22.03.2022 – Kategorie: Automatisierung & Robotik
Automatisierungssystem: Wenn der Spritzguss robotiv wird
Die KBS-Spritztechnik hat fünf Spritzgießmaschinen mit Roboter-Automatisierungssystemen der EGS Automation aus Donaueschingen ausgestattet. Drei Anlagen befinden sich im Heimatwerk in Schonach, zwei weitere im Zweigwerk im kanadischen Barrie/Ontario. EGS bezeichnet sich selbst als „robotiv“.
Automatisierungssystem in der Praxis: Die KBS Spritztechnik fertigt komplexe Kunststoffteile für Antriebslösungen als Ein- und Mehr-Komponenten-Kombinationen aus Metall und Kunststoff oder Kautschuk. Technische Spritzguss-Formteile wie Gehäuse, Zahnräder, Schnecken, Spindeln, Zahnstangen oder Riemenräder gehören ebenso zu den Kernkompetenzen des Unternehmens, wie das Umspritzen von Kontakten, Kugellagern, Wellen und Zahnrädern aus Metall. Das führt uns zum Thema, der automatisierten Herstellung von Kunststoffhybridbauteilen.
Automatisierungssystem für gesamten Fertigungsprozess
Auf den Anlagen von EGS (Automatisierungssystem) werden Gehäuse für mechatronische Aktuatoren hergestellt, die derzeit in Abgassystemen bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sowie Hybridantrieben eingesetzt werden. Die Bauteile werden in zwölf Varianten gefertigt. Auch für zukünftige Fahrzeuge mit alternativen Antriebssystemen sind Projekte in der Realisierung.
Der Fertigungsprozess ist vollständig durchautomatisiert. Von der Bereitstellung der Einlegekontakte als Stanzband auf einem Coil bis zur Verpackung der geprüften Fertigprodukte in ökologisch sinnvollen, leichten und wiederverwertbaren Mehrwegverpackungen.
Drei Roboter pro Anlage
In jeder Anlage sind drei Roboter von Yaskawa verbaut. Zwei kleine 6-Achs-Roboter, die sich um die präzise Kontaktbereitstellung kümmern. Außerdem ein größerer Roboter, der die Fertigteile aus dem Spritzgusswerkzeug entnimmt, die bereitgestellten Kontakte einlegt und das nachfolgende Handling in eine Prüfeinrichtung und die abschließende Verpackung übernimmt.
Da es über den Zeitraum von der Lieferung der ersten Anlage bis zur fünften Anlage einen Generationswechsel beim Roboterhersteller von der MH-Baureihe zur GP-Serie gab, sind unterschiedliche Typen in den Anlagen im Einsatz. Die Durchgängigkeit und Abwärtskompatibilität sowie Kontinuität bei der Handhabung und Programmierung der Yaskawa-Roboter ermöglichte eine problemlose Integration der neuen Generation in das bestehende Anlagenkonzept.
Kontakte werden getrennt und gebogen
Der automatisierte Fertigungsablauf beginnt mit der Abwicklung der Stanzbänder vom Coil mit entsprechender Ausrichtung und Zuführung in das Stanz-Biege-Werkzeug. Hier werden die Kontakte getrennt, gebogen und von den ersten beiden 6-Achs-Robotern entnommen und auf einem Rundtakttisch nacheinander auf zwei Stationen bereitgestellt. Dabei erfolgt auch eine erste sensorische Prüfung im Automatisierungssystem, ob die Kontakte entsprechend entnommen wurden und vorhanden sind. Die Roboter haben sieben Kilogramm Tragkraft und gut 900 Millimeter Reichweite.
In der nächsten Station des Rundtakttisches werden dem Einlegeroboter, einem Yaskawa 6-Achs-Roboter mit 25 Kilogramm Tragkraft und einer Reichweite von mehr als 1.700 Millimeter, die einzulegenden Kontakte lagerichtig in der Orientierung des Spritzgießwerkzeuges bereitgestellt. Er entnimmt mit seinem Multifunktionsgreifwerkzeug die Einlegeteile, prüft die Vollständigkeit und fährt zur Spritzgussmaschine, einer Engel-Vertikalmaschine mit 160 Tonnen Schließkraft. Diese Rundtischmaschinen ermöglichen die Entnahme der Fertigteile aus dem Werkzeug und die Neubestückung mit Einlegeteilen, während parallel im zweiten baugleichen Werkzeug der Spritzgießvorgang abläuft. Das eliminiert den Hauptzeitanteil für das Be- und Entladen durch den Roboter aus dem Herstellzyklus nahezu komplett. Lediglich die Tischdrehdauer wirkt sich dabei noch minimal aus.
