöhte politische Labilität in Billiglohnländern der europäischen Peripherie in den letzten drei Jahren stark gestiegen. Weiterhin nimmt der Wider­stand gegen mehr Migration in der Bevölkerung der Europäischen Union immer weiter zu. Dadurch entsteht EU-weit ein Mangel an Arbeitskräften – auch für einfachere, manuelle Tätigkeiten. Die Wahl tendiert mehr und mehr dahin, sich für Automatisierung auf dem Kontinent zu entscheiden, oder gar nicht mehr in Produktionen für Abnehmer auf dem Kontinent zu investieren.

2. Es setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Idee des Cobots in den 2010er Jahren zu weitreichenden Vorstellungen eines geradezu intelligenten und flexibel werkenden Maschinenassistenten sorgte. Im Endeffekt übertraf die Enttäuschung angesichts der realen Möglichkeiten an vielen Stellen zuletzt die positiven Fortschritte. Die ungesunde Vermischung unterschiedlicher Teilwünsche und Technologien entwirrt sich damit aber zum Glück auch wieder. Was eigentlich gewünscht ist, ist die hochflexible, einfach zu nutzende und kostengünstige Automatisierung. Dafür liefern wir entsprechende, passgenaue Produkte und Dienstleistungen.

3. Echte KI spielt in der Robotik-Forschung schon lange eine große Rolle. Sie war aber bisher noch nicht reif für einen robusten, industriellen Einsatz mit echtem Mehrwert. Wir arbeiten bereits seit einigen Jahren an entsprechenden Entwicklungen und sind dabei, für bestimmte Anwendungen umfangreiche KI zielgerichtet in den kommerziellen Einsatz zu überführen. In den kommenden Jahren wird KI-Technologie einen enormen Einfluss auf die Robotik haben.


Sensoren und Software sind maßgeblich

Bild: Autonox Robotics

1. Es ist festzustellen, dass die aktuellen Krisen das seit Jahrzehnten anhaltende Wachstum im Bereich der Auto­matisierung aus unserer Sicht nicht negativ beeinflussen. Im Gegenteil: Betrachten wir bei Autonox Robotics anstehende Großprojekte, gehen wir davon aus, dass viele nach Asien verlagerte Produktionen mit einem hohen Automatisierungs­anspruch mittelfristig wieder in Europa und Nordamerika stattfinden werden, wo Autonox präsent ist. Die dabei entstehenden Anlagen müssen maximale Flexibilität aufweisen, was Robotik unabdingbar macht.

2. Da Autonox Robotics Robotermechaniken ohne Steuerungstechnik als Automatisierungskomponente anbietet, gestaltet sich die Entwicklung eines steuerungsunabhängigen Cobots komplex. Trotzdem ist das Thema in unserer Entwicklungsabteilung präsent, da wir durchaus mechanische Innovationsansätze sehen und umsetzen wollen. ­
Gehen Sie davon aus, dass es in naher Zukunft einen Autonox-Cobot geben wird, den man mit seiner favorisierten Steuerung betreiben kann. Mehr kann ich an dieser Stelle leider nicht verraten.

3. Nach wie vor hemmt die teils komplexe Bedienung und Programmierung von Industrierobotern deren weitere Verbreitung. Eine schier unendliche Anzahl an Applikationen ließen sich mit Robotern automatisieren, stünden entsprechende Sensoren und Software zur Verfügung. In beiden Fällen trägt die künstliche Intelligenz maßgeblich dazu bei, dass Industrierobotik zum weltweit wichtigsten Produktionsmittel wird.


Industrierobotik
Bild: EGS Automation

1. Trotz stetig steigendem Handlungsdruck durch den Fachkräftemangel hin zu mehr Automatisierung stellen wir derzeit fest, dass Entscheidungen zögerlicher getroffen werden. Das resultiert häufig daraus, dass Banken und Leasinggesellschaften deutlich restriktiver bei der Kreditvergabe geworden sind, beziehungsweise die Unternehmen versuchen, ihre Liquidität bestmöglich zu schonen. Weiterhin reduzieren viele Unternehmen Lagerbestände, die sie in Monaten geprägt von Lieferengpässen aufgebaut haben. Dies führt zu einem Rückgang der Produktionsmengen und somit zu einem sinkenden Automatisierungsbedarf.

