01.02.2023 – Kategorie: Digitalisierung
CAQ-System: So gelingt die Null-Fehler-Strategie im Fertigungsunternehmen
Will man sich als kleines Fertigungsunternehmen im anspruchsvollen Markt der Automobilzulieferer behaupten, muss man herausstechen. Wie das mit einem durchdachten Qualitätsmanagement und Weitblick gelingt, darüber hier mehr.
CAQ-System in der Praxis: Im sauerländischen Herscheid werden in sechs Industriegebäuden auf 4.600 Quadratmetern Produktionsfläche jährlich 1,7 Milliarden Teile gefertigt – mit rund 40 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen unter anderem im eigenen Werkzeugbau. Seit 1953 fertigt die Otto Bauckhage GmbH & Co. KG Stanz-, Präge-, Form- und Tiefziehteile, zu 80 Prozent für die Automobilzulieferindustrie. Überwiegend werden die gefertigten Komponenten mit anderen Bauteilen zu einer Baugruppe zusammengeführt: ob in Lenksystemen, in elektrisch angetriebenen Heckklappendämpfern, bei der Montage von Armaturenbrettern oder der Verbindung von Karosserieteilen.
CAQ-System: Neue Regeln schnell umsetzen
Was bei der Herstellung der Groß- und Kleinserien für die internationalen Kunden zählt, ist vor allem höchste Präzision. Denn Automobilzulieferern verzeiht man keine Qualitätsmängel. Qualität konnte man daher schon immer. Als eines der ersten Unternehmen in der Region überhaupt integrierte Otto Bauckhage schon 1989 ein CAQ-System in sein Qualitätsmanagement. Qualitätsleiter Thomas Hohage erinnert sich: „Getrieben durch neue Regelwerke und Spezifikationen der Automobilindustrie, wurden plötzlich Themen wie Statistische Prozesslenkung (SPC), Nachweisführung, Dokumentation und Archivierung relevant.“ Die Automobilzulieferer standen damals plötzlich vor komplett neuen Herausforderungen: „Es entstand von jetzt auf gleich ein enormer Druck, die neuen Qualitätssicherungsvorgaben zu erfüllen.“, erläutert Hohage.
Chance auf Vorreiterrolle ergriffen
Doch das Unternehmen sah in den Veränderungen vor allem Potenzial, sich im Markt als Vorreiter zu positionieren: „Zu der Zeit gab es noch keine Marktbegleiter, bei denen wir uns etwas hätten abschauen können. Deshalb mussten wir ganz einfach selbst vorangehen“, erläutert Hohage. Es folgte die frühe Umstellung auf das computergestützte Qualitätssystem, um die entstehenden Datenmengen verarbeiten zu können. Für diese Umstellung brauchte es jedoch einen Spezialisten, der nicht nur die technischen Anforderungen stemmen, sondern auch das zwingend notwendige Normenwissen und -verständnis vorweisen konnte. Den fand man in unmittelbarer Umgebung – in der Wuppertaler Böhme & Weihs Systemtechnik. „Um unsere Mitarbeiter an die für sie neuen Themenfelder heranzuführen, war uns außerdem die Bedienerfreundlichkeit bei der Datenerfassung und -eingabe besonders wichtig“, beschreibt Hohage.
Mit statistischer Prozesslenkung zum Erfolg
Das erste Softwaremodul, das das kleine KMU im Einsatz hatte, war CASQ-it SPC. Und es läuft auch heute noch in weiterentwickelter Form. Es setzt damals wie heute die Forderungen nach statistischer Prozesslenkung (SPC) um, wobei sie die Mitarbeiter „mitnimmt“. Die „Werker-Ergonomie“ unterstützt die Qualitätsdatenerfassung in der Fertigung und führte die Mitarbeiter durch die Prüfung. Für Hohage dabei wichtig: Die ansprechende Messplatzumgebung und die direkte Anbindung von Messmitteln. Damit kann er die Mitarbeiter nach wie vor für die Prozesse begeistern und diese in den Arbeitsabläufen verankern.
