17.08.2023 – Kategorie: Digitalisierung

Industrial 5G: Die Zukunft einer effizienteren Intralogistik

Industrial 5GQuelle: Siemens AG

Die Siemens-Produktionsstätte Manufacturing Karlsruhe (MF-K) steht für Industrie 4.0 im doppelten Sinne. Einerseits produziert das Werk eine große Bandbreite an Schlüsselkomponenten für automatisierte und digitalisierte Fertigungsprozesse. Gleichzeitig verfolgt das MF-K auch den Ansatz: „Wir nutzen, was wir verkaufen“. Produkte aus dem eigenen Portfolio kommen tagtäglich zum Einsatz – und beweisen, dass private Industrial-5G-Netzwerke schon jetzt Effizienz und Flexibilität erhöhen.

Heutige Fertigungsanlagen stehen unter dem Einfluss von VUCA (Vola­tility, Uncertainty, Complexity, and Ambiguity – im Deutschen: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit). Dies manifestiert sich in einer hohen Anzahl an Produktvarianten, verkürzten Entwicklungszeiten und schwankenden Bestellmengen. Der explodierende Bedarf an Vielfalt resultiert in immer kleineren Stückzahlen. Gleichzeitig gibt es eine Nachfrage für individuell angepasste hochwertige Produkte auf dem Kostenlevel der Massenproduktion. Je unberechenbarer Kundenverhalten und Lieferketten werden, desto schneller müssen Werke reagieren. Schwankungen beeinflussen insbesondere die Intralogistik, was agile Arbeitsabläufe notwendig macht. Dadurch werden Echtzeit-Informationsfluss, Flexibilität und zuverlässige Kommunikation zum Herzstück moderner Produktionsprozesse – alles ermöglicht durch Industrial 5G im MF-K.

Innovation mit Technologie und Menschen gestalten

Das MF-K befindet sich im Herzen des Siemens-Industrieparks Karlsruhe. Die gefertigte Produktpalette reicht von Automatisierungs- und Prozessleitsystemen, Ethernet Switches, industriellen Wireless- LAN-Geräten und Mobilfunkroutern bis zu industriellen PCs. Das Fertigungskonzept mit einer Matrix-Produktion basiert auf agilen und digitalen Prozessen und wird durch modernste Technologien ermöglicht. Allerdings beruht der Erfolg von MF-K nicht allein auf Technologie. Der Hauptvorteil liegt in der nahtlosen Zusammenarbeit zwischen Menschen und digitalen Lösungen. Im Jahr 2022 erhielt das MF-K die renommierte Auszeichnung „Fabrik des Jahres 2021“. Einer der Gründe: außergewöhnliche Anpassungsfähigkeit und aktives Einbringen aller Mitarbeiter in den laufenden Transformationsprozess. Das trifft genau auf die Mission des MF-K zu: „nur durch Menschen wird unsere digi­tale Fabrik intelligent“.

Flexibilisierung der Intralogistik durch Industrial 5G

Einer der Schwerpunkte der Mensch-­Maschinen-Kollaboration im MF-K ist die Intralogistik. Für gewöhnlich stellen Shutt­les, fahrerlose Transportsysteme (FTS) oder mobile Roboter genau die benötigten Werkzeuge, Rohmaterialien und Halbzeuge für die Arbeitenden zur Verfügung – und zwar dann, wenn sie benötigt werden. Ein Kernelement der Fabrik ist die „fließende Matrix-Produktion“. Jedes Produkt lässt sich auf jedem beliebigen Modul fertigen. Für jeden Auftrag wählt das Fertigungsmanagementsystem selbstständig das nächste verfügbare Modul aus – ein Konzept, das sich bewährt hat, um Engpässe zu vermeiden, den Durchsatz zu beschleunigen und die Kundenorientierung zu erhöhen.

Mobile „Cobots“ (kollaborative Roboter) unterstützen die Intralogistik im MF-K. Sie kommunizieren drahtlos über Industrial Wireless LAN. Daher war der Einsatz von 5G hierfür ein logischer Schritt. Der Lieferprozess wurde als idealer Bereich zur Umsetzung von 5G-gesteuerten Anwendungen in einer rauen realitätsnahen Umgebung identifiziert. Die Aufgabe der autonomen mobilen Roboter (AMRs) in der Fertigung im MF-K ist es, Bauteile und Halbzeuge zum jeweils betreffenden Ort zu bringen. Dabei kommunizieren sie in einem privaten 5G-Netzwerk.