2. EGS Automation bietet Cobot-­Lösungen als Alternative zu klassischen Industrieroboterlösungen an, und wir können unseren Kunden so die jeweils beste Lösung für ihre Aufgabe bieten. Unsere Erfahrung ist jedoch, dass sich die Anforderungen meist auf kürzeste Taktzeiten sowie hohe Performance und Genauigkeiten konzentrieren, welche sich mit einem Cobot nicht erreichen lassen. In den allermeisten Fällen ist ein kollaborativer Betrieb zudem schlichtweg nicht erforderlich, sodass der Kunde sich im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Abwägung selbst für die optimale Industrieroboter-Variante entscheidet. Die Wirklichkeit in den Produktionshallen weicht daher nach wie vor deutlich von dem vermeintlichen Cobot-Trend ab.

3. KI steht in der Robotik noch ziemlich am Anfang. Unserer Einschätzung nach wird sie die Robotik in den nächsten Jahren jedoch gravierend verändern und wesentlich dazu beitragen, neue Anwendungsbereiche zu erschließen. In der industriellen Bildverarbeitung helfen Deep-Learning-Algorithmen bereits dabei, dass Programmierer nicht mehr selbst die Merkmale und Kombinationen definieren müssen. Die KI ermittelt das weitestgehend selbst anhand von Beispielbildern.


Fragen an die Experten:

  • Welche Auswirkungen haben die jüngsten wirtschaftlichen und geo­politischen Krisen auf die Bereitschaft der produzierenden Industrie, in Robotik- und Automatisierungstechnologie zu investieren?
  • Wie reagiert ihr Unternehmen auf den zunehmenden Trend hin zu kollaborativen Robotern (Cobots)?
  • Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz (KI) derzeit in der Industrierobotik und wie wird KI-Technologie zukünftig die Robotik beeinflussen?

Mehr Nachfrage nach Industrierobotik

Bild: Igus

1. Die globalen Lieferketten wurden stark beeinträchtigt. Daher setzen immer mehr Unternehmen auf Reshoring, also die Rückverlagerung ihrer Produktionsstätten vom Ausland ins Heimatland. Damit sich die lokale Produktion lohnt, investieren Unternehmen verstärkt in die Automatisierung ihrer Prozesse. Das schafft eine höhere Resilienz in Krisen. Dabei gewinnen Open-Source-Lösungen immer mehr an Bedeutung. Das allgemeine Ziel ist, Kernprodukte als lokale Second Sources verfügbar zu machen.

2. Auch wir merken die zunehmende Nachfrage. Mit unserem ReBeL bieten wir eine besonders kostengünstige und leicht zu bedienende Lösung. Der Cobot ‚made in Cologne‘ ist in der voll ausgestatteten Variante für nur 4.970 Euro erhältlich. Seit diesem Jahr gibt es zudem eine kleinere, noch günstigere Version: der ReBeL KID für 3.999 Euro. Gleichzeitig ist uns wichtig darüber aufzuklären, dass sich nicht jede Aufgabe mit einem Cobot automatisieren lässt. Deshalb bieten wir weitere Lösungen wie Delta-, Scara- und Portalroboter. Unsere Mission: Roboter günstiger und so zugänglicher für KMU zu machen. Möglich ist das durch den Einsatz von Kunststoff, der in der Industrie einzigartig ist. Doch nicht nur der Roboter, sondern die ganze Anwendung muss erschwinglich sein. Über unseren RBTX-Robotik-Marktplatz können Nutzer daher komplette Low-Cost-Lösungen individuell konfigurieren.

3. Die KI kann der Gamechanger für die Industrierobotik sein, vor allem in puncto Benutzerfreundlichkeit. Fehler lassen sich automatisch ausmerzen, und Roboter müssen künftig nicht mehr vom Menschen programmiert werden. Die KI ist ein wertvolles Werkzeug, um Dinge einfacher und schneller umzusetzen. Meines Erachtens ist sie gerade für KMU und Start-ups interessant und kann das Unternehmenswachstum positiv beeinflussen. Allerdings ist die KI nur so stark wie ihr Input. Die Qualität der Trainingsdaten ist entscheidend, um falsch trainierte KI-Systeme und unerwünschte Folgen zu vermeiden.


