22.03.2022 – Kategorie: Produktionsprozesse
HyperMill: So gelingt die Nachbearbeitung additiv erzeugter Metallbauteile
Die meisten additiv erzeugten Metallbauteile müssen nach dem Druck zerspanend bearbeitet werden. Für die Nachbearbeitung ist eine zuverlässige CAM-Programmierung erforderlich. Parare setzt hier auf das CAD/CAM-System HyperMill von Open Mind.
HyperMill in der Praxis: Die additive Metallverarbeitung hat sich in den letzten Jahren zu einem industriell genutzten Fertigungsverfahren entwickelt. Insbesondere pulverbett-basierte Metall-Laserschmelzverfahren überzeugen, da sie ein sehr homogenes, nahezu porenfreies Gefüge erzeugen mit einer Dichte größer 99,8 Prozent. Sven Skerbis, Additive Manufacturing Engineer und Geschäftsführer der Parare GmbH in Frickenhausen, erklärt die daraus resultierenden Vorteile: „Unsere Bauteile, die wir mit der Selective-Laser-Melting-Technologie erzeugen, sind im Schnitt um 20 bis 30 Prozent mechanisch belastbarer als beispielsweise Aluminiumdruckgussteile, die Lunker enthalten können.“
Protoytypen und Kleinserien
Die Parare GmbH, die Sven Skerbis 2017 gemeinsam mit seinem Partner Matthias Bath gründete, ist ein Fertigungsdienstleister, der sich auf den industriellen 3D-Druck in Metall und Kunststoff spezialisiert hat. Die beiden Wirtschaftsingenieure hatten schon während ihres Studiums die Potenziale dieser Technologie erkannt: Da es sich beim 3D-Druck um ein direktes Herstellungsverfahren auf Basis von CAD-Daten handelt, werden zur Bauteilgenerierung keine Werkzeuge, keine Formen und auch keine CAM-Programmierungen benötigt. Allerdings kann die Produktion von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen dauern – je nach Werkstoff und Bauteilgröße. „Je komplexer ein Bauteil ist, oder je mehr konventionelle Fertigungsschritte hintereinander erforderlich sind, umso mehr lohnt sich der 3D-Druck“, betont Sven Skerbis und fährt fort: „Denn bei additiven Verfahren hat die Komplexität kaum Einfluss auf die Kosten. Daher eignet sich unser Angebot in erster Linie für Prototypen und Kleinserien, für die ansonsten zeit- und kostenaufwändige Druckgusswerkzeuge gebaut werden müssten. Auch für Ersatzteile in kleinen Stückzahlen bietet sich der 3D-Druck an.“
Den Kunden an die Hand nehmen
Der Name „Parare“ – was aus dem Lateinischen frei übersetzt „an die Hand nehmen“ heißt – ist für Skerbis und Bath Programm: „Das bedeutet, wir transferieren unser Wissen zu den Kunden und zeigen ihnen, wo der Einsatz des 3D-Drucks sinnvoll ist. Wir liefern Unterstützung im Bereich Konstruktion, bei der Topologie-Optimierung und erzeugen schließlich die Bauteile. Wir übernehmen die Nachbearbeitung und liefern das komplett fertige Produkt.“
Bei den Pulverwerkstoffen für das Selective Laser Melting handelt es sich um klassische Legierungen aus Edelstahl, Werkzeugstahl, Titan, Aluminium oder auf Nickelbasis. Da der Laser Schicht für Schicht aufschmilzt, erfordern die Bauteile zusätzliche Strukturen, die Bereiche stützen, die sich im Pulver nicht tragen können, zum Beispiel Wände mit mehr als 45 Grad Neigung. Diese Stützen muss man im Nachhinein wieder entfernen. Zudem sind für Funktions- und Dichtflächen, Passungen und Gewinde partiell weitere zerspanende Nachbearbeitungen erforderlich, um die notwendige Präzision und Oberflächenqualität zu gewährleisten.
Wichtige Schnittstelle zur Nachbearbeitung
Diesen letzten Schritt zum fertigen Bauteil hatte Parare anfangs externen Partnern überlassen. „Die Erfahrung hat uns gezeigt, dass die Schnittstelle zur zerspanenden Nachbearbeitung sehr kritisch ist“, erwähnt Sven Skerbis. „Wenn derjenige, der das Bauteil programmiert beziehungsweise bearbeitet, nicht selbst die Rohdaten für den 3D-Druck erstellt hat, führt das oft zu langen Bearbeitungszeiten und im schlimmsten Fall zu Fehlern. Ausschuss produzieren, kostet an dieser Stelle richtig viel Geld.“
Daher verfolgten die Verantwortlichen bei Parare Anfang 2019 den Plan, die Nachbearbeitung selbst zu übernehmen. Sie machten sich auf die Suche nach einem passenden Mitarbeiter, einem leistungsstarken 5-Achs-Bearbeitungszentrum und geeigneter CAD/CAM-Software. In Michael Meyer fanden sie einen Zerspanungsprofi, der zudem mehr als zehn Jahre Erfahrung mit verschiedenen CAD/CAM-Systemen vorweisen konnte. Die Maschinenwahl fiel auf eine Hermle C30 U. Beim CAD/CAM-System kam HyperMill von der Open Mind Technologies zum Zug.
