09.02.2023 – Kategorie: Produktionsprozesse
Green Factory: Schritt für Schritt zur mehr Nachhaltigkeit
Die angespannte Weltwirtschaftslage und die Notwendigkeit, Maßnahmen zum Klima- und Ressourcenschutz zu ergreifen, setzen produzierende Unternehmen unter Druck. Es gilt, die eigene Fertigung resilienter zu machen und gleichzeitig die Treibhausgasemissionen und den Ressourcenverbrauch zu senken. Gelingen kann das durch eine ganzheitliche Digitalisierung. Aber wo anfangen?
Mithilfe des technischen Fortschritts konnte die produzierende Industrie den Ausstoß von Treibhausgasen zwischen 1995 und 2019 um 23,6 Prozent senken. Um Deutschlands Klimaziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 zu erreichen, bedarf es weiterer Anstrengungen. Digitale Technologien können helfen, die Emissionen und den Ressourcenverbrauch weiter zu reduzieren und Unternehmen gleichzeitig resilienter gegenüber neuen Herausforderungen zu machen. Doch in puncto Digitalisierung stehen viele Unternehmen vor der Frage: Wo fangen wir an auf dem Weg zur Green Factory?
Ist eine komplett vernetzte Fabrik möglich?
Lange Zeit war das Projekt „Digitale Fabrik“ überwiegend denjenigen Konzernen vorbehalten, die die nötigen Kapazitäten und Ressourcen aufwenden konnten. Mittlerweile haben sich Technologien und der Zugang zu Softwareangeboten gewandelt, so dass auch Mittelständlern die Möglichkeiten der digitalen Fabrik offenstehen – Stichwort Cloud. Was zu Beginn abstrakt und kompliziert erscheint, ist in der Praxis simpel: In einer „Smart Factory“ sollen alle beteiligten Maschinen, Menschen, Werkzeuge und Ressourcen im Endergebnis, basierend auf einem virtuellen Modell, real vernetzt sein und miteinander kommunizieren. Die Kernfrage lautet: Wie lassen sich Prozesse in der Fertigung durch den Einsatz von Software unterstützen und optimieren?
In kleinen Schritten zur Green Factory
Um die eigene Fertigung fit für die Zukunft zu machen, ist es nicht notwendig, die gesamte Fabrik in einem Zug zu digitalisieren. Zielführender ist es, schrittweise vorzugehen und drängende Bereiche zu priorisieren. Einen konkreten Startpunkt definieren Unternehmen individuell entlang der gesamten Wertschöpfungskette: Für Firma A kann das die Verzahnung von Konstruktion und Produktion sein, Firma B möchte die Zusammenarbeit mit Zulieferern optimieren, während Firma C eine neue Fertigungslinie am 3D-Modell plant. In der grünen Fabrik liegt der Fokus darauf, den Ressourcenverbrauch zu minimieren, indem nur notwendige Ressourcen beschafft und verwendet werden. Zudem gilt es, die optimale Auslastung der Maschinen zu gewährleisten. Das zahlt gleichzeitig auf die Energiebilanz ein, die sich durch eine effizientere Fertigung, die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die Weiternutzung von Abwärme optimieren lässt. Beide Konzepte lassen sich miteinander kombinieren und bedingen sich gegenseitig.
Der Idealfall: Fabrikhallen virtuell planen
Im Idealfall berücksichtigen Unternehmen Umwelt- und Klimastandards bereits bei der Planung einer Fertigungslinie. Anhand von 3D-Modellen können Fabrikhallen zunächst virtuell geplant werden, ehe neue, kostenintensive Fertigungslinien tatsächlich angeschafft werden. So ist es Architekten und Fabrikplanern nicht nur möglich sicherzustellen, dass die Maschinen im Layout Platz finden und optimal positioniert sind, sondern auch, ob gewisse Umweltstandards erfüllt werden. Doch auch bestehende Prozesse und Fertigungsschritte lassen sich mittels punktuell eingesetzter digitaler Technologien transformieren und nachhaltiger gestalten.