Industrierobotik
Bild: Fanuc Deutschland

1. Die stärksten Treiber der Automatisierung sind momentan der Fachkräftemangel und unsichere Lieferketten, welche die produzierenden Unternehmen zum Umdenken zwingen.
Dass Betriebe ihre Abläufe von Zeit zu Zeit in Frage stellen, gehört zum normalen Geschäft. Aber die angesprochenen Krisen
haben auch dazu geführt, beispielsweise die Lieferketten zu analysieren und zu optimieren. Da sehen wir eine erhöhte Bereitschaft, die Produktion wieder ins Inland zu holen. Der Einsatz von Industrierobotik ist in zentralen Bereichen der Produktion dabei ein wichtiges Element, auch um die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Betriebe dauerhaft zu sichern.

2. Das ist abhängig von der Industrie. In der klassischen produzierenden Industrie spielen Cobots noch eine untergeordnete Rolle. Der Cobot ist vor allem Türöffner für die Automatisierung. Häufig dient er dem Einstieg in die erste Roboterzelle. Zunehmend interessiert sich auch das Handwerk für Cobots. Zwei wegweisende Beispiele dazu zeigen wir auf der Automatica: die Backzelle ‚Bakisto‘ und mit ‚Velum‘ eine Zelle für Wäschereien. Solche Zellen lassen sich auch mit Cobots oder Leichtbau-Robotern ausstatten. Vor allem durch den geringen Platzbedarf und die einfache Programmierung ist der Cobot besonders für kleine Unternehmen attraktiv.

3. KI wird sicherlich das spannendste Thema in der Gesellschaft und der Technik in den nächsten Jahren. Kurzfristig kann die KI die ­Roboter intelligenter machen, die Nutzung vereinfachen und die Roboterzellen optimieren. Langfristig wird die KI in der Lage sein, Roboter selbstständig zu programmieren und zu überwachen.


Cobots bereichern die Industrie

Industrierobotik
Bild: Mitsubishi Electric Europe

1. Industrierobotik ist durch die hohe Flexibilität eine Schlüsseltechnologie für Automatisierung in verschiedensten Branchen. In der Regel geht in Fertigungen der Einsatz von Robotik mit Wachstum einher. Ein großer Vorteil unserer Melfa-Roboter ist die Langlebigkeit und Möglichkeit der Weiternutzung. So lassen sich beispielsweise Roboter im Agamede-Projekt, die vor kurzem noch Corona-Schnelltests ausgewertet haben, nun für andere Applikationen einsetzen.

2. Wir haben diesen Trend verfolgt und die Kundenbedürfnisse genau analysiert. Das Ergebnis: der Cobot Melfa Assista. Er bedient alle zuverlässigen Eigenschaften eines Industrieroboters wie hohe Steifigkeit, robustes Industriedesign, Langlebigkeit und Wiederholgenauigkeit, ist dabei aber auch kollaborativ. Diese Eigenschaften erwartet der Kunde und soll sie auch erhalten. Die Anforderungen, gerade im Dauerbetrieb, sind hoch und die Zufriedenheit des Kunden steht an oberster Stelle. Das gilt auch beim Preis. Um die Sicherheitsfunktionen ohne teure Sensorik umzusetzen, kommen unsere hochpräzisen und langlebigen Servomotoren zum Einsatz. Für mehr Wartungsfreundlichkeit konnten wir auch auf Pufferbatterien verzichten. Neue Herausforderungen führen zu neuen Einsatzgebieten, zum Beispiel in Schule und Lehre mit langen Standzeiten ohne Spannungsversorgung. Eingesetzt an der richtigen Stelle ist der Cobot eine echte Bereicherung.

3. Mitsubishi Electric setzt in Verbindung mit Industrierobotern auch in der KI innovative Maßstäbe. Für KI-Funktionen im Feld und direkt am Roboter bietet Mitsubishi Electric bereits seit 2017 eine Zusatzkarte ‚Melfa SmartPlus‘ an, die zusätzliche Rechenleistung zur Verfügung stellt. Dabei verwenden wir unsere eigene AI- Technologie Maisart, um beispielsweise im Rahmen von ‚Predictive Maintenance‘-Anomalien bei Antriebskomponenten zu erkennen und frühzeitig Warnungen auszugeben.


Industrierobotik
Bild: SEW-Eurodrive

1. Die Bereitschaft scheint deutlich größer zu sein, da die geopolitischen Krisen und die damit verknüpften Lieferschwierigkeiten den monetären Vorteil der Produktion in Ländern mit niedrigeren Löhnen annullieren. Um aus der Produktion in Ländern mit höheren Löhnen immer noch wettbewerbsfähige Produkte zu erhalten, ist ein sehr hoher Automatisierungsgrad erforderlich – und somit entsprechende Investitionen.

