22.08.2017 – Kategorie: IT, Technik

CAD-Modelle integrieren Mechanik, E-Technik- und Elektronik

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Produkte bestehen in Zeiten von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge nicht mehr einfach aus mechanischen Komponenten, sondern beinhalten Elektrotechnik, Elektronik und Software. CAD-Systeme sollten diese Entwicklung unterstützen – ein Beispiel. von Ralf Steck

Produkte bestehen in Zeiten von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge nicht mehr einfach aus mechanischen Komponenten, sondern beinhalten Elektrotechnik, Elektronik und Software. CAD-Systeme sollten diese Entwicklung unterstützen – ein Beispiel. von Ralf Steck

Waren Maschinenbau und Elektrotechnik bis dato zwei Disziplinen an der Universität und zwei Abteilungen in den Unternehmen, die mit eher geringer Kommunikation nebeneinander her arbeiteten, werden heute integrierte Entwicklungsszenarien Realität, die alle Disziplinen zusammenbringen.

Dassault Systèmes hat darauf reagiert und mit den Erweiterungen Solidworks Electrical und Solidworks PCB eine Entwicklungsumgebung geschaffen, die Mechanik, Elektrotechnik und Elektronik in einem Modell vereint und gleichzeitig allen Disziplinen die vertrauten Werkzeuge bietet.

Von der Mechanik zur Mechatronik

Solidworks ist in seinem Kern ein typisches Mechanik-CAD-System, wurde aber im Laufe der Jahre immer wieder um Zusatzfunktionen ergänzt. Über die Jahre kamen Module für Simulation, Visualisierung, Kostenkalkulation und viele andere Bereiche hinzu. Damit hält die Software, hinter der heute der Dassault-Systèmes-Konzern steht, mit den steigenden Anforderungen an die Konstruktion und an die zunehmende Vernetzung der verschiedenen an der Entwicklung der Produkte beteiligten Abteilungen im Unternehmen Schritt.

E-Technik seit 2013 integriert

Mit dieser Strategie kam mit der Version 2013 auch die Elektrotechnik-Funktionalität in Gestalt zweier Module hinzu: Electrical Schematic Standard und Professional sowie Electrical 3D. Erstere Versionen dienen zum Erstellen einer klassischen Elektrodokumentation bestehend aus Stromlaufplänen und dazugehörige Dokumente wie Klemmenpläne, Kabelpläne, Stücklisten, I/O Listen und so weiter. Letztere (Electrical 3D) bietet zudem die Integration der elektrischen Komponenten ins 3D-Modell.

Die Besonderheit beider Produkte ist, dass das System nicht nur aus einem Solidworks-Plugin besteht, sondern für den Elektrotechnik-Entwickler eine eigenständige Anwendung bietet, die dessen Gewohnheiten und Arbeitsabläufen angepasst ist. Dabei arbeiten die Anwendungen trotzdem nahtlos auf den Solidworks-Daten, so dass die Integrität der Daten immer gewährleistet ist.

Electrical-Versionen

Electrical Schematic Professional ist eine leistungsstarke, benutzerfreundliche Suite an Konstruktionswerkzeugen, die eine schnelle Entwicklung eingebetteter Elektrosysteme ermöglicht. Durch integrierte Symbolbibliotheken, Herstellerinformationen zu Teilen und 3D-Komponentenmodellen stehen allgemeine, wiederverwendbare Materialien zur Verfügung. Dank der automatisierten Konstruktions- und Verwaltungswerkzeuge von Solidworks lässt sich eine breite Palette an langwierigen Konstruktionsaufgaben, von SPS über Klemmleisten bis hin zur Zuweisung von Kontaktquerverweisen, optimieren und vereinfachen.

Der Standardversion fehlen im Vergleich zum Professional-Paket die Funktionen zur Team-Zusammenarbeit und die 3D-Komponentenmodelle. Sie eignet sich also vor allem zur Elektrokonstruktion auf dem Einzelplatz.

Electrical 3D hingegen ermöglicht die Integration der Elektrokomponenten, die in den Stromlaufplänen definiert wurden, in das „mechanische“ Solidworks 3D-Modell einer Maschine oder eines anderen Produkts – bidirektional und in Echtzeit. Mit Electrical 3D positioniert der Konstrukteur die elektrischen Komponenten und nutzt die erweiterte Leitungsführungstechnologie von Solidworks, um elektrische Konstruktionselemente automatisch mit dem 3D-Modell zu verdrahten. Auf diese Weise lassen sich die optimalen Längen für Drähte, Kabel und Kabelbäume festlegen. Im gesamten Prozess ist gewährleistet, dass Konstruktionen und Stücklisten zwischen der elektrischen und der mechanischen Konstruktion synchronisiert bleiben.

Leiterplatten-Design integriert

Mit Version 2017 kam dann die Leiterplattenentwicklung in Form von Solidworks PCB hinzu. Bei diesem Modul arbeitet Solidworks mit Altium zusammen, einem der Marktführer in Sachen Leiterplattenentwicklung. Das Tool besteht – analog zu Electrical – aus einer Umgebung für den Leiterplattenentwickler sowie einem Solidworks-Zusatzprogramm.

