16.02.2018 – Kategorie: Fertigung, IT

Die Wärmebilder der BMW-Qualitätsprüfer

dm_2018_01_21_abgassstrahl_combined

Der Kunde verlangt ein Auto das in allen Teilen so funktioniert, wie es soll – bei einem so komplexen Gebilde, wie ein modernes Auto, ist das keine triviale Angelegenheit. Ein Beispiel aus dem BMW-Werk Dingolfing zeigt, wie Wärmebildkameras helfen, den Kunden nicht zu verprellen. von Markus Moltkau und Frank Liebelt

Der Kunde verlangt ein Auto das in allen Teilen so funktioniert, wie es soll – bei einem so komplexen Gebilde, wie ein modernes Auto, ist das keine triviale Angelegenheit. Ein Beispiel aus dem BMW-Werk Dingolfing zeigt, wie Wärmebildkameras helfen, den Kunden nicht zu verprellen. von Markus Moltkau und Frank Liebelt

Im niederbayerischen BMW-Werk Dingolfing werden die Baureihen BMW 5er, 6er, 7er und der BMW 3er Gran Turismo produziert. Rund 18.500 Menschen arbeiten an diesem Standort. Seit 1997 beliefert Flir das BMW Werk in Dingolfing mit Infrarotkameras für thermische Untersuchungen. Seinerzeit war die Elektrothermografie von Schaltschränken und -räumen der primäre Einsatz der Wärmebildkameras bei BMW. Wenn ein Bauteil heiß wurde, deutete das auf Probleme hin – und dann wurde es ausgetauscht. Das gilt auch heute noch.

Qualitätskontrolle in Dingolfing

Mittlerweile werden Infrarotkameras von Flir aber auch bei der Qualitätskontrolle im BMW-Werk Dingolfing genutzt. Unter anderem werden die Neufahrzeuge bei der Qualitätskontrolle in einem von zehn abgetrennten Rollenprüfständen getestet. Jedes Fahrzeug durchläuft dort einen individuellen und automatisierten Prüfablauf. Dabei werden grundlegende Funktionen, angefangen bei der Hupe, motorspezifischen Inhalten, bis hin zu individuellen Ausstattungsmerkmalen wie beispielsweise dem Night Vision-System von BMW (das übrigens auch auf einem Flir-Detektor basiert) auf ihre korrekte Funktion überprüft.

Insgesamt dauert dieser Prozess nur wenige Minuten, wobei jede einzelne korrekte Funktion entweder automatisch oder aber auch durch den Fahrer per Interaktion bestätigt werden muss. Dazu sitzt ein Prüfer im Fahrzeug – immer den Monitor mit den Prozess- und Prüfdaten des Fahrzeugs im Blick. Dass die Tests unterschiedlich lange dauern, liegt an den jeweiligen individuellen Ausstattungen der Fahrzeuge, die elektronisch ausgelesen werden. Generell geht es darum, einfache, schnelle und zuverlässige Lösungen für jede Prüfung zu finden. Aber manchmal dauert es etwas, bis das jeweils optimale Verfahren identifiziert wird. Beispielsweise beim Test der Abgasklappe von Doppelabgasanlagen.

Abgasanlage mit Besonderheiten

Für die leistungsstarken BMW-Fahrzeuge mit den großen 8-Zylinder-Motoren sowie für den M5 kommen jeweils zwei Endrohre zum Einsatz – wobei die Abgasklappe des „zweiten“ Endrohrs abhängig von definierten Randbedingungen gesteuert und erst ab einer gewissen Drehzahl „zugeschaltet“ wird. Der Grund für dieses System mag auf den ersten Blick überraschen, denn es geht tatsächlich in erster Linie um Sounddesign, denn die Akustik eines starken Motors soll zu seiner Leistung passen.

Die Öffnung der Abgasklappe des zweiten Endrohres muss sichergestellt und geprüft werden – und diese, auf den ersten Blick einfach Prüfung ist durchaus anspruchsvoll. Bereits im Jahr 2000 erwarb BMW für jeden Rollenprüfstand zwei Wärmebildkameras, um die Abgase der Doppelrohr-Abgasanlage über ihre Hitzeentwicklung an der rechten und an der linken Fahrzeugseite zu visualisieren.

Wärmebilder des Abgasstroms

Die Entscheidung fiel damals auf ein System eines anderen Anbieters mit zwei Wärmebildkameras, die seitlich von oben jeweils auf die rechten und die linken Auspuffendrohre gerichtet waren. Die Kameras waren damals noch relativ teuer und zudem häuften sich mit der Zeit auch die Reparaturen an den Kameras, so dass nach 8 Jahren überprüft wurde, ob sich die Anschaffung eines neuen Systems lohnen könnte.

