01.12.2021 – Kategorie: Fertigungs-IT
Hybride Architektur: Das ist die Zukunft der Cloud
Einige IT-Leiter und Fachabteilungen haben in den letzten Jahren viel Herzblut in die Implementierung eines On-Premise MES gesteckt. Das soll jetzt schon veraltet sein? Warum eine hybride Architektur der Startpunkt für eine langfristige Strategie sein kann.
Hybride Architektur: Wer sich in den letzten Jahren ein zentrales MES aufgebaut hat und damit viele der „historisch gewachsenen“ Strukturen ablösen konnte, hat dafür sicherlich viel Zeit und Geld investiert. Dennoch haben sich die Anforderungen an die Fertigung immer weiter gesteigert:
- Kürzere Durchlaufzeiten
- Ausschuss reduzieren
- Forderung nach immer weniger Stillständen
- Verbesserte Transparenz durch OEE und über Werke hinweg
- Nutzung von Shop-Floor-Daten für erhöhte Outputs
- Losgröße 1
- Nachhaltigkeit
An der Cloud geht es nicht vorbei: Die hybride Architektur
Auf die Frage, wie diese Ziele in Zukunft erreicht werden sollen, spielen die führenden Beratungshäuser und Softwareanbieter dieselbe Melodie: Es geht nicht ohne Cloud! Auch eine Studie von LNS Research zeigt, dass 41 Prozent der produzierenden Unternehmen an die Notwendigkeit einer digitalen Transformation glauben, um in den nächsten drei bis fünf Jahren noch relevant am Markt bleiben zu können.
Über das Optimum hinaus
Warum ist das so? In vielen produzierenden Unternehmen wurden die Grenzen des Möglichen im Bereich der linearen Effizienzsteigerung so gut wie ausgeschöpft. An allen offensichtlichen Stellschrauben wurde bereits so lange gedreht, dass weitere Verbesserungen kaum möglich scheinen.
Um die nächste Stufe der Effizienz zu erreichen, braucht es fortgeschrittene Technologien wie Machine Learning und Analytics-Werkzeuge, die über das für den Menschen erkennbare hinaus gehen und neue Potenziale aufdecken können. Dann sind auf einmal wieder 30, 50 oder sogar 70 Prozent Effizienzsteigerung möglich.
Auch die großen Anbieter von Business-Applikationen, wie SAP fahren die Strategie, ihre Innovationen zuerst in ihren Cloud-Produkten verfügbar zu machen. Einmal pro Quartal werden neue Funktionen in die Wolke gespielt und sind sofort, ohne Installation und Wartungsintervall bereit zur Anwendung. Erst im Nachhinein – wenn überhaupt – werden sie in der On-Premise-Version nutzbar gemacht.
Die Schlussfolgerung aus dem bereits Gesagten ist, dass kein Weg um Cloud-Dienste herumführt, sofern die Prophezeiungen von Marktteilnehmern und Marktforschern eintreffen, was sehr wahrscheinlich ist. Sollen deswegen alle jetzigen Systeme rausgeschmissen werden? Die Antwort ist: „Nein“.
Allerdings ist dafür eine klare Cloud-Strategie notwendig, die ab sofort greift und langfristig ausgerichtet ist. Dabei ist es nicht zwingend notwendig zu 100 Prozent auf die Cloud zu setzen, was in den meisten Fällen ja ohnehin nicht praktikabel ist. Daher empfehlen wir mit einer hybriden Architektur zu starten, die schon jetzt Vorteile aus der Cloud für die bestehende Systemlandschaft verfügbar macht.
Hybride Architektur – nichts neues
Eigentlich ist eine hybride Architektur nichts neues. Eine Hybrid Cloud bedeutet nämlich nur, dass ein Unternehmen einen Teil seiner IT-Ressourcen On-Premise, also lokal betreibt, während ein anderer Teil in der Cloud läuft. Wenn Office 365 im Unternehmen läuft, dann hat es bereits erste Erfahrung mit einer hybriden Architektur. Im Bereich der Manufacturing Execution Systems könnte ein Modell so aussehen, den operativen Teil On-Premise zu belassen, aber Analyse- und Optimierungslösungen in der Cloud zu fahren.
Aller Anfang ist schwer?
Es ist sicherlich keine gute Idee, seine Systeme an den produktionskritischen Stellen lahmzulegen und munter drauflos zu experimentieren. Genau deswegen sollte zu Beginn an einer Linie ein Proof of Concept gestartet werden, der geeignet ist, schnell Erfahrungen zu sammeln, aber auch echte Mehrwerte für das Unternehmen produziert. Außerdem ist es ratsam, sich nicht völlig allein auf die Reise zu begeben. Ein Ökosystem aus starken und agilen Partnern ist eine der Schlüsselkomponenten für eine schnelle und erfolgreiche Projektumsetzung.
Beispiel: Qualitätskontrolle
Als Beispiel dient eine End-of-Line-Qualitätskontrolle, die dank Künstlicher Intelligenz zuverlässiger und effizienter wurde (siehe Grafik).
Der Clou ist, dass sich der eigentliche Produktionsablauf nicht ändern muss, nur der kritische End-of-Line-Test wurde mit aktuellen Cloud-Diensten verbessert. Der Prüfer nutzt spezialisierte Sensorik, um Vibrations- und Geräuschdaten vom Prüfplatz einzufangen und in Bilddaten umzuwandeln.
Diese Daten werden zunächst vom MES empfangen und per IoT-Gateway in die Cloud hochgeladen, wo die Daten gesammelt werden (Data Lake). Ein Machine Learning Service aus der Google Cloud greift zyklisch auf diese Daten zu und trainiert damit ein Predictive-Quality-Modell. Dieses Modell wird nach jedem Trainingslauf auf eine Edge-Applikation, also sehr nah am Shop Floor, zur Verfügung gestellt. Einem Prüfer wird nun in Echtzeit eine Entscheidung für OK oder Nicht-OK geliefert und seine Arbeit wird um ein Vielfaches erleichtert.
Vorteile von Hybrid-Lösungen
Der entscheidende Vorteil an der Herangehensweise aus dem Beispiel ist zum einen der schnelle Umsetzungs-Erfolg auf dem Shop Floor selbst, welches nun einfach und skalierbar mehreren Linien ausgerollt werden kann. Zum anderen ist das gewonnene Know-how wertvoll, welche Services funktionieren und wie der Shop Floor an die Cloud angebunden werden. Dieses Wissen ist nun langfristig für weitere Innovationen im Unternehmen vorhanden.
Zusammenfassend ist eine hybride Architektur ein ausgezeichneter Startpunkt, um die ersten Schritte in Richtung Cloud zu gehen. Auch wenn der beste Zeitpunkt, um in die Cloud zu starten sicherlich schon ein paar Jahre zurückliegt, ist der zweitbeste Zeitpunkt heute. Ab jetzt gilt mit starken Partnern zu lernen, ein Ökosystem aufzubauen und eine hybride Architektur als Sprungbrett in eine langfristige Cloud-Strategie zu nutzen.
Der Autor Marius Palass ist Consultant Digitalisierung und IoT bei Trebing+Himstedt.
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