Beispiel: Nachhaltige Produkte aus der Green Factory
Ein Treiber für Nachhaltigkeitsinitiativen sind die Erwartungen von Verbrauchern und Politik an klimafreundliche Produkte. Das schlägt sich bei der Herstellung insbesondere in der Wahl der verwendeten Materialien nieder. Nachhaltigkeitsziele können durch den Einsatz entsprechender Softwaretools in einer frühen Phase der Entwicklung berücksichtigt werden. Im Designprozess lassen sich Informationen darüber anzeigen, welche Bauteile in der Konstruktion und im Betrieb den größten CO2-Ausstoß verursachen. Auf Basis dieser Daten ist es dann möglich, Änderungen am Produkt vorzunehmen, beispielsweise ein umweltfreundlicheres Material zu wählen. Die neue Softwarelösung „Sustainable Innovation Intelligence“ von Dassault Systèmes ist eine der Möglichkeiten, um Unternehmen zu unterstützen, Umweltauswirkungen zu minimieren und die Kreislaufwirtschaft zu fördern.
Beispiel: Nachhaltige Unternehmen
Neben nachhaltigen Endprodukten legen viele Unternehmen großen Wert darauf, bei der Fertigung so umweltfreundlich wie möglich zu handeln. Im Fokus steht nicht nur der CO2-Ausstoß, sondern auch der Energieverbrauch. Mit der Unterstützung von Software können Unternehmen simulieren, wie sich Materialänderungen bei Produkten oder Bauteilen auf das Gewicht und den Energieverbrauch von Maschinen auswirken. Der folgerichtige Schritt in der grünen Fabrik ist daher ein virtueller Zwilling von Fabrik und Produkten. Auch das Prinzip der Kreislaufwirtschaft spielt eine entscheidende Rolle: Beispielsweise lässt sich simulieren, welche Möglichkeiten für Produkte am Ende des Lebenszyklus (Recycling oder Weiterverwendung) entstehen. So können spätere Prozesszeiten und Investitionen frühzeitig einkalkuliert werden.
Beispiel: Nachhaltiges Wirtschaften
Dieser Punkt betrifft nachhaltige Geschäftsaktivitäten im Sinne von Maßnahmen, die Unternehmen resilienter, wettbewerbsfähiger und wirtschaftlicher machen – auch „Business Sustainability“ genannt. Der Fokus liegt hier auf cloudbasiertem Arbeiten, digitalen Geschäftsmodellen und flexiblen Arbeitsweisen. Ein weiterer Aspekt ist das Lebenszyklusmanagement der Maschinen. Digitale Lösungen wie die 3D-Experience-Plattform sorgen für Transparenz über alle Vorgänge in der Fabrik und geben Aufschluss über den Betriebsstatus, Zustand und die Abnutzung der Geräte. Voraussetzung für den Einsatz in der Praxis ist die entsprechende Datenbasis.
Aus der Praxis der Green Factory: Ein zweites Leben für Stahlstangen
Nachhaltigkeit ist die Hauptantriebskraft in der Produktentwicklung des Möbelherstellers Kindof, der moderne Einrichtungsstücke aus recycelten und lackierten Stahlstangen anbietet. Das Unternehmen nutzt die 3D-Experience-Plattform und die webbasierten Applikationen Catia und 3D-Excite, um hochauflösende 3D-Renderings der Produkte zu generieren. Diese werden anschließend hinsichtlich Farbe und Hintergrund beliebig für die Kundenpräsentation angepasst. Dadurch kann Kindof die Fertigung von physischen Modellen auf ein Minimum reduzieren und Produktionskosten und Ressourcen einsparen.
Fazit: Digitalisierung ist jetzt
Die aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage verdeutlicht, dass Unternehmen jetzt handeln und die Digitalisierung anstoßen sollten, um langfristig am Markt erfolgreich zu bleiben und einen Beitrag zum Erreichen übergeordneter Klimaziele zu leisten. Die Idee einer smarten, grünen Fabrik, mit einer Vielzahl digitaler Technologien, stellt ein zukunftsweisendes und nachhaltiges Industriemodell dar. Dieses bietet Unternehmen die notwendige Flexibilität, um aktuelle und künftige Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
Der Autor Björn Manderbach ist Director Delmia Industry Consulting bei Dassault Systèmes.
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