Robert Halbritter vom Flir-Vertriebspartner und -Integrator Topa hatte eine Lösung, bei der obendrein sogar die Hälfte der Kamera-Hardware eingespart werden konnte: Pro Prüfstand empfahl er eine festinstallierte Flir A310 mit einem 45-Grad-Weitwinkel-Objektiv. Der Vorteil: Was vorher mit zwei seitlich montierten Kameras überprüft wurde, konnte nun von einer einzigen zentral platzierten Kamera visualisiert werden. Denn das Sichtfeld der A310 mit dem Weitwinkel-Objektiv ist ohne weiteres in der Lage, aus einem Abstand von rund zwei Metern den gesamten Heckbereich des Fahrzeugs auf einen Blick zu erfassen. Bei zurzeit zehn parallel betriebenen Prüfständen ergab sich so eine Einsparung von 10 Kameraeinheiten.

Einfache Lösung mit Potenzial

Die A310 erzeugt unter anderem ein analoges Wärmebild-Videosignal mit einer Bildfrequenz von 30 Hertz, sprich: 30 Einzelbilder pro Minute. Vor allem wegen der problemlosen Integration und dem einfachen Zugriff auf das Video-Signal eignet sich die A310 sehr gut für die Erfassung des Abgasstromes.

„Die Kamera bietet darüber hinaus multiple Anschlussmöglichkeiten“, wie Chris Brown, Experte im Bereich der festinstallierten Wärmebildkameras für Automationsanwendungen, erläutert. „Die Flir A310 verfügt über einen digitalen Ausgang für Alarme und die Steuerung externer Geräte. Die Daten können außerdem über TCP/IP oder Ethernet ausgegeben werden. Und die Flir A315 unterstützt sogar den GigE-Vision-Standard sowie das GenICam-Protokoll“. Letztgenannte sind gängige Standardschnittstellen der industriellen Bildverarbeitung.

Wärmebild zeigt Klappenfunktion

Der Check der korrekten Funktion erfolgt über die Anzeige des Wärmebilds auf einem Monitor vor dem Fahrzeug. Der Prüfer sieht das Infrarotbild des Heckbereichs – und erkennt die Zustandsänderungen der Abgasklappen. Auch wenn die Flir A310 über verschiedene Farbpaletten zur Visualisierung der Wärmeverteilung verfügt, kommt hier die denkbar einfachste und klarste Palette zum Einsatz: Schwarz-Weiß.

Der Grund dafür liegt in Unregelmäßigkeiten im Luftstrom der Abgasstrahlen: Es findet ein relativ hoher Luftaustausch statt, und der Abgasstrahl ist nicht gleichbleibend. Außerdem ist die hohe Strömungsgeschwindigkeit zu berücksichtigen – all das sind Faktoren, die zwar im Falschfarbenbild visualisiert werden könnten, hier aber vermutlich nur zur Verwirrung des Prüfers beitragen würden. Denn durch den Fahrer erfolgt hier nur ein reines Monitoring – mit der finalen Bestätigung: Die Klappe öffnet korrekt.

Entscheidung für das System

Dass Wärmebildkamera-Hersteller Flir Systems und Integrator Topa den Zuschlag von BMW erhielten, lag sicher auch an der Bekanntheit von Flir und an der Gewissheit, stets schnell und unproblematisch Ersatzkameras zu erhalten. Aber auch die technische Umsetzung der Lösung spielte eine Rolle.

„Wir waren oft vor Ort und konnten BMW bei der Installation und der Kalibrierung der Kameras unterstützen. Nicht zuletzt lag es aber wohl auch am guten Preis-/Leistungsverhältnis, dass die Flir-Lösung zum Einsatz kam.“, vermutet Robert Halbritter von Topa.

Und auch die Zuverlässigkeit der Flir A310 spricht für sich. Im Herbst 2011 wurden die ersten Kamerasysteme installiert – und waren seither rund um die Uhr im Einsatz. Auch wenn sie nachts zwischen 23 und 5 Uhr morgens nicht benötigt werden, sind sie ständig am Netz – ein echter 24/7-Betrieb. In Anbetracht dieser Dauerbelastung hatte Flir eigens eine zusätzliche Ersatzkamera geliefert. Bis dato kam diese nicht zum Einsatz. jbi

Die Autoren

Dipl.-Ing. (FH) Markus Moltkau ist Sales Manager Automation Central & Northern Europe bei Flir in Frankfurt am Main.

Frank Liebelt ist freier Journalist in Frankfurt am Main.


Teilen Sie die Meldung „Die Wärmebilder der BMW-Qualitätsprüfer“ mit Ihren Kontakten:

Zugehörige Themen:

Digitaler Zwilling

Scroll to Top