27.09.2023 – Kategorie: Fertigungs-IT
Bidirektionale Schnittstelle: Wertvolle Daten gewinnen und nutzen
Daten sind das Öl der Zukunft. Das ist heute fast schon eine Stammtisch-Floskel und damit gewissermaßen Konsens. Doch um beim Vergleich zu bleiben: Öl ist nicht gleich Öl. Das gleiche gilt für Daten: nicht alle sind gleich wertvoll. Die großen Schätze liegen in der Tiefe. Warum es sich lohnt, jetzt danach zu graben.
Bidirektionale Schnittstelle: Die erste Herausforderung ist, zu erkennen, wie Daten grundsätzlich erschlossen werden können. Die zweite liegt darin, an die Daten zu kommen, die den größten Nutzen bringen. Und ähnlich wie beim Öl helfen leicht zu erschließende Vorkommen wenig, denn die wirklich großen Schätze liegen in der Tiefe.
Verschiedene Software miteinander verbinden
Der Einsatz von Digitalisierungssystemen in der spanenden Fertigung ist nicht neu und vielfach gängige Praxis. Neben CAD/CAM-Systemen setzen fortschrittliche Unternehmen auf ERP-Systeme, zum Teil mit Erweiterungen oder in Kombination mit PPS (Produktionsplanung und -Steuerung). Doch bei den bestehenden Lösungen mangelt es an der Datenqualität und Durchgängigkeit, also an der Möglichkeit, tiefliegende Daten in der Fertigung zu erschließen und zu vernetzen.
Zwar gibt es auch funktionierende Ansätze, um beispielsweise Maschinendaten zu erfassen (MDE). Jedoch eignen sich diese Daten wegen ihrer geringen Qualität allenfalls zur Nachkalkulation. Zumal der Datenfluss in der Regel ohnehin nur unidirektional, also von der Ressource zum System, verläuft. Von echter Steuerung, also einem direkten Zu- oder Eingriff auf beziehungsweise in wertvolle Ressourcen kann hier keine Rede sein.
Handlungsfähig bleiben
Im Fertigungsumfeld, insbesondere in handwerksnahen Bereichen mit geringen Stückzahlen bis zu Stückzahl 1, nimmt die Datenmenge pro Erzeugnis mit fortschreitender Wertschöpfung immer mehr zu.
Gibt es in frühen Phasen eines Auftrags oder Projekts zunächst vor allem kaufmännische oder technisch übergeordnete Informationen wie Baugruppen und Positionen, so kommen mit der Zeit vor allem technische Detailinformationen hinzu. Das sind zum einen Spezifikationen wie Unterpositionen, Zukaufteile, Materialien, aber auch Prozess- und Bearbeitungsinformationen: wer macht wann, was, wie mit welcher Ressource? Erschwerend kommt hinzu, dass diese zunehmende Informationsmenge häufigen Planungs- oder Anforderungsänderungen ausgesetzt ist.
Um auch in einem fortgeschrittenen Auftragsstadium so handlungsfähig wie möglich zu sein, ist es also entscheidend, den großen und wertvollen Datenschatz zu erschließen. Das gelingt zum Beispiel über die tiefe bidirektionale Anbindung von Fertigungsressourcen wie CNC-Fräsmaschinen, Bearbeitungswerkzeugen, Voreinstellgeräten aber auch Handarbeitsplätzen.
Diese tiefgehende Erschließung feingranularer Fertigungsinformation ist allerdings technisch sehr anspruchsvoll, da bestehende und über Jahre gewachsene Fertigungslandschaften häufig sehr heterogen ausgeprägt sind und auch, weil es sich, zum Beispiel im Falle von CNC-Bearbeitungsmaschinen, um hochkomplizierte Daten und Vorgänge handelt.
Von zentraler Bedeutung ist allerdings, dass die gewonnene Information durchgängig miteinander verknüpft wird. Heute vielfach anzutreffende Insellösungen, wie Fertigungszellen mit isoliertem Leitsystem, können nur einen Bruchteil ihres Potenzials entfalten, wenn die vor- und nachgelagerten Prozesse nicht in den Informationsfluss eingebunden sind.
Die Herausforderung liegt sowohl darin, den wertvollen Datenschatz zu heben (sinngemäß sehr tief zu bohren), als auch darin, die gewonnen Daten durchgängig miteinander zu vernetzen.
Ressourcen optimieren durch bidirektionale Schnittstelle
Wenn über die benötigten und eingesetzten Ressourcen maximale Transparenz herrscht, können deren Bestand und Verwendung nachhaltig optimiert werden. In der spanabhebenden Fertigung gehören beispielsweise Fräswerkzeuge zu den wertvollsten und teuersten Ressourcen. Wenn zum einen bekannt ist, welche Fräswerkzeuge in Anzahl und verbleibender Qualität in der Fertigung vorhanden sind und zum anderen bekannt ist, wann welches Werkzeug in der Zukunft gebraucht wird, lässt sich der Bestand entsprechend optimieren und ein effizientes Beschaffungsmanagement ist möglich. Unternehmen sparen viel Geld.
