03.11.2021 – Kategorie: Hardware & Vernetzung
Drahtlose Kommunikation: Ist 5G genug?
Umfassend modularisierte Fabriken benötigen drahtlose Kommunikation in bis dato unerprobten Maß. Reicht 5G für alle Anforderungen der Fabrik der Zukunft? Eine Analyse.
Drahtlose Kommunikation: Die Fabrikautomatisierung verlagert sich aktuell in Richtung einer intelligenten und vernetzten Smart Factory. Unterstützt durch Digitalisierung ist die Vision eine Fabrik der Zukunft, die sich extrem flexibel an verschiedene Herausforderungen bei großer Produktvielfalt und runter bis Losgröße 1 anpassen lässt.
Drahtlose Kommunikation für mehr Flexibilität
In so einer Umgebung nimmt die Anforderung an Mobilität zu, beispielsweise über fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF). Eine Kooperation zwischen Mensch und Maschine helfen, die Produktionsanlagen von morgen flexibler und effizienter zu gestalten. Dazu gehört auch eine engmaschige Kommunikation, die viele Systeme miteinander verbinden kann. Es ist erforderlich, die gesamte Wertschöpfungskette nahtlos in das Kommunikationsnetz der Fabrik zu integrieren.
WLAN allein genügt nicht
Fahrerlose Transportfahrzeuge (Automated Guided Vehicle – AGV), beispielsweise von SEW-Eurodrive, sind heute hauptsächlich per Wlan vernetzt. Diese Technologie wird jedoch nicht in der Lage sein, künftige FTF-Anwendungsfälle in einer flexiblen Produktionsumgebung zu ermöglichen. Mobile Roboter, massive drahtlose Sensornetzwerke und mobile Bedienpanels mit Sicherheitsfunktionen sind Beispiele für Anwendungen, deren Kommunikationsanforderungen Wlan nicht stemmen kann. Warum das so ist, verdeutlicht das Konzept der Matrix-Produktion.
Matrix-Produktion als künftiger Standard
Ein mögliches Konzept für die Fabrik der Zukunft teilt die automatisierte Produktion von Waren in die für die Herstellung erforderlichen Schritte auf und weist diesen Produktionszellen (PZ) zu. Werkstücke werden einer Produktionszelle zugeführt, wo sie einem bestimmten Prozess (Umbau, Zusammenbau, Prüfung) unterzogen werden. Anschließend verlässt das modifizierte Werkstück die Zelle. Verändert man den Weg des Werkstücks durch die Fabrik, lässt sich ein anderes Produkt herstellen.
Für die Warenbewegung zwischen den Produktionszellen sorgen Mobile Assistenten (MA) und intelligente Logistiksysteme. Als weiterentwickelte Versionen des klassischen FTF sind sie in der Lage, die hohen Anforderungen des Matrix-Produktions-Konzeptes zu erfüllen. Dabei übernehmen sie verschiedene Aufgaben wie den Transport, die Bearbeitung von Waren oder die direkte Unterstützung des Menschen.
In einer beispielhaften Matrix-Produktion müssen bis zu 1.000 mobile Teilnehmer und 100 Produktionszellen auf einer Fläche von 10.000 Quadratmetern an die drahtlose Kommunikation angebunden werden. Man kann davon ausgehen, dass Anwendungsfälle in der Fabrik der Zukunft daher sehr vielfältig sind und unterschiedlichen Zielen dienen.
Sensoren und drahtlose Kommunikation
Ein drahtloses Sensornetzwerk beispielsweise überträgt wenige Informationen, benötigt aber eine Kommunikationsmethode mit sehr geringem Energiebedarf. Bedienpanels hingegen erzeugen unvorhersehbare Datenraten. Es können E-Mails, Videos oder Dokumente übertragen werden. Das genutzte Kommunikationsmedium muss mit diesen unterschiedlichen Beanspruchungen effizient umgehen. Auch die Kommunikation der mobilen Assistenten kann sehr heterogen sein.
