05.02.2018 – Kategorie: Fertigung, IT

CAD/CAM: Audis Werkzeugbau gibt Gas

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Gemeinsam mit den Zerspanungsspezialisten des Audi-Werkzeugbaus gelang dem CAD/CAM-Entwickler Vero Software die Implementierung einer neuen Hochvorschubstrategie. Beim Vorschlichten verschiedener Presswerkzeuge konnte Audi bis zu 30 Prozent der Bearbeitungszeit einsparen. Auch die Werkzeugstandzeiten haben sich verdreifacht.

Gemeinsam mit den Zerspanungsspezialisten des Audi-Werkzeugbaus gelang dem CAD/CAM-Entwickler Vero Software die Implementierung einer neuen Hochvorschubstrategie. Beim Vorschlichten verschiedener Presswerkzeuge konnte Audi bis zu 30 Prozent der Bearbeitungszeit einsparen. Auch die Werkzeugstandzeiten haben sich verdreifacht. von Wolfgang Klingauf

Der Werkzeugbau der Audi AG, der seit Jahresbeginn 2017 den offiziellen Namen „Kompetenzcenter Anlagen- / Umformtechnik“ (KCU) trägt, gehört seit jeher zu den Kernkompetenzen der Audi AG. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen sowohl Presswerkzeuge für Türen, Motorhauben und Seitenteile der Fahrzeuge als auch die Anlagen für den Karosseriebau. Vom internationalen Wettbewerb angetrieben, sind die Verantwortlichen permanent auf der Suche nach Innovationen, mit denen sich Abläufe und Ergebnisse verbessern lassen.

Einer, der sich beim KCU täglich mit Innovationen beschäftigt, ist Markus Brunner, Mitglied im Team „Betriebsmanagement Maschinentechnik“. Zu seinen Aufgaben gehört es, die zerspanende Fertigung im Werkzeugbau in Sachen CAD und CAM zu optimieren. Er erklärt: „Wir sind hier mit Einzelteilbearbeitung konfrontiert, woraus besondere Anforderungen erwachsen. Der häufige Produktwechsel erfordert vor allem eine große Flexibilität in der Zerspanung. Diesbezüglich kommt auch einer effizienten CAM-Programmierung große Bedeutung zu.“

Markus Brunner beschäftigt sich vor allem damit, die Bearbeitungsqualität zu steigern und Durchlaufzeiten und damit Bearbeitungskosten zu reduzieren. Sein Partner auf Seiten der Programmiersoftware ist Vero Software, die das CAM-System WorkNC entwickelt.

„Wir nutzen WorkNC durchgängig vom 3-Achs- und 3+2-Achs- bis zum 5-Achs-Simultan-Fräsen von Formenwerkzeugen sowie zunehmend auch in der 2,5D-Bearbeitung“, erläutert Markus Brunner den Einsatzbereich. „Die Programmierung und Handhabung von WorkNC ist einfach, was in der Einzelteilfertigung besonders wichtig ist. Selbst komplizierte Bauteile können wir intuitiv und schnell programmieren.“ Zudem biete WorkNC viele Möglichkeiten, um die Programmierung trotz Einzelteilfertigung zu standardisieren und zu automatisieren. Als vielfältig und effizient bezeichnet er darüber hinaus die bereitgestellten Bearbeitungsstrategien, die es ermöglichen, jedes Bauteil wirtschaftlich zu programmieren und zu bearbeiten.

Fräsen mit hohem Vorschub

Um die Fräsbearbeitung künftig noch effizienter zu machen, entwickelt Vero die CAM-Software permanent weiter. Das Release 2017 R1 enthält beispielsweise eine neue Hochvorschubstrategie, die auf Anregung der Audi Werkzeugbauer entstanden ist.

Während es beim Hochgeschwindigkeitsfräsen (High Speed Cutting, HSC) in erster Linie um das Erzeugen qualitativ hochwertiger Oberflächen geht, steht das Hochvorschubfräsen (High Feed Cutting, HFC) für kurze Bearbeitungszeiten beim Schruppen und Vorschlichten. Verschiedene Anbieter haben dafür spezielle Werkzeuge mit Hochvorschubgeometrien entwickelt, deren Schneidkanten eine deutlich größere Kontaktlinie zum Werkstück aufweisen als herkömmlich eingesetzte Rundwendeplatten.

Dadurch geht die radiale Schnittkraftbelastung auf den Fräser und die Maschinenspindel so stark zurück, dass sich deutlich höhere Zahnvorschübe fahren lassen und das Zeitspanvolumen auf ein Mehrfaches ansteigt. Das wirkt sich insbesondere bei der zerspanungsintensiven Schrupp- beziehungsweise Vorschlichtbearbeitung positiv auf Bearbeitungszeit und Fertigungskosten aus.

