02.02.2022 – Kategorie: Fertigungs-IT

Fertigungsplanung: Welche Rolle spielt KI?

FertigungsplanungQuelle: Vacom

Kapazitäten, Qualifikationen, Rüstzeiten und vieles mehr: Der Fertigungsplaner berücksichtigt bei der Auftragsplanung eine Vielzahl von Variablen. Dabei ist das Ergebnis nie perfekt. Was bringt der Einsatz von KI?

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) setzt in vielen Bereichen neue Potentiale frei. Warum sie also nicht auch in der Fertigungsplanung anwenden? Ein Blick in die Praxis zeigt: „KI – übernehmen Sie!“ ist keine fixe Idee mehr, sondern reif für den Produktionsalltag.

Aus Tradition anders

Die Vacom Vakuum Komponenten & Messtechnik GmbH wurde 1992 in Jena gegründet. Die Spezialität sind Vakuumkammern sowie entsprechende Sonderbauteile für Anwendungen im Hochvakuumbereich nach Kundenwunsch. Im Gegensatz zu Unternehmen, die große Stückzahlen ein und desselben Artikels in Serie fertigen, gleicht hier kaum ein Produkt dem anderen. Es gibt keine Durchgängigkeit wie beim Spritzguss.

Michael Wetzel-Staar, Fertigungsleiter bei Vacom, erläutert: „Wir haben nicht 1.000 Aufträge mit dem gleichen Ablauf. Wir haben 1.000 Aufträge, die alle einen unterschiedlichen Ablauf haben und bei denen sich die logistischen Wege X-Mal kreuzen. Manche Bauteile gehen fünf- bis zehnmal zwischen der Fräserei und der Schweißerei hin und her.“

Vacom hat bereits seit mehreren Jahren das Manufacturing-Execution-System (MES) Hydra sowie du das Advanced-Planning-and-Scheduling-System (APS) Fedra von MPDV im Einsatz. Die Implementierung der einzelnen Applikationen erfolgte seit 2015 sukzessive in mehreren Phasen.

Während das ERP üblicherweise als Leitsystem fungiert, sind bei Vacom ERP, Warehouse Management System (WMS) und MES inzwischen gleichberechtigt.

Fertigungsplanung: KI seit März 2021 live

Die Entscheidung, die bestehende Planung durch AI Planning von MPDV zu ergänzen, fiel 2020. Noch im Sommer startete die Testphase, im Herbst wurde die Planung im Produktivsystem implementiert. Anfang 2021 folgte dann ein mehrwöchiger Testzeitraum, bei dem die KI auf Herz und Nieren geprüft wurde: Alle Planungen wurden als Simulation gespeichert und genauestens begutachtet. Im März erfolgte dann der Go-live: „Man hätte es nicht schneller machen können“, resümiert Michael Wetzel-Staar. Seitdem nimmt die Künstliche Intelligenz die Planung vor.

Gerade die Tatsache der Individual- und Einzelteilfertigung macht laut Michael Wetzel-Staar, Fertigungsleiter bei Vacom, den Einsatz von KI für das Unternehmen so wichtig. Die gesamte Planungstätigkeit, die sonst mehrere Stunden täglich in Anspruch genommen hat, erledigt jetzt die Künstliche Intelligenz. „Wir nutzen die KI für die Einplanung der Aufträge und Arbeitsgänge am jeweiligen Arbeitsplatz. Davor war das Ein- und Umplanen eine rein manuelle Tätigkeit“, kommentiert Wetzel-Staar.

Sobald sich nur ein Auftrag verspätete, hieß es: Noch mal von vorn. Auch die neuen Aufträge mussten mit allen Arbeitsgängen zeitaufwendig einzeln geplant werden.

Das macht nun die Software in einem täglichen Planungslauf vollautomatisch, in den auch alle Neuaufträge einfließen. Dieser Vorgang läuft über Nacht. Dann herrscht Datenruhe und die KI kann die Planung sauber aufsetzen.

„Bei uns sind alle Systeme aufeinander abgestimmt. Wir brauchen erst den automatischen Lauf von unserem ERP-System, damit die neuen Aufträge erzeugt werden. Daraus entstehen Planaufträge, die von der Disposition umgesetzt werden. Sobald diese umgesetzt sind, stehen sie zur Einplanung in Fedra an“, erläutert Wetzel-Staar.