2. Das Thema ist längerfristig sehr interessant, und SEW setzt schon Cobots in Form von AGVs in der Produktion ein. Sobald es jedoch um Applikationen im Bereich der Handling-Systeme geht, ist der Einsatz von Cobots immer noch mit Hürden verknüpft – hauptsächlich aus zwei Gründen: Erstens: Cobots dürfen bei menschlicher Präsenz in ihrer Nähe keine hohen Geschwindigkeiten erreichen; somit ist deren Durchsatz deutlich niedriger in Vergleich zu einem Menschen. Damit erreichen sie selten einen adäquaten ROI. Und zweitens: Der Einsatz von Cobots ist oft für spezielle Aufgaben erwünscht. Dies bedeutet jedoch, dass man den Einsatz pro Aufgabe sehr detailliert sicherheitstechnisch überprüfen muss (erhöhter Aufwand) und sich selten Vervielfältigungseffekte ergeben.

3. Aktuell fast keine – abgesehen von Bildverarbeitungssystemen für Objekteerkennung. Allerdings ist das Potenzial riesig und wird innerhalb der nächsten fünf bis acht Jahre den aktuellen Arbeitsmarkt verändern. Es ist vorstellbar, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren KI-Systeme Robotikprogramme anhand einer detaillierten Aufgabenbeschreibung erzeugen, die nur leicht von einem Programmierer angepasst oder optimiert werden. Damit lassen sich Entwicklungs- und IBN-Zeiten stark verkürzen – was sich leider auch auf die Notwendigkeit von entsprechenden Programmierkräften auswirken wird. Wahrscheinlich wird KI auch das Thema Cobot stark beeinflussen und dem Thema einen deutlichen Schub geben.


Fragen an die Experten:

  • Welche Auswirkungen haben die jüngsten wirtschaftlichen und geo­politischen Krisen auf die Bereitschaft der produzierenden Industrie, in Robotik- und Automatisierungstechnologie zu investieren?
  • Wie reagiert ihr Unternehmen auf den zunehmenden Trend hin zu kollaborativen Robotern (Cobots)?
  • Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz (KI) derzeit in der Industrierobotik und wie wird KI-Technologie zukünftig die Robotik beeinflussen?

Mehr Prozesssicherheit durch Industrierobotik gewinnen

Bild: Toolcraft

1. Die Bereitschaft, langfristig größere Investitionen zu tätigen, nimmt wieder zu. Wir bei Toolcraft setzen Roboter in speziellen Bereichen ein, wobei die komplexen und individuellen Prozesse im Vordergrund stehen. Gerade im Halbleiter­bereich und in der additiven Fertigung – wo wir unsere Roboter einsetzen und technologieübergreifend Fertigungs-Know-how vereinen – ist ein deutlicher Aufschwung zu verzeichnen.

2. Der Trend nimmt weiterhin zu, da dies auch im direkten Zusammenhang mit den Weiterentwicklungen von Sicherheits- und Kameratechnik sowie Normung steht. Auch wir haben kollaborative Roboter in unserem Fokus. Trotz der Möglichkeiten mit Cobots muss man bei komplexen Prozessen die Prozess­sicherheit, die Fertigungsqualität und natürlich auch die Wirtschaftlichkeit als wichtigste Kriterien betrachten.

3. Die KI wird in den nächsten Jahren in allen Bereichen einen enormen Zuwachs und deutliche Weiterentwicklung erfahren. Besonders bei individuellen Fertigungsabläufen und automatisierten Prozessen mit einer Losgröße von Eins wird die KI und Industrierobotik vieles verbessern und ermöglichen. In Bezug auf Kameraerkennung, Qualitätsprüfung und individuelle Prozessabläufe setzen wir bereits auf künstliche Intelligenz.


Industrierobotik
Bild: Sensodrive

1. Meine Antwort beginnt mit einer Frage: ‚Wie kann man als in Deutschland produzierendes Unternehmen im internationalen Vergleich bestehen? Und auf diese Frage gibt es eine eindeutige Antwort: Wir müssen automatisieren! Aus diesem Grund investieren Unternehmen massiv in Robotik- und Automatisierungstechnik. Durch die aktuelle geopolitische Lage wurde der Trend sogar verstärkt und beschleunigt.

