18.01.2019 – Kategorie: Branchen, Fertigung, Technik

Eine Roboterzelle, zwei Schweißverfahren

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Mit einer Roboterzelle von Kuka bearbeitet Woll Maschinenbau seine Bauteile für Sondermaschinen noch effektiver. Wie die neue Zelle funktioniert. von Sebastian Schuster

Mit einer Roboterzelle von Kuka bearbeitet Woll Maschinenbau seine Bauteile für Sondermaschinen noch effektiver. Wie die neue Zelle funktioniert. von Sebastian Schuster

Unternehmen des Sondermaschinenbaus sind stets besonders gefordert, doch Maschinen und Anlagen für Kunden aus der Medizintechnik herzustellen, beansprucht Sondermaschinenbauer wie Woll noch ein wenig intensiver. Komplexe Maschinenkonzepte, hohe Anforderungen an die technische Umsetzung, Kenntnisse der eingesetzten Materialien und die Einhaltung von Preiszielen sind Herausforderungen, denen sich der Sondermaschinenbauer stellen muss. Um dem Anspruch gerecht zu werden, setzt Woll auf neue Fertigungstechnologien.

Mit Kuka hat das Familienunternehmen einen Partner in Sachen Roboterschweißen gefunden: Ergebnis ist eine flexible, automatisierte Schweißanlage mit Programmiertools, die erhebliche Zeitvorteile bringt. Auf der neuen Anlage werden Bauteile – zumeist aus rostfreiem Edelstahl – für Maschinen und Anlagen bearbeitet. Die Unternehmen in der Medizintechnik stellen höchste Anforderungen ans Material und akzeptieren nur zertifizierte Unternehmen als Zulieferer. Woll verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Bearbeitung hochlegierter Materialien wie etwa Chrom-Nickel-Stähle und das Unternehmen kann alle relevanten Zertifikate vorweisen.

Eines der hochsensiblen Bauteile, die unter anderem in Autoklaven eingesetzt werden, ist eine sogenannte Produktpalette die innerhalb des Autoklavs die Produkte aufnimmt. Mit dieser Produktpalette werden medizinische Einmalartikel wie beispielsweise flüssigkeitsgefüllte Beutel in Druckbehälter zur Sterilisation befördert und dort in Position gehalten. Hierfür hat Kuka eine roboterbasierte Lösung entwickelt, die die Schweißprozesse bei Woll weiter optimiert und die Ausbringungsleistung steigert.

Flexible Roboterzelle

Dabei ist höchste Präzision gefragt, um eine 100-prozentige Reproduzierbarkeit der Arbeiten und stets gleichbleibende Qualität zu gewährleisten. Die Laserschweißzelle FlexibleCell von Kuka ermöglicht es, zwischen unterschiedlichen Verfahren – hier zwischen Laser- und Wolfram-Inert-Gasschweißen (WIG) – zu wechseln.

Der Industrieroboter ist zentraler Bestandteil der Anlage und wird dazu jeweils mit dem entsprechenden Schweißequipment ausgerüstet. Der Austausch der Schweißköpfe kann manuell oder auch automatisch erfolgen. Durch die Kombination der Schweißverfahren kann Woll je nach Anwendung die Vorteile beider Technologien nutzen. So ist das Laserschweißen deutlich schneller. Dem Werkstück wird weniger Wärme zugeführt, somit verformt es sich kaum und es muss weniger nachgearbeitet werden. Bei einigen Bauteilen kann sogar auf die Nachbearbeitung verzichtet werden.

Dank der Zeitersparnis beim Laserschweißen ist die Produktionszeit kürzer und Woll konnte Kosten sparen. Durch den Wechsel auf das Schutzgasschweißverfahren wiederum lassen sich beispielsweise größere Spaltbreiten zwischen den zu verschweißenden Teilen überbrücken.

„Durch die Automatisierung können wir nun insgesamt ein gleichmäßigeres Nahtbild erzielen“, erläutert Johannes Burg, verantwortlich für die automatisierten Schweißverfahren bei Woll. Vor allem nach dem Laserschweißen seien die Sichtnähte gefälliger als zuvor.

Praktischer Einstieg ins Laserschweißen

Für Woll hat der Wechsel zwischen den beiden Prozessen einen weiteren Vorteil: Es ermöglicht einen allmählichen Einstieg in die Lasertechnologie. Der Sondermaschinenbauer hat seine Bauteile bislang per Hand verschweißt. Waren Bauteile mit dem Laser zu schweißen, wurden diese Aufträge an eine Fremdfirma vergeben. Da die Lasertechnik jedoch teilweise eine andere Konstruktion der Bauteile erfordert, ist es nicht möglich, alle Prozesse sofort umzustellen. Bei Bauteilen, bei denen das Laserschweißen noch nicht möglich ist, kann Woll daher ganz einfach innerhalb derselben Zelle das Verfahren wechseln. So wird die Anlage optimal ausgenutzt.