Das MF-K nimmt eine Vorreiterrolle ein, indem es ein privates 5G-Netz für die tägliche Arbeit nutzt: „Wir produzieren schon seit langer Zeit industrielle Lösungen, und wir wissen, was für die Zukunft der Indus­trie benötigt wird. Privates industrielles 5G ist ein essenzieller Bestandteil davon“, erklärt Stefan Förschner, Leiter Operations. „Viele produzierende Unternehmen erwägen den Aufbau privater industrieller 5G-Netzwerke. Wir bei Siemens glauben an den neuen Kommunikationsstandard und haben dessen Standardisierung und industrielle Umsetzung durch die Entwicklung eines entsprechenden Portfolios ­unterstützt. Hier im MF-K produzieren wir bereits 5G-Router und nutzen auch die private 5G-Infrastruktur in einem sehr frühen Stadium“, ergänzt Stefan Förschner.

„Unser privates 5G-Netz erlaubt uns einen reibungslosen Betrieb der AMRs. Das MF-K hat hohe Anforderungen an Qualität und Produktivität. Die Nutzung eines privaten industriellen 5G-Netzes unter solch anspruchsvollen Bedingungen ist eine hervorragende Referenz auf dem Weg zu breiteren Anwendungen für verschiedenste Branchen. Und natürlich planen wir auch die Zahl unserer AMRs, die in Zukunft ausschließlich mit Industrial 5G arbeiten werden, zu erweitern“, so Uwe Bollinger, IT-Infrastruktur- & IT-Sicherheitsmanager.

Industrial 5G
Wickie“, einer der mobilen Cobots (kollaborative Roboter) im MF-K, liefert Halbzeuge – und zwar genau dann, wenn sie benötigt werden. Bild: Siemens AG

Arbeiten mit privatem Industrial 5G – Vorteile eines Campusnetzes

Im MF-K kommt ein privates 5G-Netz zum Einsatz – lokal an einem definierten Ort: hier an einem Produktionsstandort. Betrieben wird es vom Nutzer mit einer eigenen 5G-Infrastruktur, und es arbeitet mit einer privaten Frequenz. Das MF-K nutzt dafür das private 5G-Spektrum von 3,7 bis 3,8 GHz, das von der deutschen Regierung bereitgestellt wurde.

Die private 5G-Infrastruktur im MF-K besteht aus einem 5G-Core und einem Radio Access Network (RAN). Sie laufen auf Siemens-Industrie-PCs (IPCs) in einem Serverraum in der Nähe der Fertigung. Ein IPC hostet den 5G-Core, der das gesamte 5G-Netz inklusive RAN verwaltet. Dieses wird auf dem zweiten IPC gehostet und besteht aus einer softwarebasierten Central Unit (CU), die das drahtlose Netzwerk verwaltet, und der Distributed Unit (DU), die das Ethernet in digitale Funksignale übersetzt. Die Radio Units (RU) – ebenfalls Bestandteile des RAN – stellen das Funksignal in der Fertigung bereit. Sie sind über Glasfaser mit der DU verbunden und hängen an der Decke im Fertigungsbereich. Sie sorgen für eine gleichmäßige Übertragung und Verteilung des 5G-Signals. Jeder AMR ist mit einem 5G-Router von Siemens ausgestattet, dem Scalance MUM856-1, der ihn mit dem 5G-Netzwerk verbindet. Das Gerät hat man deshalb ausgewählt, weil es die Schutzart IP65 bietet und sich ohne zusätzliches Gehäuse direkt am AMR befestigen lässt.

„Unser privates 5G-Netz mit unserer privaten Frequenz gibt uns die Möglichkeit, AMRs reibungslos und ohne Störungen durch andere Nutzer zu betreiben. So können wir sicherstellen, dass betriebskritische oder sicherheitsrelevante Applikationen ohne Probleme ablaufen“, sagt Uwe Bollinger.

Härtetest mit Bravour bestanden

Siemens entwickelt ein vollständiges privates Industrial-5G-Ökosystem, bestehend aus einer privaten 5G-Infrastruktur und Endgeräten. Der Einsatz im MF-K ist ein erster Härtetest der Lösung in einer echten Produktionsanlage. „Und es funktioniert ausgezeichnet“, sagt Stefan Förschner.

Produktionsunternehmen können in den unterschiedlichsten Bereichen von Industrial 5G profitieren. Mit seinen Eigenschaften wird Industrial 5G die Art und Weise verändern, wie Unternehmen Entscheidungen treffen, Produkte herstellen und Fabriken instandhalten. Dank Industrial 5G können Unternehmen ihre Effizienz und Produktivität weiter steigern – wie es die reale Anwendung im Werk MF-K bewiesen hat.

Die Autorin Iwona Baranska ist Head of Marketing Industrial Wireless Communication bei Siemens.


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