15.02.2023 – Kategorie: Digitalisierung
Fabrik 4.0: Wie die Transformation gelingt
Die Fabrik 4.0 ist kein Produkt, das man kaufen kann, sondern ein Transformationsprozess. Für den erfolgreichen Weg dorthin kommt es auf kleine, aber wirkungsvolle Schritte an. Und genau das ist das Ziel des Industrienetzwerks „Im Sprint zur Fabrik 4.0“ des RKW Baden-Württemberg. Die teilnehmenden Unternehmen lernen auf den Mittelstand zugeschnittene Vorgehensweisen zur digitalen Transformation ihrer Produktion kennen. Bei Netzwerktreffen können die Teilnehmer unter anderem Industrie-4.0-Technologien im Future Work Lab testen und Best Practices bei Pionierunternehmen besichtigen.
Ein häufiger Denkfehler auf dem Weg zur Fabrik 4.0: Die digitale Transformation betrifft ausschließlich die technologische Perspektive. Aber weit gefehlt: Um die Transformation ganzheitlich angehen und erfolgreich umsetzen zu können, kommt es darauf an, alle Perspektiven in einem Zukunftsbild zusammenzuführen.
Strukturiertes Vorgehen für die Fabrik 4.0
Beim Vorgehen empfiehlt Sven Schuler aus dem Team „Produktionsmanagement“ am Fraunhofer IAO vier Schritte: Ein gemeinsames Verständnis für die Ausgangssituation schaffen, verschiedene Betrachtungspunkte diskutieren, diese in eine priorisierte Reihenfolge bringen und anschließend präzisieren. Im Netzwerk haben die Expertinnen und Experten dafür eine entsprechende Vorgehensweise für die Umsetzung vorgestellt. Dass sich der Blick über den Tellerrand hierbei lohnt, bestätigt Netzwerk-Teilnehmer Bernd Hausler, Hauptabteilungsleiter Produktion bei der ifm efector GmbH: „Der gemeinsame Arbeitskreis hat den Unternehmen ein strukturiertes Vorgehen und einen gezielten Know-how-Aufbau im Bereich digitaler Transformation ermöglicht. Die eingeführten Tools haben bei uns den Blick aufs Ganze nochmal deutlich geschärft.“
Digitalisierungsprojekte spielerisch angehen
Im Netzwerk wenden die beteiligten Industrieunternehmen methodische Vorgehensweisen an, beispielsweise den Digitalisierungsnavigator. Dieser wurde im Rahmen des Innovationsnetzwerks Produktionsarbeit 4.0 gemeinsam mit Partnerunternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen entwickelt und schon vielfach verwendet. Mit spielerischen integrativen Elementen und einem erprobten Mix aus klassischen und am Design Thinking orientierten Bestandteilen erleichtert der Navigator den Einstieg in das Digitalisierungsvorhaben; von der Analyse über die Ideengenerierung und -auswahl (Ideation) bis hin zur Umsetzungsplanung. Der Spielbrettcharakter und die Inspirationskarten beziehen alle Beteiligten in den Prozess mit ein und helfen so beim Abbau bestehender Hemmungen.
Nicht am eigenen Bedarf vorbei digitalisieren
Wenn über Produktion 4.0 gesprochen wird, haben viele Unternehmen direkt ein vorgefertigtes Bild im Kopf: Von einer smarten und digital vernetzten Fabrik mit Drohnen, die Teile durch die Gegend fliegen. Das sieht zwar schick aus, doch löst das auch die Bedürfnisse des Unternehmens? Denn ohne Bedarf gibt es auch kein Nutzen. Dafür hat das Fraunhofer IAO ein Reifegradmodell entwickelt, das in ein umfassendes und schlankes Assessment-Konzept eingebettet ist und bereits in mehreren Industrieunternehmen umgesetzt wurde. Es umfasst die Bereiche Strategie, Prozesse und Wertstrom, Organisation, Methoden und Tools sowie Personal. Über die Erstellung von konkreten Anwendungsfällen aus dem Unternehmen werden Top-Anwendungsfälle in Form von User Stories detailliert erarbeitet, deren Nutzen geprüft und anschließend im Gesamtzusammenhang eingeordnet.
