02.11.2022 – Kategorie: Digitalisierung
Digitales Shopfloor-Management ermöglicht 20 Prozent mehr Produktivität
Der Gehäusebauer Schinko steigert durch digitales Shopfloor-Management Qualität und Durchsatz seiner Produktion.
Digitales Shopfloor-Management: Daten, Daten, Daten – eigentlich kann man davon nie genug bekommen, dachte sich auch das Unternehmen Schinko. Um in vielen Bereichen besser zu werden und Transparenz zu schaffen, sammelten die Mitarbeiter Daten ohne Ende: Energie-, Gas- und Kühlmittelverbräuche, Maschinenlaufzeiten, Störungsmeldungen, Materialeinkäufe, Lieferzeiten und vieles mehr. Doch das Sammeln und Auswerten wurde im Vergleich zur produktiven Arbeit irgendwann zu langwierig, denn die Excel-Tabellen liefen über, die Mitarbeiter kamen nicht mehr hinterher. Das war vor gut drei Jahren. Damals begann das Management von Schinko nach alternativen Lösungen zu suchen, um einen entscheidenden Schritt in Richtung Digitalisierung zu gehen.
Digitales Shopfloor-Management professionalisieren
Just in diese Zeit fiel eine Unternehmerreise nach Baden-Württemberg, organisiert von der österreichischen Handelskammer. Gerhard Lengauer, Geschäftsführer und Gesellschafter der Schinko GmbH, war mit von der Partie. Er berichtet: „Wir bekamen viele interessante Vorführungen, unter anderem von der Firma Axoom, die damals noch eine Tochtergesellschaft des Maschinen- und Laserherstellers Trumpf war.“
Deren Vernetzungs- und Digitalisierungsansatz sagte Lengauer zu, und so blieb er den Experten auch nach deren Übernahme durch den IT-Dienstleister GFT Technologies SE treu. Kern der gemeinsamen Idee: Schritt für Schritt sollten alle Produktionsbereiche an ein gemeinsames digitales Shopfloor-Management-System angeschlossen werden, um nicht nur für mehr Transparenz in der Produktion zu sorgen, sondern auch steuernd eingreifen zu können, bei Bedarf sogar automatisiert.
Diesem Ziel kommt Schinko immer näher. Das Unternehmen stellt hochwertige, individuelle Gehäuse aus Blech für viele verschiedene Branchen her, unter anderem für die Halbleiterindustrie, Medizintechnik, Messtechnik oder 3D-Druck-Hersteller. Manche Gehäuse sind klein und handlich, andere haben fast die Größe einer Garage, beispielsweise die Verkleidungen großer Schleif- und Bearbeitungszentren. Bei allen Gehäusen ist Schinko nicht nur für die Produktion zuständig, sondern auch für die gesamte Entwicklung vom Design über die Konstruktion bis hin zum Prototypenbau – ein ungewöhnlich umfangreiches und erfolgreiches Geschäftsmodell, das sich sehr klar von der Tätigkeit eines Lohnfertigers abhebt.
Digitales Shopfloor-Management über alle Instanzen
Die Produktion teilt sich dabei auf in fünf Bereiche: Zuschnitt der Blechplatinen, Kanten, Schweißen und Schleifen, Nanohightech-Pulverbeschichten sowie Endmontage. Manche Produktionsschritte wie das Laserschneiden oder das Beschichten laufen relativ automatisiert ab, andere wie das Biegen der Bleche, das Schleifen oder auch die finale Montage der Teile sind Handarbeit. Digitalisiert werden sollen sie alle.
Abgeschlossen ist das Projekt hin zum digitalen Shopfloor-Management bereits in den Bereichen Zuschnitt und Abkanten. Das von GFT auf Basis der eigenen Logical-Twin-Plattform Sphinx Open installierte System erfasst sämtliche verfügbaren Maschinendaten und stellt sie dem Produktionsteam in Echtzeit auf übersichtlichen Dashboards zur Verfügung. Im Detail geht es dabei um folgende Informationen: Maschinenlaufzeiten (produktiv, Standby, Rüsten, Fehler), Fehlergründe, Materialien, Mitarbeiterzeiten je Auftrag – und zwar immer im Vergleich des Plan- und des Ist-Zustands. Seit die Mitarbeiter Transparenz über die anstehenden und erledigten Aufträge, den Status der Maschinen und die eigene Zielerreichung haben, sind nicht nur die Motivation und der Wille zur Optimierung gestiegen. Vor allem konnte Schinko die Produktivität im Bereich Schneiden um 20 Prozent erhöhen. Im Bereich Biegen, in dem das Shopfloor-Management noch neuer ist, liegt die aktuelle Steigerung bei 10 Prozent und wird laut Betriebsleiter Christian Deinhofer künftig sogar weit über die 20 Prozent hinausgehen.