Fräswerkzeuge beliebiger Kontur

Bis dato stellten Fräswerkzeuge mit spezieller Geometrie ein Problem dar: CAM-Systeme konnten die neuen Hochvorschubgeometrien nur unzureichend abbilden, was in der praktischen Anwendung zu einem undefinierten Aufmaß auf der Bauteiloberfläche führte. Das wiederum beeinträchtigte die Prozesssicherheit im nachgelagerten Schlichtprozess.

Die neue Hochvorschubstrategie in WorkNC berücksichtigt nun die Abweichungen der Fräswerkzeuggeometrien mit nicht regulärer Schneide. Das verhindert, dass am Werkstück undefinierte Aufmaße entstehen. Markus Brunner ist vom Ergebnis begeistert: „Durch diese neue Strategie ist es möglich, Fräswerkzeuge jeglicher Kontur einzusetzen, also auch solche, deren Schneide von einer Regelgeometrie wie Kugel oder Torus abweicht. Damit können wir sogar Fräswerkzeuge nutzen, die speziell auf einen definierten Anwendungsfall hin konzipiert wurden.“

Brunner und seine Kollegen waren Impulsgeber für die Neuentwicklung. Zudem stellten sie für Testzwecke Maschinenkapazität zur Verfügung. In Versuchen wurde zum Beispiel das negative Flächenoffset eines Presswerkzeugs für eine Autotür gefräst. Während die Vorschlichtbearbeitung des Türaußenteils bislang drei Stunden und 15 Minuten dauerte und die Schneidplatten dreimal gewechselt werden mussten, gelang die Bearbeitung mit der neuen Hochvorschubstrategie in nur einer Stunde und 42 Minuten – und ohne Plattenwechsel. Das eingesetzte Werkzeug war ein Hochvorschubfräser 1DP1E von Ingersoll Cutting Tools (PEMT0502ZCTR-HR; 65 Millimeter Auskraglänge).

Größeres Zeitspanvolumen erreicht

„Durch den Einsatz der Hochvorschubstrategie und entsprechenden Werkzeugen können wir beim Vorschlichten bis zu 30 Prozent der Bearbeitungszeit einsparen“, berichtet Markus Brunner aus seiner Erfahrung. Zur längeren Werkzeugstandzeit tragen die im Vergleich zu Rundplattenfräsern geringeren Abdrängungskräfte bei. Da die hauptsächlichen Bearbeitungskräfte in Z-, also in Spindelrichtung, entstehen, kommt es zu weniger Schwingungen und das Werkzeug läuft in der Regel ruhiger, was sich positiv auf die Schneiden auswirkt.

Als Besonderheit hebt Markus Brunner hervor: „Die neue Strategie kann auch bei negativem Flächenoffset eingesetzt werden, was nach meinem derzeitigen Wissenstand kein anderer CAM-Anbieter ermöglicht. Wir werden sie jedenfalls in Zukunft bei allen Bauteilen im Bearbeitungsschritt Vorschlichten einsetzen.“

Stimmiges Gesamtpaket

Für Markus Brunner und seine Kollegen ist die neue Hochvorschubstrategie ein Beispiel für die gute partnerschaftliche Zusammenarbeit zu Vero Software. Die Zufriedenheit erstreckt sich jedoch auf viele weitere Punkte, wie der CAM-Experte ausführt: „Enorm wichtig sind für uns die Möglichkeiten zum nachträglichen Modifizieren von programmierten Fräsbahnen wie das bereichsweise Offsetieren und Schneiden von Bahnen.“ Er erwähnt zudem die kurzen Berechnungszeiten durch 64-Bit- und Multiprozessor-Technologie, die gerade beim Programmieren großer Bauteile von großer Bedeutung sind.

Sehr geschätzt wird auch die Flexibilität des Gesamtsystems. Die Postprozessoren von WorkNC sind zum Beispiel nicht verschlüsselt und können durch den Anwender angepasst werden. „Dadurch ist es uns in den letzten Jahren gelungen, den Automatisierungsgrad in unserer Einzelteilfertigung deutlich zu steigern“, kommentiert Markus Brunner. Somit lässt sich auch die CAM-Ausgabe zügig an die immer komplexer werdende Maschinentechnik anpassen, so dass das Potential der Werkzeugmaschinen vollständig ausgeschöpft werden kann. jbi

Autor: Wolfgang Klingauf ist Fachjournalist in Augsburg.


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