27.11.2017 – Kategorie: IT, Management, Technik
Industrie 4.0 zum Greifen nah
Zum Greifen nah wird Industrie 4.0 auf Gesprächen auf aktuellen Fachmessen. Ein Ansprechpartner auf der SPS IPC Drives 2017 in Nürnberg ist beispielsweise Eberhard Klotz, Leiter der Kampagne Industrie 4.0 bei Festo. Sein Thema: Welchen Beitrag leistet Industrie 4.0 bereits heute? Erste Erfahrungen machen seine Thesen anschaulich.
Zum Greifen nah wird Industrie 4.0 auf Gesprächen auf aktuellen Fachmessen. Ein Ansprechpartner auf der SPS IPC Drives 2017 in Nürnberg ist beispielsweise Eberhard Klotz, Leiter der Kampagne Industrie 4.0 bei Festo. Sein Thema: Welchen Beitrag leistet Industrie 4.0 bereits heute? Erste Erfahrungen machen seine Thesen anschaulich. Von Christopher Haug
„Industrie 4.0 ist auf jeden Fall mehr als ein Marketing-Hype“, startet Eberhard Klotz. „Es stehen konkrete Projekte und Produkte dahinter.“ Beispielsweise berät Festo als Mitglied der Plattform Industrie 4.0 die Bundesregierung, entwickelt Aus- und Weiterbildungskonzepte sowie Qualifizierungsmaßnahmen für neue Berufsbilder. Zudem erforscht das Unternehmen wahrhaft Visionäres im Bionic Learning Network mit autonomen und sich selbst steuernden Systemen, wie den BionicAnts, oder Prototypen von interaktiven, kollaborativen, pneumatischen 7-Achs-Robotern, den BionicCobot.
Industrie-4.0-Produkte
Der Automatisierer hat schon jetzt einige reale Produkte der Automatisierungstechnik im Programm, die durchaus die Schwelle zur vierten industriellen Revolution überschritten haben: integrierte Antriebspakete, modulare Ventilinseln mit OPC-UA-Schnittstellen und IOT-Gateways, dezentrale Codesys-Steuerungen und autarke mechatronische Subsysteme in IP20 oder IP65. Hinzu kommen Apps und Cloud-Konzepte.
„Die meiste Strahlkraft hat aber die Top-Innovation der Pneumatik: das Festo Motion Terminal“, betont Klotz. Das Festo Motion Terminal ist die erste Automatisierungsplattform, das als Cyber-Physikalisches-System aufgebaut ist und bis zu 50 pneumatische Einzelfunktionen ersetzt.
„Im Vergleich zu Beratungsfirmen haben wir bei Festo den Vorteil, jede Menge Anwenderwissen aus eigenen Pilotprojekten unserer Fertigung in der Technologiefabrik in Ostfildern-Scharnhausen zu generieren“, erläutert der Automatisierungsexperte. Dazu gehören Themen wie Energiemanagement und -optimierung sowie innovative One-piece-flow-Konzepte dank standardisierter Vernetzung, mobile Instandhaltung mittels Tablet-Computern oder automatisierte, flexible Prüfsysteme, die in der Lage sind sich auf individuelle Produkte einzustellen.
Eigene Fabrik für Pilotprojekte
Das neue Fabrikgebäude von Festo in Ostfildern-Scharnhausen ist so konzipiert, dass es die höchsten Energiestandards erfüllt: Es erhielt daher beispielsweise Solaranlagen und folgt Wärmerückgewinnungskonzepte. Ziel war zudem, die Verbrauchs- und Energiedaten aller Maschinen einfach vergleich- und vernetzbar zu machen. „Daher hat Festo diese mit dem Kommunikationsstandard OPC-UA ausgestattet und ein Konzept umgesetzt, mit dem unser Unternehmen ein Drittel der Energie im Vergleich zur alten Fabrik in Esslingen-Berkheim einspart“, erläutert Klotz.
Festo stattete die neue Technologiefabrik mit deutlich flexibleren Maschinen und Anlagen aus, die sich am Konzept der SmartFactoryKL orientiert. Ergebnis: Chargenwechsel von nur noch 13 Sekunden im Vergleich zu den vorher eingesetzten Maschinen und Anlagen, die eine halbe bis zu mehreren Stunden in Anspruch nahmen. Das gilt auch für den Tausch einzelner Stationen und modularer Zellen, was jetzt an einem Nachmittag statt in mehreren Wochen oder Monaten durchgeführt werden kann oder sogar der Umzug einer Anlage an einen neuen Standort, welcher in nur drei Tagen statt in drei Wochen abgewickelt werden kann.
Totale Vernetzung
Als Basis eines optimierten Kanban- und One-piece-flow-Konzepts hat Festo viele Maschinen mit OPC-UA nachgerüstet. Fällt in einer mehrstufigen Produktionskette eine Ressource aus und führt zu niedriger Fertigungskapazität, werden alle vorgelagerten Prozessschritte automatisch heruntergeregelt und auf diesen Bottleneck hin optimiert. „Das vermeidet Pufferlager, die sonst für teures Geld in der Nachtschicht oder am Wochenende abgearbeitet werden müssen“ erklärt der Automatisierungsexperte. Zudem lassen sich andere wichtige Fertigungsaufträge vorziehen, die einfacher umsetzbar sind.
„Die Einführung von Tablet-Computern in der Instandhaltung entpuppte sich als halber Geniestreich“, kommentiert Klotz: Nicht nur die Gesamtanlageneffektivität, der OEE, aller Produktionsanlagen ist gestiegen, auch die Mitarbeiter zeigen sich motivierter. Die Vernetzung optimiert in Zukunft die Wertschöpfung mit einem Return-On-Invest von weniger als sechs Monaten.
Im Einsatz bei Kunden
Auch Kundenanwendungen im In- und Ausland zeigen das Innovationspotenzial von Industrie 4.0 weltweit. Beispielsweise bauen einige Anwender konsequent auf modulare Maschinenkonzepte nach dem Industrie-4.0-Ansatz für die Automobilindustrie und sparen sechs Wochen vom Angebot bis zu Auslieferung. Dabei nutzen einige auch IP65-Steuerungen zur Automation ganz ohne Schaltschrank, um die Anlagen günstiger und schneller anbieten zu können.
Weitere Anwender lösen aufwändige FDA-Zulassungen mit dem Festo Motion Terminal und vermeiden damit Chargenwechsel und Formatverstellungen mittels manueller Drosseln. Wieder andere erwägen, über cloudbasierte Konzepte Teile der präventiven Instandhaltung und des Ersatzteilgeschäfts an Festo zu delegieren, und sich im Sinne eines Lean-Management-Ansatzes auf Ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren – und dafür aber auch ein neues Preismodell zu finden.
Fazit
Die Industrie 4.0 zu begreifen und dann die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, das aktuelle Gebot der Stunde. Gespräche mit Experten wie Eberhard Klotz können dabei helfen, für das jeweilige Unternehmen den richtigen Weg ins Industrie-4.0-Zeitalter zu finden. jbi
Autor: Christopher Haug ist Manager Internationale Fachpresse bei Festo in Esslingen.
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