Als Beispiel soll hier die Fernsteuerung durch einen Operator dienen. Von dem mobilen Assistenten zum Operator müssen Sensordaten übertragen werden, die einen hohen Durchsatz benötigen, etwa ein Live-Video. In entgegengesetzter Richtung überträgt der Operator Bewegungsbefehle an den mobilen Assistenten, wobei es nicht zu Paketverlusten kommen darf. Für Up- und Down-Link wird eine geringe Latenz benötigt, damit der Operator den mobilen Assistenten steuern kann.
Drahtlose Kommunikation: Grenzen heutiger Technologien
Die Herausforderungen, die ein Anwendungsfall an die drahtlose Kommunikation stellt, hängen von der Gesamtheit seiner Eigenschaften ab. Somit stellt das drahtlose Sensornetzwerk zwar keine Herausforderung aufgrund der Datenrate dar, aber aufgrund der Anzahl der Geräte, wobei nur eine Teilmenge der Knoten niedrige Latenzzeiten und genaue Taktzeiten erfordern.
Mobile Bedienpanels erzeugen eine andere Herausforderung: Innerhalb eines Gerätes kann es sowohl datenintensive als auch latenz- und zuverlässigkeitskritische Anwendungen geben. Hier vermittelt ein Gleichzeitigkeitsfaktor einen guten Eindruck von der durchschnittlichen Datenrate, aber es werden auch höhere Spitzenwerte auftreten. Ähnliches gilt für den Gleichzeitigkeitsfaktor in Anwendungsfällen mit Mobilen Assistenten.
Oft ist semi-persistentes Scheduling erforderlich, um geringe Latenzen für manche Anforderungen zu sichern. Das ist ein Variante der Ressourcenplanung im Netzwerk, bei der für längere Zeiträume zyklisch Ressourcen vergeben werden. Bei Nicht-Nutzung führt dies jedoch zu ineffizient genutzten Ressourcen.
Mobilfunk in der Fabrik der Zukunft
Mit Blick auf aktuelle Feldversuche kann die 5. Mobilfunkgeneration (5G) nur knapp die Anforderungen unserer Beispiel-Fabrik mit 10.000 Quadratmetern erfüllen. Geht man beispielsweise von Spitzenlasten im Netzwerk aus, reichen die Ressourcen nicht aus. Zukünftige Feldversuche und die Leistung von Release 16 und 17 des 5G-Standards sind in diesem Zusammenhang von großem Interesse.
5G und was noch?
5G zieht aktuell viel Aufmerksamkeit auf sich. Die ersten Implementierungen in Fabrikhallen laufen an. Derzeit ist es möglich, erste Eindrücke anhand privater LTE- oder 5G-Non-standalone-Lösungen zu gewinnen. Die 802.11-Familie ist eine ausgereifte Technologie, die nicht für den Einsatz in der Fabrikautomation vorgesehen ist, aber dennoch die Anforderungen einiger Anwendungsfälle erfüllt.
Andere cutting-edge Kommunikationsmethoden nähern sich der Marktreife (Licht-Kommunikation oder Radar-Kommunikation beispielweise) – ihre Integration wird durch den Einsatz flexibler Routing-Technologien ermöglicht. Die generelle Frage nach Wahl der richtigen Technologie muss für jeden Anwendungsfall einzeln beantwortet werden. Zukunftslösungen können nur durch eine enge Kooperation zwischen Industrie und Forschung entstehen.
Fazit: Man sollte beim Thema drahtlose Kommunikation nicht allein auf den Standard 5G setzen, sondern auf mehrere Technologien bauen.
Die Autoren: Eike Lyczkowski und Andreas Wanjek sind Mitarbeiter des Fachkreises „Funk und Navigation“, Christian Sauer ist Mitarbeiter der Innovationsprojektgruppe für Navigations- und Kommunikationstechnik – alle bei SEW-Eurodrive. Die Autoren danken Prof. Dr. Wolfgang Kiess von der Hochschule Koblenz für die Unterstützung.
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