Der Leiterplattenentwickler und der Mechanikkonstrukteur tauschen über die Solidworks-Datei Informationen aus, so erhält der Mechanikkonstrukteur ein Modell der bestückten Leiterplatte zum Einbauen in sein 3D-Modell, zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Leiterplattenentwicklung.

Der Mechanikkonstrukteur kann wiederum die 3D-Form der Platine und auch die Platzierung der Bestückung verändern, um sie beispielsweise in das Gehäuse einzupassen oder um LEDs oder Stecker genau hinter entsprechenden Öffnungen zu platzieren oder um hohe Bauteile in Bereiche zu verschieben, in denen mehr Bauraum zur Verfügung steht.

Natürlich kann er dabei die Bauteile nicht völlig beliebig verändern, oft sind es Signallaufzeiten, elektrische oder EMV-Anforderungen, die eine bestimmte Platzierung erzwingen. Die Änderungen des Mechanikers werden deshalb nicht einfach übernommen, sondern der Elektronikentwickler bekommt diese in der Elektronikanwendung zunächst in einer Vorschau angezeigt. Die Veränderungen sind dabei rot markiert, so dass der Entwickler prüfen kann, welche Änderungen er annehmen kann und welche er ablehnen muss. Eine integrierte Chatfunktion hilft dabei, untereinander zusätzliche Informationen auszutauschen und die letztendliche Lösung zu erarbeiten.

Zusammenwachsen auf Datenbasis

Dass Solidworks damit den kompletten physischen Produktentwicklungsprozess in einer integrierten Lösung abdeckt, ist die eine Seite dieser Systemarchitektur. Viel interessanter ist jedoch, dass die Zusatzprogramme zusammenarbeiten. So liefert der PCB Connector, die Verbindungsapplikation zwischen der Leiterplattenentwicklung und Solidworks, nicht nur Geometriedaten, sondern alle Daten, die auf der Elektronikseite bekannt sind.

Das bedeutet, dass beispielsweise die Verlustleistung von Bauteilen – wenn sie in der Elektronikdatenbank eingetragen ist – auch in Solidworks zur Verfügung steht. Diese Daten wiederum können beispielsweise ohne Rückfrage in der Thermalsimulation mit Solidworks Simulation genutzt werden, um die Erwärmung der Elektronik zu berechnen und die Wärmeabfuhr durch Gehäuseöffnungen oder über Ventilatoren zu berechnen.

Gerade in sehr platzsensitiven Anwendungen kommt dem Thermomanagement große Bedeutung zu. Es können dort üblicherweise keine Ventilatoren eingesetzt werden, die Wärmeabfuhr muss also passiv umgesetzt werden. Dazu ist es wichtig, dass genug Platz zwischen Gehäuse und wärmeabstrahlenden Bauteilen vorhanden ist, damit ein Luftzug entstehen kann. Dies lässt sich beispielsweise dadurch erreichen, dass der Anwender die großen Bauteile entsprechend auf der Platine platziert und der Elektroniker den unkritischen Teil der Bestückung dann um diese Teile herum gruppiert.

Oft wird dazu auch eine mehrlagige Platine mit relativ dicken und großflächigen Kupferschichten eingesetzt, die Wärme von den Bauteilen weg und zum Gehäuse hin transportieren. Da bei der Übergabe der Platinendaten auch die Kupferinformation mit an Solidworks übergeben werden, lassen sich auch die Effekte dieser Wärmeleitung simulieren.

Und natürlich lassen sich die beiden Zusatzprogramme auch miteinander verbinden – so entsteht beispielsweise von einer Sondermaschine ein realistischer digitaler Zwilling mit allen Details. Selbstentwickelte Elektronikkomponenten aus Solidworks PCB werden in den mit Solidworks Electrical geplanten und in Solidworks dreidimensional ausgestalteten Schaltschrank verbaut und mit virtuellen Kabeln verbunden. Der mechanische Aufbau der Maschine in Solidworks wird mit Kabeln, Sensoren und Aktuatoren aus Electrical vervollständigt.

Resümee

Mit den beiden Erweiterungen Electrical und PCB zeigt Dassault Systèmes Solidworks, wie sich der Mechatronik-Gedanke im Unternehmen umsetzen lässt. Essentiell ist die enge Verknüpfung der Daten aus den Systemen in einer Datei, wodurch die Daten allen anderen Projektbeteiligten zur Verfügung stehen. Stücklistenerstellung und Dokumentation sind weitere Bereiche, die von der Integration der Elektrotechnik und Elektronik profitieren können, denn mit dieser Entwicklungsumgebung ist es erstmals und in dieser nahtlosen Form möglich, wirklich allumfassende 3D-Modelle zu erstellen, zu visualisieren und zu simulieren. jbi

Autor: Dipl.-Ing. Ralf Steck ist freier Fachjournalist für CAD-, CAM-, IT- und Maschinenbau-Themen in Friedrichshafen.


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