15.02.2023 – Kategorie: Produktionsprozesse
Digitale Prozessoptimierung in der Fertigung: Wie es richtig geht
In vielen metallbearbeitenden Betrieben hat sich etwas getan: Junge Maschinenparks, viel Automation und neue Bearbeitungsverfahren sollen die Unternehmen fit machen für den globalen Wettbewerb. Trotzdem bleibt viel Potenzial auf der Strecke – woran liegt dies?
Digitale Prozessoptimierung in der Praxis: Wer Metall zerspant, spürt seit Jahren steigenden Druck. Materialien werden „schwieriger“, Geometrien komplexer und Lose kleiner bei engeren Terminen und bröckelnden Margen. Damit wird die wettbewerbsfähige Bearbeitung von Aufträgen mehr und mehr zur Herausforderung.
Digitale Prozessoptimierung: Automatisierungsgrad in der Fertigung
Inzwischen stoßen viele Unternehmen an ihre Grenzen, auch weil noch oft und gern mit Excel geplant wird. Die Tabellen sind oft der steigernden Komplexität nicht mehr gewachsen, starr und unflexibel bei unvorhergesehenen Ereignissen. Die Konsequenz: Viele Einflussfaktoren bleiben unberücksichtigt. In der Folge sind die Spindelzeiten der Maschinen bei weitem nicht so hoch, wie sie sein könnten – im Idealfall in der Nähe der maximal jährlich verfügbaren 8760 Stunden pro Jahr. Davon sind die meisten Unternehmen indes weit entfernt. Die Maschinenstundensätze sind damit oft nicht mehr wettbewerbsfähig.
Nebenzeiten für das Rüsten aber auch für die Klärung fehlender oder falscher Informationen sowie das Warten auf nicht verfügbare Rohteile oder Spannmittel und Werkzeuge sowie den aktuellen Stand der CAD-Daten, gestalten die Prozesse ineffizient. Mitunter muss auch das Programm erst an der Steuerung der Maschine nachbearbeitet werden.
Ursache für all dies sind oft fehlende Standards und Daten in der Arbeitsvorbereitung, die so ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen kann. Darüber hinaus ist der Automatisierungsgrad in der Fertigung aber auch in den vorgelagerten Prozessen vieler Unternehmen viel zu gering.
Standards schaffen – Potenzial sichern
Wer die Abläufe in seinem Unternehmen rationell ausrichten will und so gezielt die Wirtschaftlichkeit erhöhen möchte, beginnt am besten beim Thema Standardisierung. Damit ist nicht nur eine Standardisierung der Produkte gemeint – sondern auch, sich über standardisierte Abläufe in Konstruktion, Programmierung, der Bereitstellung von Zerspanungswerkzeugen und vieles mehr Gedanken zu machen. Zugegeben ist dies nicht gerade einfach im laufenden Tagesgeschäft: Gewohnte Abläufe und Denkmuster verstellen fast unvermeidbar den Blick auf Wesentliches, wenn der nächste Auftrag drückt. Deshalb ist es vorteilhaft, sich in diesem Fall, Hilfe von außen mit ins Boot zu holen. Diese Hilfe bringt Erfahrung aus vergleichbaren Projekten ein, öffnet den Blick und mindert die Gefahr, etwas Wichtiges zu übersehen
Zu Beginn ist es sinnvoll, gemeinsam mit den externen und internen Experten die Prozesse und Abläufe auf den Prüfstand zu stellen. Dazu gehört nicht zuletzt die Überlegung, welche Aufträge man künftig bearbeiten möchte und welche nicht – etwa, weil sie nur viel Arbeit und kaum Ertrag bringen oder nur mit großem Aufwand durchgeschleust werden können. So schmerzhaft dieser Prozess ist – so essentiell ist eine sauber definierte, tragfähige Kernkompetenz.
Ist dieser wichtige Punkt geklärt, sollten für einen systematischen und damit skalierbaren Ansatz klare Fertigungsstandards definiert werden. Das sollte sinnvoll in entlang der neu definierten Prozesskette ausgerichteten Teams geschehen. Möglichst auch unter Einbeziehung externer Experten – damit eröffnet sich die Chance, neue Perspektiven zu erschließen und eingeschliffene, aber für einen innovativen Ansatz nicht immer förderliche Denkmuster zu durchbrechen.