CAQ-System: Prozessorientiert und strukturiert
Schon früh war das Qualitätsmanagementsystem der bei Otto Bauckhage nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert. Für ein Unternehmen dieser Größenordnung jedoch bemerkenswert, ist die zusätzliche Zertifizierung nach IATF 16949. Ist diese doch bekanntermaßen mit immensen Aufwänden, Kosten und einer straffen Organisation verbunden. „Auch wenn unsere Mitarbeiterzahl seit den frühen 2000er Jahren konstant bei rund 40 liegt, unsere Effizienz steigern wir dennoch laufend, indem wir konsequent unsere Prozesse optimieren“, so Hohage. Wichtiges Steuerungsinstrument für den Serienfertiger ist dabei SPC. Die statistische Prozesslenkung ist das Werkzeug, das die nötige Prozesstransparenz schafft – im Zusammenspiel mit einer kontinuierlichen Betriebsdatenerfassung auf Leistungsebene.
Beispiel: Im Zweischichtbetrieb ist ein Mitarbeiter jeweils für maximal zwei Maschinen voll prozessverantwortlich, inklusive Erstteilprüfung und begleitender Prüfungen. In Sichtweite der Maschinen befinden sich die Prüfstationen. So haben die Werker „ihre“ Maschinen und Prozesse jederzeit im Blick und können bei Bedarf eingreifen. „Im Zweifel wird die entsprechende Maschine sofort gestoppt“, kommentiert Hohage. Eine hohe Eigenverantwortung für die Werker, die sich aber bewährt hat.
Begleitend sorgt in die Qualitätssoftware integrierte Prüfmittelmanagement zuverlässig dafür, dass die angebundenen Mess- und Prüfmittel termingerecht gewartet und kalibriert werden. Insgesamt ist das CAQ-System heute durch seinen prozessorientierten Aufbau derart in die Unternehmensabläufe integriert, dass es nicht mehr wegzudenken ist.
Ausgezeichnet durch Stabilus
Bei Kunden ist Otto Bauckhage bereits seit Jahren als A-Lieferant gelistet. Die Reklamationsquote liegt konstant im Null-Prozent-Bereich, was bei den Kunden gut ankommt. Die Stabilus GmbH aus Koblenz, weltweiter Lieferant von Gasfedern, Dämpfern und elektromechanischen Antrieben beispielsweise verlieh Otto Bauckhage 2018 ihren begehrten Supplier Award. Hohage kommentiert: „Wir haben uns als kleines Unternehmen gegen große Weltunternehmen durchgesetzt.“ Im Jahr darauf gelang dies direkt noch einmal – mit dem Stabilus-Zertifikat „Excellent Quality Performance“ für die beste Lieferanten-Qualität weltweit.
Dazu kam es, da Stabilus bei der Designentwicklung einzelner Komponenten ihres elektromechanischen Heckklappenantriebs auf die Expertise von Otto Bauckhage zurückgriff. „Die geforderten Teile passten perfekt in unser Stanz-Portfolio“, erklärt Hohage. Entscheidend war außerdem das Know-how zu Materialeigenschaften und Bearbeitungsweisen sowie eine große Variantenvielfalt.
Auftragsbezogene Investition in Messtechnik
Es geht dabei um hohe Stückzahlen, die Otto Bauckhage monatlich für Stabilus produziert. Mit diesen stiegen auch die Anforderungen an die Qualitätssicherung. Stichwort: 100-Prozent-Prüfung der Bauteile. Dieses Thema ging Otto Bauckhage proaktiv an: Zum Start of Production wurde in 3D-Analysetechnologie investiert. Heute sind für eine optimale Performance fünf fotooptische Prüfanlagen im Dauerbetrieb. Jede ist mit bis zu acht hochauflösenden Kameras und High-End-Rechnern zur Echtzeit-Bildverarbeitung ausgestattet. Eine Technologie, die im regulären Stanzbetrieb eigentlich nicht vorkommt – mit der Otto Bauckhage aber eine absolute Prozessabsicherung erreichen wollte.
Die Daten werden zu Analysezwecken in die SPC übernommen, um hieraus stetig Erkenntnisse für Optimierungspotenziale in der Prozesssteuerung zu gewinnen. Auch diese Investition zeigt, dass das Unternehmen bei Prozess- und Produktqualität keine Kompromisse eingeht, um seine Null-Fehler-Strategie umzusetzen.
Die Autorin Ulrike Volkmann ist verantwortlich für Corporate Communications bei Böhme & Weihs.
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