Michael Meyer, der jetzt den Bereich Programmierung und zerspanende Fertigung verantwortet, ist von HyperMill und dem integrierten „CAD für CAM“-System HyperCAD-S voll überzeugt: „Ich arbeite schon über zehn Jahre mit dieser Software, und ich kenne keine andere, die es hinsichtlich 5-Achs-Bearbeitung mit HyperMill aufnehmen kann. Außerdem kann man mit HyperCAD-S ganz unkompliziert die gelieferten 3D-CAD-Daten um geometrische Körper und Flächen ergänzen oder fehlerhafte Flächen reparieren.“ HyperCAD-S ist ein integriertes „CAD für CAM“-System, das Open Mind speziell für CAM-Programmierer entwickelt hat, um die Abläufe beim NC-Programmieren zu beschleunigen.
Mit HyperCAD-S zum druckfähigen Bauteil
In der Regel bekommt Parare vom Kunden 3D-CAD-Fertigteildaten geliefert. Da sich diese noch nicht für den 3D-Druck eignen, werden sie zunächst in HyperMill transferiert und mittels HyperCAD-S aufbereitet. Michael Meyer kontrolliert die Flächen, bessert nach und ergänzt Stützstrukturen sowie erforderliche Spannlaschen. An Stellen, die nachbearbeitet werden müssen, legt er das erforderliche Aufmaß fest, um später optimal fräsen zu können. Die Datei spielt er dann zurück ins Konstruktions-CAD-System, von wo aus es als STL-Datei für den SLM-Prozess ausgegeben wird.
„Durch diese Vorarbeiten weiß ich genau, wo meine Bezugspunkte sind“, erklärt Michael Meyer. „Bei Bedarf könnte ich sogar einen kleinen Zylinder als Bezug ergänzen, den ich dann in der Maschine antaste, um das Bauteil im Raum auszurichten. So ist gewährleistet, dass das Rohteil exakt so auf dem Maschinentisch aufgespannt ist, wie in der CAM-Programmierung vorgesehen. Das sorgt bei der Zerspanung für große Sicherheit.“
Die richtige 5-Achsstrategie für jeden Einsatzfall
Michael Meyers Begeisterung bezieht sich nicht nur auf den CAD-Part in HyperMill, sondern auch auf die CAM-Programmierung selbst. Die im 3D-Druck erzeugten Strukturen sind oft sehr komplex und nur fünfachsig zu bearbeiten. „Gerade darin liegt eine große Stärke von HyperMill. Für das fünfachsige Fräsen sind zahlreiche Anstellstrategien vorhanden, so dass man für jede Geometrie, jeden Werkstoff und jede Maschinenkinematik die passende Lösung wählen kann“, urteilt der Fertigungsleiter. „Inconel zum Beispiel muss zwingend radial bearbeitet werden, was teilweise nur fünfachsig möglich ist. Bei einer Stirnbearbeitung würden die Fräser sehr schnell verschleißen. Bei aktuellen Bauteilen konnten wir immense Werkzeugkosten einsparen, weil wir alles im Fünfachswalzen hergestellt haben. Bearbeitungszyklen wie Fünfachswalzen oder Fünfachsnachbearbeitung unterstützt HyperMill sehr gut.“
Bei diesem Projekt spielte auch HyperCAD-S eine wichtige Rolle. Denn Parare wollte die komplexe Bauteilgeometrie ohne zusätzliche Spannlaschen drucken. So nutzte Michael Meyer die Funktion „Boolesche Differenz“, um für die Nachbearbeitung eine Negativvorrichtung zu generieren, in die das Bauteil eingelegt wurde. Sein Urteil: „Das hat hervorragend funktioniert.“
hyperMILL: Kurze Programmierzeiten durch Feature- und Makrotechnologie
„Was mir persönlich bei HyperMill sehr gefällt, ist das Thema Makroprogrammierung“, erwähnt Michael Meyer. Mit der Feature- und Makrotechnologie und damit verbundenen Prozess- und Makrodatenbanken bietet HyperMill eine tragfähige Basis, um die Programmierung zu automatisieren. „Dadurch sparen wir bereits beim Programmieren eine Menge Zeit“, ergänzt Geschäftsführer Skerbis. „Das gilt nicht nur für die Nachbearbeitung, sondern auch für andere komplexe Frästeile, die zunehmend bei uns nachgefragt werden.“
Bei der Arbeit mit Features und Makros legt der Anwender Werkzeuge fest, von denen er weiß, dass sie sich für die jeweilige Bearbeitung optimal eignen. Für Michael Meyer ist daher eine gut gepflegte Werkzeugdatenbank das A und O einer effizienten Programmierung und prozesssicheren Zerspanung. „In unserer täglichen Arbeit – heute dieses Teil und morgen jenes – brauchen wir eine verlässliche Datenbasis. HyperMill bietet hier eine sehr tragfähige Grundlage.“
Verlässlich muss auch das Bearbeitungszentrum sein, auf dem bei Parare sowohl Schlicht- als auch Schrupp-Prozesse laufen. „Unsere Hermle C30 U erfüllt unsere Wünsche perfekt“, attestiert der Zerspanungsfachmann. „Sie ist flexibel einsetzbar, sehr präzise und steif, was für die Schruppbearbeitung wichtig ist.“ Zur Programmierung der Vorbearbeitung nutzt er unter anderem das Schruppmodul des Performance-Pakets HyperMill Maxx Machining, das Lösungen für das High-Performance-Cutting (HPC) mit spiralförmigen und trochoidalen Werkzeugbewegungen bietet. Das Paket vereint optimale Fräswege, maximalen Materialabtrag und kurze Fertigungszeiten. Michael Meyer resümiert: „Es macht richtig Spaß, der Maschine zuzusehen, wie sie damit Späne produziert.“
Der Autor Wolfgang Klingauf ist Fachjournalist und Geschäftsführer der PR-Agentur k+k-PR in Augsburg.
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