17.12.2021 – Kategorie: Digitalisierung
Digitalisierung in der Industrie: Welcher Ansatz verspricht den größten Erfolg?
In der Digitalisierung der Industrie steckt enormes Potenzial für jeden Fertigungsbetrieb und zudem für Deutschland als Wirtschaftsstandort. Welcher Ansatz verspricht auf dem Weg zur Data-driven Industry mehr Erfolg: Embedded Analytics oder Enterprise Analytics?
Wie weit die Digitalisierung in der deutschen Industrie tatsächlich fortgeschritten ist, zeigen Studien aus unterschiedlichen Perspektiven. Laut der Bitkom-Studie „Industrie 4.0 – so digital sind Deutschlands Fabriken“ von 2020 nutzen bereits 59 Prozent der befragten Unternehmen spezielle Industrie-4.0-Anwendungen und 22 Prozent planen deren Einsatz. 94 Prozent der Befragten waren der Meinung, Industrie 4.0 sei die Voraussetzung zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie. Und 73 Prozent erklärten, Industrie 4.0 beeinflusse das Geschäftsmodell.
All das klingt zunächst einmal vielversprechend. Ein genauerer Blick kann die gute Stimmung allerdings etwas trüben. So erleben wir es in Gesprächen mit Unternehmen sowie in Projekten, dass beim Umgang mit Daten noch vergleichsweise viel Luft nach oben ist. Auch in diesem Kontext ist die Bitkom-Studie interessant. Denn während 88 Prozent der Unternehmen im Rahmen von Industrie 4.0 Produkte und Services für plattformbasierte Geschäftsmodelle entwickeln, machen das nur 18 Prozent für datenbasierte Geschäftsmodelle. Es scheint, als würde der Wert von Daten immer noch unterschätzt werden.
Digitalisierung in der Industrie und der Umgang mit Daten in der Produktion
Eventuell hängt das damit zusammen, dass der Umgang mit Daten in der Produktion seit Jahrzehnten zum Alltag gehört – und deshalb nicht groß hinterfragt wird. Betriebs- und Maschinendaten werden erfasst, an ein Manufacturing Execution System (MES) übergeben und insbesondere dazu genutzt, die Overall Equipment Effectiveness (OEE) zu ermitteln. Das ist enorm hilfreich, um die Fertigung kontinuierlich zu verbessern. Möglich wäre aber noch viel mehr – weil Maschinen und Anlagen mit ihren vielen Sensoren immer mehr Daten liefern und weil sich mit neuen Technologien deutlich anspruchsvollere Analysen durchführen lassen.
Die neuen technologischen Möglichkeiten sind das eine, die Frage nach dem Sinn von Analysen das andere. Beantworten kann die jedes einzelne Unternehmen für sich selbst am besten, indem es sich klar darüber wird, wo das individuelle Erkenntnissinteresse liegt und welches spezifische Wissen einen Wettbewerbsvorteil bringt. Ein paar pauschale Annahmen dazu, was für die Industrie besonders relevant ist, lassen sich dennoch treffen. Dazu lohnt ein Blick auf die verschiedenen Aufgabenbereiche.
Kontinuierliche Verbesserung
Wie hoch Verfügbarkeit, Leistung und Qualität von Maschinen und Anlagen, Linien und Standorten in der Vergangenheit waren, zeigt der „Key Performance Indicator Overall Equipment Effectiveness“ an, zu dem regelmäßig Reports erstellt werden. Neue Analyseverfahren diagnostizieren – auf Basis der Daten, die immer mehr Sensoren liefern –, wie es zu den Ergebnissen gekommen ist. Und sie sind in der Lage, künftige Entwicklungen vorherzusagen beziehungsweise unterschiedliche Szenarien zu simulieren.
Produktionsplanung und -steuerung
Die Produktionsplanung und -steuerung basiert schon heute auf möglichst umfassenden Daten und auf Tools, die Ressourcen und Aufträge zusammenbringen. Zum Teil werden dabei Rückmeldungen aus dem Shopfloor berücksichtigt. Mit neuen Analyseverfahren lassen sich über alle Phasen der Planung und Steuerung hinweg deutlich mehr Daten verarbeiten und aufeinander beziehen. Dadurch wird es nicht nur möglich, Details weiter zu optimieren – etwa die Bandgeschwindigkeit. Entscheidungen können auch von den Menschen an eine Künstliche Intelligenz delegiert werden. In Summe steigert all das die Auslastung der vorhandenen Ressourcen, verkürzt die Durchlaufzeiten und trägt dazu bei, kaufmännische Anforderungen zu erfüllen. Die Vision einer Losgröße-1-Produktion zu wettbewerbsfähigen Preisen kann damit Realität werden.