2. Ich war lange Jahre im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für die Leichtbauroboterentwicklung verantwortlich. Bereits in den 1990er Jahren haben wir die ersten drehmomentgeregelten Roboter entwickelt, und wir können – nicht ohne Stolz – behaupten, damit den Grundstein für heutige Cobots gelegt zu haben. Die Technologie stellt Sensodrive, als Spin-off-Unternehmen aus dem DLR, bereits seit 20 Jahren in Form von Drehmoment­sensoren und drehmomentgeregelten Komplettantrieben der Industrie und Medizintechnik zur Verfügung. Wie in der Vergangenheit werden wir uns auch in Zukunft an Abraham Lincoln halten: ‚The best way to predict the future is to create it.‘

3. An vielen Stellen hat die KI, mal mehr, mal weniger erfolgreich, in der Industrierobotik Einzug gehalten. Wir nutzen zum Beispiel Tools, mit deren Hilfe man KI-gestützt Robotersegmente entwickeln und optimieren kann. Predictive Maintenance, also die vorausschauende und bedarfsorientierte Wartung von Maschinen und Anlagen, hilft Ausfälle und Stillstandszeiten zu vermeiden.
Für uns als Hersteller von sicheren Roboterachsen hat die KI derzeit allerdings noch regulatorische Grenzen. Der Nachweis, dass ein selbstlernendes System keine sicherheitskritischen Ergebnisse liefert, ist kaum möglich.


Bild: Stäubli Robotics

1. Stäubli Robotics sieht sich derzeit mit einer weit überdurchschnittlichen Nachfrage nach Robotik-Lösungen konfrontiert. Unabhängig von den genannten Krisenszenarien sehe ich diesen positiven Geschäftsverlauf durch drei parallel stattfindende Entwicklungen getrieben: Das sind der Fachkräftemangel, das Reshoring, also die Rückverlagerung von Produk­tionsstätten nach Europa, um Lieferketten resilienter zu gestalten und natürlich die massiven Investitionen in grüne Technologien (Photovoltaik,
E-Mobility etc.), die jede Menge Neugeschäft generieren. Für all diese Bereiche kann Stäubli Robotics optimale Lösungen für eine effiziente und nachhaltige Produktion bieten.

2. Bei Stäubli fokussieren wir bereits seit vielen Jahren das Thema Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine, was wir mit unserem Claim ‚Man and Machine‘ unterstreichen. Unsere Power Cobots zählen zu den schnellsten und präzisesten Maschinen am Markt. Zudem setzen wir auf eine möglichst intuitive Bedienung unserer Cobots und darüber hinaus auf ein ganzheitliches Easy-to-Use-Konzept, das Anwendern ein Komplettpaket an Vorteilen über den Lebenszyklus eines Roboters hinweg garantieren soll.

3. Künstliche Intelligenz wird in den nächsten Jahren eine immer bedeutendere Rolle in der Industrierobotik spielen. Durch die Digitalisierung und die Abkehr von klassischen, starren Automatisierungslösungen lassen sich erstmals wirklich hochflexible Intralogistik- und Produktionskonzepte realisieren. In diesem zukunftsweisenden Umfeld wird auch die Rolle des Roboters neu definiert. Was heute noch als flexibel gilt, ist morgen old school. Der Roboter muss sich künftig wie ein Mensch selbstständig an permanent wechselnde Bedingungen anpassen können, und das gelingt ihm nur unter Einsatz von KI. Insofern sehe ich diese Technologie als wegweisend für den Robotereinsatz in einer ganzen Reihe von Applikationen.


Der Mensch wird nicht ersetzt

Industrierobotik
Bild: Universal Robots

1. Die jüngsten wirtschaftlichen und geopolitischen Krisen verlangen Unternehmen einiges ab. Lieferengpässe, der steigende Arbeitskräftemangel und schwankende Nachfragen machen es schwer, effizient zu planen und zu fertigen. Hinzu kommt der Trend Reshoring, also die Produktion ins eigene Land zurückzuholen. Dies ist für viele Betriebe eine gute Lösung, um der Supply-Chain-Problematik zu entgehen. Damit das kostengünstig und trotz mangelnden Personals funktioniert, kommen immer häufiger Cobots ins Spiel. Sie übernehmen ungeliebte Tätigkeiten, zum Beispiel auch in der Nacht. Die Bereitschaft, in Robotik- und Automatisierungstechnologie zu investieren, steigt in der Folge spürbar.