Digitale Prozessoptimierung: Der Mensch entscheidet
Dabei ist es nicht nur psychologisch sinnvoll, möglichst alle Betroffenen aktiv in den Prozess mit einzubeziehen, wobei nicht ausbleibt, dass es ab und zu Mitarbeiter gibt, die den Weg einer Neuerung nicht mitgehen. Ziel ist jedoch immer, alle Mitarbeiter abzuholen und entsprechend zu motivieren. Es gilt, Bedenken zu hören und ernst zu nehmen. Wichtig ist stets ein transparentes, konsequentes und klares Handeln der Führungskräfte.
Vom Quick-win zum intelligenten Bauteil
Zwar kommt es letztlich auf den ganzheitlichen Ansatz an, doch lassen sich meist mit einigen wenigen Maßnahmen aus dem Gesamtpaket bereits Quick-wins erzielen, die die Situation schnell spürbar verbessern. Das können beispielsweise Konstruktionsstandards sein, die die Werkzeugvielfalt merklich begrenzen. Aber auch Schnittstellen müssen hinsichtlich des Informationsgehalts konsistent und durchgängig sein – und deutlich weiter in die Details gehen als bisher in den meisten Systemen üblich. Zwischenergebnisse, Features und Abzugskörper sind nur einige Informationen, die hier relevant sind. Wichtig ist auch, wiederkehrende Tätigkeiten in der Software systemisch zu automatisieren – mithilfe von Templates und spezifischen Konfigurationen. Eine konsequente Datendurchgängigkeit im Unternehmen, die Mehrfacheingaben immer gleicher Informationen ins System erübrigt und damit Fehlerquellen eliminiert, sorgt letztlich für die nahtlose Übernahme aller fertigungsrelevanten Informationen aus dem „intelligenten Bauteil“.
Automatisierung in der Fertigung
Wird schließlich in der Fertigung automatisiert, etwa mit einem Handlingsystem oder einem Roboter nebst automatisierten Spannmitteln, muss dies auch in der Programmierung berücksichtigt und entsprechend umgesetzt werden. Auch hier gilt es, Prozesse zu denken – das Know-how, das früher der Bediener in den Zerspanungsprozess einbrachte, muss nun über das Programmieren in die Bearbeitung einfließen.
Die Bearbeitung hängt nun nicht mehr von der Anwesenheit des Bedieners ab – und genau hier liegt der Schlüssel zu einer optimalen Auslastung der Maschinenspindeln: Wenn ein Handlingsystem lediglich bereits vorgerüstete Werkstücke in den Arbeitsraum platzieren und nach der Bearbeitung wieder entnehmen muss, wird die Laufzeit im Prinzip nur noch vom Werkstückspeicher, den rüstbaren Werkzeugen und der Kapazität der Programmierer begrenzt.
Stabile NC-Prozesse dank Quality Gates
Ein wichtiger Schritt ist zudem die Einführung von „Quality Gates“ in die Fertigung für die digitale Prozessoptimierung. Denn für jeden Bearbeitungsabschnitt ist es essentiell, dass er auf einem entsprechend gutem Ergebnis des vorherigen aufbauen kann. So sollten etwa fertige, optimierte Programme auf die Maschinen kommen, die mit Poti-Einstellung „100 Prozent“ ablaufen können. Das können verlässliche NC-Verifikation und -Simulation mit extrem hoher Sicherheit bewirken. Nebenbei schaffen sie stabilere Prozesse, verlässlichere Termine und eine höhere Bauteilqualität.
Aber dies ist nur eine Schnittstelle, an der ein Quality Gate sinnvoll ist. Erst etwa wenn der Meilenstein „Konstruktion fertig“ mit allen Vorgängen erreicht ist, können die Folgevorgänge wie Beschaffung, Programmierung, Werkzeugbereitstellung freigegeben und gestartet werden. So muss jeder Prozess geprüft werden, inwieweit er sich als Quality Gate implementieren lässt.
Digitale Prozessoptimierung: Die Fertigung überwachen
Zusätzliche Sicherheit bringen auch Features wie beispielsweise das Messen direkt auf der Bearbeitungsmaschine. Damit lassen sich Korrekturen noch in der gleichen Aufspannung vornehmen und die Prozesse teils sogar automatisch optimieren sowie nebenbei eine umfassende Dokumentation erstellen.
Der Autor Tomek Kawala ist Berater bei Tebis Consulting.
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