Digitalisierung und Lean Management in der Fabrik 4.0
Wer sein Unternehmen digitalisieren will, muss auch neue, schlankere Prozesse einführen, um wirklich profitieren zu können – doch die konkrete Umsetzung wirft einige komplexe Fragen auf: Welche Prozesse denkt man wann neu? Inwieweit müssen die eigenen Prozesse „Lean“ sein, bevor man sich an die Digitalisierung wagt? Wie kann man die Möglichkeiten der Digitalisierung vollumfänglich nutzen und gleichzeitig die Prozesse schlank halten? Für viele Unternehmen erscheint das wie ein Henne-Ei-Problem. Diese Fragen wurden auch im Industrienetzwerk diskutiert. Das Ergebnis: Es lohnt sich, einen Rundumblick auf die Prozesse zu werfen, um die eigenen Stärken und Schwächen zu identifizieren. Hierfür empfiehlt das Team des Fraunhofer IAO das „Industrie 4.0 Reifegradmodell“, welches mit einer intensiven Wertstrom- und Informationsfluss-Analyse startet.
Smarte Wearables und digitale Assistenzsysteme
Mit zunehmender Komplexität von Produkten und Arbeitsplätzen steigen auch die Anforderungen an die Mitarbeitenden. Wechselnde Fertigungsschritte, höhere Kundenanforderungen und Produktvarianten führen zu neuen Aufgaben und Arbeitsschritten. Eine Möglichkeit, Unternehmen und deren Mitarbeiter bei dieser zusätzlichen Belastung zu unterstützen, bieten digitale Assistenzsysteme. Sie entlasten aktiv in Arbeits- und Entscheidungsprozessen und helfen dabei, Aufgaben effektiver zu gestalten, stressfreier und sicher zu erlernen sowie Fehler zu vermeiden. Hier haben sich unter anderem Systeme wie die kameragesteuerte Montageassistenz bewährt, die Arbeitsschritte nacheinander auf einem Bildschirm oder als Projektion auf dem Arbeitstisch aufzeigen. „In der industriellen Anwendung werden meistens mehrere Technologien in einem System kombiniert, sodass sich die Vorteile der verschiedenen Systeme optimal ergänzen“, erklärt Nika Perevalova aus dem Produktionsmanagement-Team am Fraunhofer IAO.
Auch so genannte Wearables, die unter anderem Scanvorgänge in der Logistik effizienter gestalten oder Mitarbeitende auf zu viel körperliche Überlastung hinweisen, können in der produzierenden Industrie eine Unterstützung sein. Eine Smartwatch kann auch im Arbeitsumfeld als persönliches Datencenter dienen und Kommunikationslücken schließen. Mitarbeitende müssen somit nicht mehr in der ganzen Produktionshalle nach einem Telefon oder der richtigen Ansprechperson suchen, sondern arbeiten von jedem Arbeitsplatz aus ohne Zeitverlust mit allen relevanten Kolleginnen und Kollegen per Klick zusammen.
Implementierung von Technologien für die digitale Transformation
Weitere Technologien und Bausteine, die zur digitalen Transformation und so auf dem Weg zur Fabrik 4.0 beitragen und wie diese implementiert werden können, werden im Industrienetzwerk „Im Sprint zur Fabrik 4.0“ diskutiert. „Das Wichtigste und Wertvollste für uns ist der Erfahrungsaustausch mit den teilnehmenden Firmen, die sich auf unterschiedlichen Leveln bei der Umsetzung von Industrie-4.0-Themen befinden und mit denen man sehr gut über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Ansätze diskutieren kann“, berichtet Sandra Yap, Head of Assembly and Testing bei der Arnold & Richter Cine Technik GmbH & Co. Betriebs KG (ARRI).
Der Autor Johannes Wimmer ist tätig im Team Vernetzte Produktionssysteme bei Fraunhofer IAO.
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