27.03.2022 – Kategorie: Digitalisierung

Feinplanung: Wie Planungstools aus der Cloud nun das Ruder übernehmen

FeinplanungQuelle: Funtap/AdobeStock

Unfälle mit Containerschiffen und nicht verfügbare Computer-Chips haben zuletzt gezeigt, welche Folgen Lieferengpässe auf das Produktionsgeschäft haben können. Unternehmen können darauf nur mit kurzfristigem Umplanen der Produktionskapazitäten reagieren. Wie Einplanungswerkzeuge aus der Cloud eine flexible Produktion ermöglichen und zugleich das Einführungsrisiko minimieren.

Was bedeutet Produktionsplanung eigentlich? Es ist davon auszugehen, dass in den meisten Unternehmensbereichen von Industrieunternehmen Planungen stattfinden, deren Ergebnis Einfluss auf die Produktionsausführung in den Werken findet. Das Vorgehen und die dahinterliegenden Prozesse unterscheiden sich dabei deutlich: Angefangen von einer Grobplanung, die sich zunächst hauptsächlich auf Finanzkennzahlen und Umsätze der einzelnen Produktgruppen bezieht bis hin zur konkreten Feinplanung und Einplanung einer ganz konkreten Maschine in der nächsten Schicht mit einen tatsächlich verfügbaren Werker und seinen Werkzeugen.

Tools für die Planungsarchitektur

Jeder Planungsprozess wird von einem oder mehreren Systemen, Tools oder auch nur Excel-Tabellen unterstützt. Um die passende Software für einen konkreten Planungsprozess zu finden, bietet es sich an, dass Unternehmen in seine Prozessarchitektur zu zerlegen. Feinplanungstools, wie beispielsweise das PPDS des APOs, befinden sich nicht direkt im ERP-System, sondern müssen über eine eigene Schnittstelle (hier: die Standardschnittstelle CIF) angebunden werden. Darüber kann dann auf die für die Feinplanung wichtigen Daten, wie etwa Termine oder auch Stücklisteninformationen, zugegriffen werden. Dadurch werden Änderungen, welche direkt im ERP-System erfasst werden, direkt auch an das Feinplanungstool gemeldet. So wird dieses etwa einen Alarm auslösen, wenn ein Kunde den Wunschlieferdatum nach vorne verlegt.

Über ein eigenes Regelwerk in dem Feinplanungstool, was beispielsweise Heuristiken zur Rüstoptimierung oder auch der Losgrößenplanung beinhaltet, kann dann automatisch auf die Veränderung im ERP-System reagiert werden. Ein Ergebnis könnte dann beispielsweise sein, dass eine Verschiebung des Auftrags nach vorne nicht möglich ist, weil dann die Produktionskampagne eines Vorproduktes ineffizient verändert werden müsste. Da diese Form der Planung Informationen und Daten verschiedener Unternehmensbereiche, wie Vertrieb, Lagerhaltung und Einkauf, miteinander verbindet, spricht man auch von einer horizontalen Integration.

Feinplanung
Unterschied der Feinplanung zur Einplanung auf ERP und Shopfloor-Ebene.
Bild: Trebing + Himstedt

Tools für die Feinplanung und Schichtplanung

Einen Einblick in die gegenwärtige Situation im Werk selbst, mit all seinen Maschinen und Mitarbeitern, Werkzeugen und Beständen in den Produktionsbereichen, hat das Feinplanungstool in der Regel nicht. Eine vertikale Integration hinein in den sogenannten Shopfloor besteht nicht, was nicht als Schwäche des Systems verstanden werden sollte, sondern vielmehr dem Systemdesign entspricht.

In diesem produktionsnahen Bereich kommen Einplanungs- oder Schichtplanungstools, wie beispielsweise die SAP-Lösung REO (Ressource Orchestration) zum Einsatz. Diese Tools stehen mit den Machine Execution Systemen (MES) im direkten und ständigen Austausch, bekommen von dort automatisierte Informationen von den Maschinen selbst. So kann beispielsweise die produzierte Menge gemeldet werden, genauso wie Zeiten und die Anzahl an Fehlteilen. Künstliche Intelligenz kann über Geräusche oder Fehlermuster erkennen, dass die Maschine selbst in ein Problem hineinläuft und diese Information an das MES und damit auch an das Einplanungstool senden.

Waren die Tools für die Feinplanung immer dann stark, wenn es um die horizontale Integration zwischen den Unternehmensbereichen ging, so spielen Einplanungstools ihren Vorteil dann aus, wenn es um die vertikale Integration bis zur Maschinenebene geht: Welche Maschine läuft gerade ausgelastet und welche hat freie Kapazitäten, weil ein vorhergehender Auftrag ausgefallen ist? Welche Anlage wiederum steht gerade unerwartet, weil ein Techniker ein Software-Update einspielen muss? Welcher Mitarbeiter hat sich gerade krankgemeldet? Und welche Aufträge mit einer hohen Priorität wurden gerade eben im ERP-System für die Fertigung freigegeben?

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Die Einplanung kann per Drag & Drop in der Cloud erstellt werden. Bild: Trebing + Himstedt

Feinplanung: Gefahr erkannt – Gefahr gebannt

Die Kenntnis darüber, welches Planungstool für welche Planung das richtige ist und wie diese zusammenspielen, ist die eine Sache. Doch wie kann diese Kenntnis auch nutzbar gemacht werden? Oftmals stehen für eine derartige Implementierung langfristige und komplexe Einführungsprojekte auf dem Plan. Implementierungsprojekte wiederum bergen durchaus auch ein Projektrisiko, bei dem Einführungen scheitern, weil entweder die Funktion nicht passt oder die Anwendung von der Belegschaft schlichtweg nicht akzeptiert wird oder die Schnittstellen fehleranfällig sind.

Doch hier haben zumindest Einplanungstools einen entscheidenden Vorteil besonders gegenüber den Feinplanungstools: Sie befinden sich am Rand der Systemlandschaft und architektonisch betrachtet nicht im Zentrum der hochintegrierten ERP-Prozesse. Daher bietet sich für Einplanungstools die Einführung einer Cloud-Lösung an, wie sie beispielsweise für das erwähnte SAP REO angeboten wird. Damit werden Planungsprozesse und Systemlandschaft in erster Linie nur ergänzt, aber bestehende Prozesse dabei nicht berührt.

Die Einführung einer solchen Einplanungslösung stellt daher kaum ein Projektrisiko dar. Denn alle Prozesse würden auch dann noch wie gewohnt laufen, wenn die Lösung nicht genutzt wird. Wird sie aber genutzt, können hohe Optimierungspotentiale auf dem Kurzfristhorizont der Produktionsplanung gehoben werden: Das führt zu weniger ungeplanten Stillständen, verursacht dadurch, dass Maschinen ohne Auftrag dastehen oder ein Mitarbeiter mit passendem Werkzeug oder Qualifizierung fehlt.

Eine Cloud-Lösung bietet hier noch weitere Vorteile: Sie muss nicht installiert, gewartet oder gepatcht werden. Es ist eine Dienstleistung, die der Anbieter für seine Kunden übernimmt und deren Funktionsumfang kontinuierlich zunimmt. Daher gibt es deutlich weniger Hürden, genau jetzt zu starten.

Der Autor Stefan Kunath ist Senior Consultant bei Trebing + Himstedt.

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