Instandhaltung
Schon eine zustandsorientierte Instandhaltung hilft in der Regel dabei, die Stillstandzeiten zu reduzieren – weil sich Instandhaltungsmaßnahmen an der aktuellen Situation orientieren. Predictive Maintenance nimmt künftige Zustände voraus, wodurch sich erforderliche Wartungen und Instandsetzungen noch besser auf die Produktionsprozesse abstimmen lassen. Zudem können Analyseverfahren bei der Inspektion unterstützen. Systeme aus Kameras und einer KI-gestützten Bildanalyse können kritische Bauteile beispielsweise permanent überwachen und mitteilen, wenn Unregelmäßigkeiten auftreten.
Die richtige Systemarchitektur wählen
Die erwähnten Use Cases stehen exemplarisch dafür, wie fertigende Unternehmen von ihren Daten profitieren können. Für die Transformation zu einem Data-driven-Unternehmen stehen grundsätzlich zwei Architekturansätze zur Verfügung, die jeweils ihre spezifischen Stärken haben und sich zudem kombinieren lassen: Embedded Analytics und Enterprise Analytics. Bei Embedded Analytics befinden sich Daten und Funktionen im transaktionalen System – in der Regel im ERP-System (bei SAP-Systemen also in SAP ERP oder in SAP S/4HANA). Bei Enterprise Analytics werden Daten und Funktionen in dezidierten Komponenten außerhalb des transaktionalen Systems vorgehalten. In der Regel kommen ein Data Warehouse als Back-end und spezifische Modellierungs-, Analyse- und Visualisierungslösungen als Frontend zum Einsatz.
Unternehmen aus der Industrie haben damit also die Wahl: Entweder die in SAP S/4HANA eingebetteten Analytics-Funktionen verwenden oder die dezidierten Komponenten – SAP Analytics Cloud, SAP BW/4HANA und SAP Data Warehouse Cloud zu einer separaten Architektur kombinieren. Eine erste Orientierung für die richtige Entscheidung bietet die Gegenüberstellung einiger spezifischer Merkmale beider Ansätze.
Digitalisierung in der Industrie : Aktuelle und zukünftige Anforderungen kennen
Die jeweiligen Stärken der beiden Architektur-Ansätze zur Kenntnis zu nehmen, ist ein erster wichtiger Schritt. Eine sinnvolle Entscheidung ist aber nur dann möglich, wenn Unternehmen in einem zweiten Schritt ihre aktuellen (und künftigen) Anforderungen kennen. Dazu schlagen wir vor, entlang von fünf Dimensionen eine Reihe von Leitfragenfragen zu beantworten: Erkenntnisinteresse, Daten, Anwender, Kosten und Systemlandschaft. Das Erkenntnisinteresse – zu dem oben einige Ideen skizziert wurden – lässt sich verstehen als Fundament für die übrigen vier Dimensionen und ist darüber hinaus ausschlaggebend für die Motivation, sich mit dem Umgang mit Daten zu befassen. Oder eben nicht. Insofern lohnt sich an dieser Stelle ein näherer Blick. Alle fünf Dimensionen haben wir in unserem Strategic Guide „Embedded Analytics oder Enterprise Analytics“ besprochen.
Die Dimension Erkenntnisinteresse kann mithilfe folgender Leitfragen bestimmt werden:
- Welcher Analytics-Reifegrad wird angestrebt? Geht es darum zu erfahren, was passiert ist (Descriptive Analytics), warum etwas passiert ist (Diagnostic Analytics), was passieren wird (Predictive Analytics) und wie ein Unternehmen etwas passieren lassen kann (Prescriptive Analytics)?
- Welches Analytics-Verfahren soll genutzt werden: Reporting, Planning oder Predictive Analytics?
- Welche Fachbereiche sind betroffen?
- Welche Use Cases sollen kurz-, mittel- und langfristig realisiert werden?
Digitalisierung der Industrie und der richtige Architektur-Ansatz
Werden alle Leitfragen in den fünf Dimensionen diskutiert und beantwortet, kristallisiert sich heraus, welcher Architektur-Ansatz am besten passt. Und wie auch immer dann die Entscheidung ausfällt: Unternehmen schaffen damit keine irreversiblen Fakten. Denn die einzelnen Komponenten bauen aufeinander auf. Wer also heute zu dem Schluss kommt, dass die Embedded-Analytics-Möglichkeiten von SAP S/4HANA genügen, kann morgen als Ergänzung die SAP Analytics Cloud einführen. Und wer eine elaborierte Enterprise-Analytics-Architektur mit der SAP Analytics Cloud, SAP BW/4HANA und einem zusätzlichen Data Warehouse in der Cloud betreibt, für den ist der Einsatz von Embedded Analytics in bestimmten Use Cases dennoch sinnvoll.
Der Autor Georg Aholt ist Principal Manager Business Analytics & Information Management bei NTT Data Business Solutions.
Welcher Ansatz besser für ein Unternehmen geeignet ist, hängt von vielen Faktoren ab. In unserem Strategic Guide erfahren Sie unter anderem, wie Sie sich entlang von fünf Dimensionen für eine der beiden Analytics-Architekturen entscheiden.
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