Mitarbeiterzufriedenheit steigern
Wenn alle bestehenden und langfristig gebundenen Ressourcen wie Menschen und Maschinen optimal eingesetzt werden, lassen sich Stillstandszeiten reduzieren, überflüssige Handgriffe und Laufwege vermeiden und Korrespondenzen optimieren. In Folge werden Ressourcen für wertschöpfende und kreative Tätigkeiten frei. Ein in Zeiten des Fachkräftemangels nicht zu unterschätzender Nebeneffekt ist, dass Mitarbeiter entsprechend ihrer Talente und Neigungen eingesetzt werden können, was deren Zufriedenheit nachhaltig steigert.
Schäden minimieren durch bidirektionale Schnittstelle
Vor allem beim Einsatz von Fertigungsressourcen wie CNC-Fräsmaschinen können Fehleingaben empfindliche Schäden verursachen. Je nach Größe des zu fertigenden Werkstücks sind fünfstellige Schadenssummen schnell erreicht. Folgekosten durch Ausfallzeiten und Reputationsverlust wegen verspäteter Lieferung nicht einkalkuliert. Fehleingaben sind allein deshalb keine Seltenheit, weil die große Menge an Informationen, die zur Konfiguration einer Bearbeitungsmaschine nötig sind, unter großem Zeitdruck durch den Maschinenbediener überwiegend händisch eingegeben werden müssen. Ein Tippfehler kann ausreichen, um einen oben beschriebenen Schaden zu verursachen. Liegen jedoch alle für die Konfiguration der Maschine erforderlichen Daten vor und werden diese durch ein System automatisch zum richtigen Zeitpunkt auf die Maschine übertragen, sind Maschinenschäden nahezu ausgeschlossen. Auch hier entsteht nicht nur ein finanzieller Vorteil für das Unternehmen. Der Maschinenbediener wird auf diese Weise erheblich entlastet, was sich bedeutend auf die Arbeitsplatzqualität auswirkt.
Künstliche Intelligenz nutzen
In allen Bereichen der Wirtschaft ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz auf dem Vormarsch. Auch wenn zum Teil noch gar nicht klar ist, wie der Einsatz genau aussehen kann, ist es dennoch klar, dass diese Technologie alle Lebensbereiche stark verändern und prägen wird. Was jedoch kaum erwähnt wird: um KI überhaupt einsetzen zu können, bedarf es einer sehr großen Datenmenge in aussagekräftiger Qualität. Ohne Daten keine KI. Zwei Dinge werden also immer dringender: erstens, der Einsatz von Systemen zur Generierung von qualitativ hochwertigen Daten. Und zweitens, der zeitnahe Einstieg in die Digitalisierung, weil die Generierung von wertvollen Daten in der erforderlichen Menge, vor allem Zeit braucht.
Neue Geschäftsmodelle entwickeln
Die Fertigungsindustrie steht im Hochlohnland Deutschland durch die Globalisierung, aber auch durch den technologischen Wandel schon länger unter Druck. Dadurch verändert sich der Markt und bestehende Geschäftsmodelle müssen unter Umständen angepasst, mindestens aber ergänzt werden, um zukunftsfähig zu bleiben. Verfügbarkeit von und Wissen über die eigenen Daten kann hierbei ein zentraler Vorteil sein. So können beispielsweise Beratungsdienstleistungen entwickelt und angeboten werden. Von den Möglichkeiten datenbasierter Geschäftsmodelle, also dem Einsatz von Daten als Produkt, ganz zu schweigen.
Bidirektionale Schnittstelle: Jetzt handeln
Nachhaltigkeit ist ein Megatrend unserer Zeit. Was vielfach noch gar nicht bekannt ist: die Nachweispflichten über nachhaltige Produktion nimmt in den kommenden Jahren erheblich zu – Stichwort ESG. Unternehmen müssen dann Daten liefern, die eine nachhaltige Unternehmensführung bestätigen. Ohne den Einsatz von modernen Digitalisierungssystem müssen diese Daten mühsam und aufwändig manuell erfasst werden. In einer Branche mit ohnehin schon geringen Margen, kann das sehr schmerzhafte bis hin zu kritischen Auswirkungen haben.
Die Herausforderungen, denen die Fertigungsindustrie heute gegenübersteht, sind gewaltig und müssen zügig angegangen werden. Auch wenn einige Unternehmen durch kluge Strategien und solide Unternehmensführung gut wirtschaften, so stehen auch diese vor den oben beschriebenen Herausforderungen der Zukunft. Digitalisierung ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Und ein Marathon braucht viel Vorbereitung. Die Zeit zu handeln ist also genau jetzt.
Der Autor Benjamin Neubauer ist Gesellschafter und Prokurist bei Evomecs.
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