Fertigungsplanung
Bei Vacom sind bereits modernste Maschinen und fahrerlose Transportsysteme im Einsatz. Da war die Implementierung von KI eine logische Konsequenz. Bild: Vacom

Es geht nicht mehr anders

Bei Vacom sind etwa 1.200 Aufträge im stetigen Umlauf mit jeweils bis zu 20 Arbeitsgängen, zwei bis drei Aufträge pro Maschine pro Tag und einen Planungshorizont von sechs Monaten. Damit die Künstliche Intelligenz immer mit ausreichend Daten versorgt ist, werden die Personaleinsatzdaten für sieben Monate hinterlegt.

„Das kann kein Mensch überblicken. Deshalb brauchen wir ein System, das erkennt, was als Nächstes bearbeitet werden kann und die folgenden Arbeitsgänge automatisch einplant. Was die Produktionsmenge und die Kapazität betrifft, können wir uns ohne das System nicht mehr weiterentwickeln: Es geht nicht mehr anders“, erklärt Michael Wetzel-Staar.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Die fertige Planung wird zwar abgespeichert – aber noch nicht final übernommen: Bevor die Produktion am nächsten Morgen anläuft, schaut ein zuständiger Kollege der KI über die Schulter, in dem er die sogenannte Eskalationsliste durch geht. Er hat noch die Möglichkeit, einzugreifen. Auch wenn die KI die Ressourcen optimal und zuverlässig plant und Michael Wetzel-Staar das Vertrauen in die KI als relativ hoch bezeichnet, hinterfragen die Mitarbeiter gerade jetzt in der Anfangszeit noch, ob sich die Aufträge nicht doch vielleicht besser planen lassen – meist aber mit wenig Erfolg.

Laut Michael Wetzel-Staar liegt allein die Zeiteinsparung für die Planung bei rund 50 Prozent: „Der Kollege hat die Hälfte seiner Arbeitszeit mit der Planung verbracht, jetzt hat er genügend Zeit, Dinge im ERP glatt zu ziehen.“ Das sei unter anderem deshalb nötig, weil das ERP nicht vorsieht, dass ein anderes System die komplette Fertigungsplanung übernimmt – und zum Beispiel einen Start- oder Endtermin vorgibt. Daraus resultieren manuelle Anpassungen.

Doch auch die KI benötigt Aufmerksamkeit und Pflege. Denn sie ist nur so gut wie die Informationen, die ihr zur Verfügung stehen. Eine lückenlose Personaleinsatzplanung samt Urlaubs- und Schichtzeiten sowie möglichst genaue Annäherungswerte bei den einzelnen Arbeitsgängen zählen daher zu den Grundvoraussetzungen für ein optimales Planungsergebnis.

„Wenn es bei den Planzeiten zu Abweichungen kommt und ein Auftrag schneller fertig ist oder doch mal länger dauert, führt das zu einer falschen Planung. Da kann die KI noch so gut sein“, erläutert Wetzel-Staar.

Verbesserte Termintreue und Durchlaufzeiten

Das Hauptziel des KI-Einsatzes bei Vacom ist, die Termin- und Liefertreue zu erhöhen. Die KI ermöglicht durch die enorme Menge an Daten und deren Analyse, vorausschauender zu planen. Wahrscheinlichkeitsaussagen über Fertigungsereignisse der Zukunft werden damit immer genauer.

Weiteres Ziel ist, die Durchlaufzeiten deutlich zu verringern. Wegen der Auftragsmenge und Komplexität war es bislang schwierig, den Überblick über alle Teile und deren Status zu behalten. Mithilfe des neuen Systems sollen nun die Zeiträume, in denen ein Auftrag in der Fertigung ist, verschlankt und verkürzt werden. Das wiederum reduziert Umlaufbestände und somit gebundenes Kapital.

Blick in die Zukunft der Fertigungsplanung

Für ein Unternehmen aus dem Hochtechnologiebereich, das wie Vacom modernste Maschinen und fahrerlose Transportsysteme im Einsatz hat, war die Implementierung von KI in der Fertigungsplanung eine logische Konsequenz, um den Weg in die Zukunft weiter zu beschreiten. Auch nächste Schritte sind bereits angedacht: Damit die Künstliche Intelligenz noch exakter planen kann, sollen künftig auch die Wegezeiten berücksichtigt werden: „Das wird gerade schon umgesetzt“, erklärt Michael Wetzel-Staar. Zunächst einmal steht aber das ERP im Fokus: „Mit dem MES sind wir genau da, wo wir sein wollen. Aber das Verzahnen ist noch der Knackpunkt. Jetzt müssen wir erst mal daran arbeiten.“

Die Autorin Andrea Berneker ist Marketing Specialist Content bei MPDV.

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