22.02.2023 – Kategorie: Fertigungs-IT
EPD-System: Die neue Art, die Fertigung zu steuern
An der Tankstelle ändert niemand mehr händisch die Aushänge und auch im Supermarkt sieht man immer häufiger elektronische Preisschilder – können günstige Displays Papier und händische Anpassungen auch aus der Fertigung verdrängen?
Wer nicht bereits papierlos in der Fertigung arbeitet, kennt es wahrscheinlich: Druckerprobleme, lange Laufwege zur Verteilung von Papieren in der Produktionshalle sowie verschmutzte Dokumente mit kaum lesbaren, handschriftlichen Notizen. Dazu kommt, dass immer wieder Begleitpapiere fehlen und für größere Aufträge mühsam zusammengesucht werden müssen. Das kostet Zeit und Nerven, während zusätzlich die Papier- und Energiepreise steigen. Eine mögliche Lösung sind Electronic Paper Displays (EPD-System), die energieschonend, vernetzt und flexibel einsetzbar sind.
Den meisten sind E-Paper-Anwendungen aus dem Supermarkt bekannt, wo sie als digitale Preisschilder im Einsatz sind (Bild 1). Während die ersten Modelle noch mit LC-Displays auskamen, findet man heute weiterentwickelte Geräte mit E-Paper-Technologie, leistungsfähigen Funkmodulen sowie langer Batterielaufzeit.
Anwendung in der Fertigung
In der Produktion werden EPD-Systeme zur Digitalisierung von Produktions- und Logistikprozessen eingesetzt. Sie helfen dabei, Prozesse deutlich effizienter und flexibler zu gestalten: Ob in der Beschriftung von Lagersystemen und -behältern in der Materialbereitstellung und Kommissionierung, als digitale Auftrags- und Warenbegleitkarten, oder zur Unterstützung der Montage sowie zur Anzeige von Arbeitsplatz- und Maschineninformationen – E-Paper trägt zur Verbesserung der Information zur Steuerung von Prozessen bei. Typische Größen der Geräte liegen zwischen 2,6 und 5,8 Zoll bei digitalen Begleitkarten für größere Ladungsträger. Das entspricht etwa den Größen einer Zigarettenschachtel bis zum iPhone 12. Auf dieser Fläche zeigt das EPD-System zum Beispiel den nächsten Arbeitsschritt an oder das Teil einer Stückliste, das als nächstes montiert oder kommissioniert werden soll. Neben Artikel- und Auftragsnummern sowie Mengen- und Termininformationen können zusätzliche Daten per Bar- oder QR-Code abgerufen werden. Ist ein Prozessschritt beendet, aktualisiert sich die Anzeige automatisch. Die schnelle Darstellung von Änderungen während laufenden Fertigungsprozessen, beispielsweise durch Anpassung der Etikettenbeschriftungen von Umlaufbehältern oder das Vorziehen eines Auftrags durch Erhöhung der Priorität, gestaltet die Fertigungsplanung flexibler und effizienter.
Material-Suchzeiten minimieren durch EPD-System
Zusammen mit einem Kunden hat der Fertigungs-IT-Spezialist Trebing + Himstedt ein EPD gestütztes Pick-by-Light System umgesetzt, das Mitarbeiter in der Montage bei der Kommissionierung unterstützt. Sobald ein Auftrag im Manufacturing Execution System (MES) markiert wird, erzeugen alle Kleinladungsträger mit Material für den ausgewählten Auftrag ein LED-Lichtsignal (Bild 2). Das spart den Mitarbeitern viel Zeit beim Suchen auftragsbezogener Komponenten. Auf diese Weise können auch in anderen Bereichen gesuchte Objekte schnell lokalisiert und bearbeitet werden.
Die typische Funktionsweise aktueller EPD-Systeme ist in Bild 3 dargestellt. Über ein Webinterface wird auf den EPD-Server zugegriffen und das System gesteuert. Der Server kommuniziert über ein Gateway mit den Displays und kann über eine Funkverbindung (WLAN) Daten übertragen und abfragen.
Einfache Systemarchitektur
Im Webinterface wird das konfigurierbare Label-Design mit den anzuzeigenden Daten verknüpft. Diese Daten können über vorhandene System-Schnittstellen (APIs) direkt aus Datenbanken von Drittsystemen generiert werden. Dadurch werden automatische Anzeigeänderungen realisierbar. Alternativ können Daten in ein Austauschformat, wie eine CSV-Datei, gespeichert und auf den Server hochgeladen werden.
EPD-Systeme werden zur standortunabhängigen Verwaltung auch in der Cloud angeboten, welche dann mit Drittsystemen wie einem MES-On-Prem oder ebenfalls in der Cloud (Cloud2Cloud) integriert werden. Wegen der zunehmenden Marktdurchdringung und Massenfertigung von EPD sind die Anschaffungskosten für solche Systeme über die letzten fünf Jahre deutlich gesunken. Der Wechsel von Papier- zu EPD-basierter Informationsverteilung bietet hier verschiedene Optimierungspotenziale.
EPD-System: Die Vorteile
Papierbasierte Prozesse sind nicht miteinander gekoppelt. Der Zeitaufwand für das Handling von Papier wird allgemein unterschätzt und ist in den meisten Fällen nicht bekannt. Allein von Effekten aus dem Wegfall des Druckens, dem Verteilen und Suchen von Papier können sich für EPD-Systeme bereits kurze Amortisationszeiten ergeben. Durch die Einführung der Systeme steigt jedoch zusätzlich die Transparenz. Fehlerquellen und Durchlaufzeiten können reduziert werden.
EPD haben zudem einen geringen Energieverbrauch. Bei durchschnittlich drei bis vier Aktualisierungen am Tag beträgt die Standzeit der Batterie meist mehrere Jahre. Im Gegensatz zu Papieretiketten können sie beliebig oft beschrieben werden. Durch die mehrfache Anwendung bei geringen Energiekosten sind sie von der Nutzung her nachhaltig.
Der Autor Christian Simon ist Senior Consultant beim Berater für digitale Transformation Trebing + Himstedt.
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