Sein Resümee: „Wir ziehen den Nutzen aus dem digitalen Shopfloor-Management daraus, dass wir jetzt Echtzeit-Daten bekommen. Damit ergeben sich viel bessere Möglichkeiten der Optimierung der Anlagen, so dass wir deutliche Verbesserungen bei der Reduktion der Rüstzeiten erzielen konnten. Für die Mitarbeiter ist das System sehr interessant, weil sie Liverückmeldung über ihren Arbeitsfortschritt bekommen. Das Ganze bringt einen gewissen Leistungs- und Wettbewerbsgedanken in die Mannschaft – und das sehen wir ganz massiv in Performance-Steigerungen.“
Digitalisierung hat Grenzen
Als nächster Bereich ist die Beschichtung an der Reihe. Hier galt es im Laufe des letzten Jahres zahlreiche Herausforderungen zu meistern. Aufgrund der Corona-Pandemie war es lange nicht möglich, gemeinsam vor Ort zu sein. GFT-Projektleiter und Lead Consultant, Denis Häußler, berichtet: „Als glühende Verfechter der Digitalisierung mussten wir uns in der Zeit leider eingestehen, dass auch die in vielen Fällen so hilfreiche virtuelle Arbeitswelt ihre Grenzen hat. Wir konnten nicht auf Anhieb mit allen Werten, die wir der Maschine entlockt haben, etwas anfangen. Die Interpretation der Daten, das Mapping auf die Prozessperformance und die Definition der passenden KPIs waren durchaus herausfordernd. Wären wir gemeinsam mit Herrn Deinhofer und seinen Kollegen direkt an der Anlage gestanden, hätten wir sicher schneller gesehen, welche Herausforderungen und Abhängigkeiten den Prozess so komplex machen.“ So aber musste iterativ und im Annäherungsmodus das perfekte Dashboard entwickelt werden, das die Realität und Performance nun optimal darstellt.
Inzwischen sind alle Parameter erfasst, von Maschinendaten in der Nanohightech-Beschichtung bis hin zur Gewichts- und Flächenerfassung der einzelnen Bauteile, die an Haken befestigt über ein deckenläufiges Schienensystem automatisch in die Pulverbeschichtungsanlage fahren. Gerade das Wissen über die zu bearbeitende Fläche ist wichtig, weil dadurch in der automatischen Beschichtung die Lackmenge besser justiert werden kann. Parallel zur Digitalisierung stieß Betriebsleiter Deinhofer im Beschichtungsbereich eine grundlegende Prozessoptimierung an, denn Digitalisierung und Optimierung können und sollten Hand in Hand gehen. Nur ein sinnvoll desingter Prozess lässt sich sinnstiftend digitalisieren.
Das Ergebnis der Bemühungen: Die ursprünglich zweischichtig betriebene Anlage schafft es nun in einer Schicht, alle anfallenden Bauteile durchzuschleusen. Sämtliche Schritte und die dazugehörigen Sensordaten können inzwischen digital abgebildet werden, so dass auch hier das Shopfloor-Management in Gestalt von großen Monitoren in Kürze online gehen wird.
Umzug in die Cloud noch Zukunftsmusik
Apropos online: Schinko betreibt das GFT-System derzeit On Premise, also vollständig im eigenen Rechenzentrum. Ein Umzug in die Cloud ist für Betriebsleiter Deinhofer und Geschäftsführer Lengauer aktuell kein Thema. Allerdings halten beide durchaus die Augen offen, was sich derzeit in Sachen Cloud Services im Fertigungsbereich tut. Dabei zählen sie auch auf die Beratung von GFT. Als Partner aller großen Cloud Provider verfügt der IT-Dienstleister über große Expertise in diesem Themengebiet und ist an zahlreichen Stellen Entwicklungspartner von Google und Co. Auch die eigene Softwareplattform Sphinx Open als zentrales Datenmodell für Industrie-4.0-Anwendungen ist cloudfähig. Mit mehr Rechenleistung wären bei Schinko ganz neue Anwendungen wie etwa der Einsatz künstlicher Intelligenz zum Finden von Abweichungen in der Qualitätskontrolle denkbar.
Gerhard Lengauer ist nicht abgeneigt, bleibt aber seinen Prinzipien treu: „Wir machen das wohlüberlegt und gut kalkuliert Schritt für Schritt – mit einer sauberen Betrachtung von Kosten und Nutzen am Ende jedes Meilensteins. Wenn kommendes Jahr alle Produktionsbereiche digitalisiert sind, überlegen wir uns die nächste Steigerung.“
Die Autorin Anke Roser ist Head of Marketing & Communications Germany bei GFT.
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