Die kompakte, etwa fünf mal sieben Meter große Anlage, ist nicht nur im Hinblick auf den Schweißprozess flexibel, sondern auch im Bereich Handling der Bauteile. So können die zu verschweißenden Bauteile je nach Größe oder Komplexität der Bearbeitung auf unterschiedliche Weise zugeführt werden: zum einen von einem abgesicherten Einlegebereich außerhalb der Zelle über einen Drehtisch, zum anderen manuell über ein Schiebetor direkt in den Arbeitsbereich des Roboters.

Die erste Variante wird vor allem bei Serien genutzt, weil sie eine besonders wirtschaftliche Produktion ermöglicht. Denn während der Roboter schweißt, kann von außen bereits ein neues Werkstück zugeführt werden. Das spart Zeit.

Der Drei-Achs-Positionierer wird vom Werker mit den Bauteilen bestückt, anschließend in die Zelle gedreht und kann umgehend bearbeitet werden. Die zwei weiteren Achsen des Positionierers, auf denen sich vertikale Planscheiben im Abstand von 2,6 Metern befinden, können als mathematisch gekoppelte Roboterachsen synchronisiert bewegt werden, so dass die Schweißnaht dem Roboter optimal zugänglich gemacht werden kann und der Schweißprozess synchronisiert mit allen Achsen in der Anlage ablaufen kann. Der Werkzeugradius beträgt in diesem Fall 60 Zentimeter, ist aber variabel anpassbar an die jeweilige Kundenanforderung.

Alternativ können Bauteile auch direkt vom Werker über einen Seiteneingang ins Innere der Zelle gelegt werden: auf einen separaten Werktisch, den Drei-Achs-Positionierer oder auf einen zusätzlichen Dreh-Kipp-Positionierer (DKP). Diese Variante ist insbesondere bei extrem großen Teilen oder kleinen Losgrößen sinnvoll. Oder für den Fall, dass die Schweißnaht schwer zugänglich ist, zum Beispiel bei zylindrischen Teilen. Diese werden in Wannenlage auf den DKP gelegt, der sie durch Kippen dem Roboter zuwendet und den Schweißprozess erleichtert.

Zeit durch Software sparen

Dank der Integration der Steuerungssoftware Kuka.Sim spart Woll viel Zeit bei der Programmierung der Anlage. Die muss nicht direkt in der Zelle stattfinden, sondern kann in einer virtuellen Umgebung offline vorgenommen werden. Dadurch werden die Teach-Zeiten erheblich verkürzt. Gerade im Sondermaschinenbau ein großer Vorteil, weil in der Regel nur wenige Bauteile des gleichen Typs bearbeitet werden, so dass die Anlage häufig neu programmiert werden muss.

„Kuka.Sim bringt uns im Vergleich zum herkömmlichen, manuellen Teachen Zeitvorteile von 70 bis 80 Prozent“, erläutert Johannes Burg.

Weil die Programmierung auch offline möglich ist, kann während der laufenden Produktion bereits entkoppelt die Einstellung für das nächste Bauteil vorgenommen werden. Entscheidend dafür ist, dass der Roboter die Vorgaben aus der Simulation exakt in die Realität umsetzt.

Wegen der einfachen Bedienung über ein Smartpad kann der Werker einfach und bequem direkt an der Zelle programmieren. Mit der Kuka.LaserTech-Software, über die der Roboter seine Befehle für das Laserschweißen erhält, können innerhalb der gleichen Oberfläche Prozessparameter noch einmal nachjustiert werden – online wie offline.

Neben der Hard- und Software brachten die Experten von Kuka bei Woll auch ihr gesamtes Prozess-Know-how mit ein. Die Mitarbeiter wurden intensiv geschult. Dabei ging es neben der Bedienung der Anlage, auch um einen ganzheitlichen Blick auf das Schweißverfahren. So wurde unter anderem thematisiert, wie man ein Bauteil so konstruieren kann, dass optimale Laserergebnisse erzielt werden. Auch nach Abschluss des Projekts und der Inbetriebnahme der Anlage Ende 2016 begleitet Kuka das Unternehmen weiter bei der Optimierung der Schweißprozesse. „Wichtig ist hierbei die gesamte Prozesskette zu betrachten, von der Blechplatine bis zum fertigen Produkt“, sagt Christof Bürdek, Process Solution Manager bei Kuka.

Auch die Wartung der Anlage übernehmen die Automatisierungsspezialisten aus Augsburg. Dabei ist die Anlage durch eine End-to-End-Verschlüsselung vor Fremdzugriffen geschützt. Durch das „Lifebit“ wird kontinuierlich sichergestellt, dass ein dauerhafter Zugriff gewährleistet werden kann. Über den Remote Service Client ist eine schnelle Online-Diagnose möglich, Störungen können problemlos von Kuka behoben werden, ohne direkt vor Ort zu sein. jbi

Autor: Sebastian Schuster ist PR-Manager der Division Industries bei Kuka Deutschland.


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