2. Wir bekommen immer mehr Anfragen von Unternehmen, für die Automatisierung mit Cobots bisher kein Thema war. Diese wenden sich vor allem aus zwei Gründen an uns: Erstens: Sie möchten einzelne Arbeitsschritte automatisieren, da sie aufgrund fehlenden Personals nicht mehr qualitativ hochwertig und pünktlich produzieren können. Und zweitens: Sie möchten automatisieren, da Mitarbeitende monotone und anstrengende Aufgaben nicht mehr ausführen wollen und gesundheitliche Schäden haben – das sollen künftig Cobots übernehmen. Das Unternehmen selbst hat so die Möglichkeit, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, der fortschrittlichen Technologien gegenüber aufgeschlossen ist. Hier helfen wir als Hersteller gerne weiter. Auch unser breit aufgestelltes Partnernetzwerk unterstützt mit seinem Expertenwissen.

3. KI-Technologie ist aus der industriellen Automatisierung nicht mehr wegzudenken. Bei Cobot-Anwendungen und der Industrierobotik kann sie vor allem bei der Handhabung variantenreicher Bauteile und für das Bewegen von unterschiedlichen Objekten in einer unstrukturierten Umgebung hilfreich sein. Vor allem in der Logistik könnten solche Applikationen verstärkt zum Einsatz kommen und die Automatisierung bestimmter Tätigkeiten flexibler und einfacher für den Anwender machen. Dennoch: Nicht für alle Aufgaben werden wir – auch in Zukunft – KI unbedingt benötigen.


Bild: Yaskawa Europe

1. In Zeiten, in denen die Bezugsquellen ungewisser werden, arbeiten Unternehmen selbstverständlich daran, ihr Risiko zu minimieren und suchen nach Alternativen. Diejenigen Zulieferer, die als Alternative in Frage kommen, erleben in der Folge eine erhöhte Nachfrage. Können sie zum Beispiel aufgrund fehlender Fachkräfte dieser Nachfrage nicht nachkommen, investieren sie in Effizienzmaßnahmen wie Robotik und Automation.
Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass Deutschland eine Export-Nation ist und eine eventuell geringere Nachfrage aus China und den USA den Effekt des Reshorings nach Europa nicht ausgleicht. Bewegung in den Märkten bietet jedoch immer auch Chancen: Mit unseren Robotern aus europäischer Produktion haben wir ein attraktives Angebot für Kunden, die beispielsweise kurzfristig ein Produkt brauchen oder das Risiko der langen Lieferzeiten reduzieren wollen.

2. Wir haben inzwischen mehrere Cobot-Modelle bis hin zu einem Palettier-Cobot mit 30 Kilogramm Tragkraft im Angebot und erweitern unser Portfolio weiter. Auf der Automatica werden wir einen Kurz-Arm-Cobot vorstellen. Damit bieten wir für eine Vielzahl von Anwendungen und Bedürfnissen passende Produkte. Viel wichtiger ist uns jedoch, die Integration von Greifern, Kameras etc. sowie die Programmierung zu erleichtern. So gibt es inzwischen für unser SmartPendant intuitive Programme wie den PalletBuilder für Palettier- oder den WeldBuilder für Schweißanwendungen. Damit kommen Kunden in den Genuss vieler Funktionalitäten aus der jahrzehntelangen Robotik-Erfahrung von Yaskawa, ohne auf die Einfachheit in Programmierung und Betrieb verzichten zu müssen.

3. KI spielt in der Industrierobotik schon eine ganze Weile eine Rolle. Allerdings passiert diese ‚Intelligenz‘ – oder nennen wir es Lernfähigkeit – momentan noch in Computern außerhalb der Robotersteuerung. Wir arbeiten jedoch schon an Lösungen, bei denen sich KI integrieren lässt. Der Roboter ist in diesen Fällen meistens derjenige, der den in der KI generierten Job ausführt. Aktuell sind sicher Kamerasysteme die häufigsten Instrumente, die für KI-Anwendungen den ‚Input‘ liefern. Beispiele sind Systeme zum Sortieren von Paketen, die dynamische Bahnplanung mit Teile­erkennung oder die roboterbasierte Ernte von Obst oder Gemüse.


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