Schnelle Umrüstung auf andere Bauteilvarianten
Alle Roboter sind mit Greiferwechselsystemen ausgerüstet, die eine schnelle und einfache Umrüstung auf andere Bauteilvarianten erlauben. Aufgrund der Kompatibilität können alle Greifwerkzeuge in allen fünf Anlagen eingesetzt werden. Die Wechselgreifwerkzeuge werden über RFID-Codierungen erkannt, und die Anlage prüft vollautomatisch nach dem Rüstvorgang, ob die gerüsteten Greifwerkzeuge zur vorgewählten Variante passen. Die Spritzgießwerkzeuge ebenso wie Stanz-Biege-Werkzeuge werden innerhalb der Burger Group in den Schwesterunternehmen SBS-Feintechnik und KBS-Stanztechnik entwickelt und hergestellt.
Die fertig gespritzten Bauteile werden, je nach Variante, 1-fach oder 2-fach aus dem Werkzeug entnommen. Das Robotergreifwerkzeug hat neben den Funktionseinheiten zur Handhabung der Einlegekontakte und zum Handling der fertigen Gehäuse noch eine spezielle Positionierfunktion beim Einlegen in die Spritzform. Um die erforderliche hohe Genauigkeit zu gewährleisten, hat EGS Automation eine spezielle Andock-Positionierfunktion mit schwimmender Lagerung realisiert, die die Einlegegenauigkeit prozesssicher gewährleistet. Nach der Entnahme der Fertigteile werden diese in einer elektrischen Prüfstation geprüft. Dabei wird mit einer Durchgangsprüfung sichergestellt, dass zum einen zwischen den Pins, die elektrisch kontaktieren müssen, eine Verbindung besteht.
Bild: EGS Automation
Zum anderen wird mittels einer Durchschlagsprüfung verifiziert, dass im Spritzgießprozess nicht versehentlich Leiterbahnen innerhalb des Kunststoffs Kontakt bekommen haben, die eigentlich galvanisch getrennt sein müssen. Die Prüfstation selbst wird zyklisch automatisch vom Roboter mit Referenz-Fehlerteilen bestückt, um deren Funktion sicherzustellen und so die Fehlerfreiheit gegenüber den Kunden sicher zu gewährleisten.
Fehlerhafte Teile werden über entsprechende Ausgaberutschen ausgeschleust. Ebenso wer- den Anfahrteile nach Neustart der Anlage über diese Rutschen ausgegeben. Auf Anforderung können darüber hinaus QS-Teile, getrennt nach Werkzeugkavität, über eine spezielle Ausgabe zur Verfügung gestellt werden, wodurch der Prozess kontinuierlich überwacht werden kann.
Abschließend werden die fertigen Bauteile in die Kundenverpackungen verpackt. Die Mehrwegtrays im Format 800 x 600 Millimetern werden über ein Palettiersystem mit Traystapler vom Stapel leer bereitgestellt und danach gefüllt gestapelt.
Automatisierungssystem: Zu Wasser und zu Lande
Die gesamte Automationseinheit ist als komplette und kompakte Zelle auf einem Grundrahmen mit Schutzumhausung und Dach aufgebaut. Beim Engineering wurde bereits darauf geachtet, dass die Anlagen sowohl in See-Containern als auch auf einem LKW komplett montiert transportiert werden können. Die Inbetriebnahme in der Fertigung an der Spritzgießmaschine wird dadurch signifikant verkürzt. In den Einheiten finden alle Elektroschaltschränke sowie die Robotersteuerungen Platz, so dass die Medienversorgung und Einspeisung zentral für die gesamte Anlage an einer Stelle erfolgen kann.
Bedienung und Ansteuerung der Roboter und Einzelkomponenten erfolgen über eine zentrale SPS-Steuerung mit großem Bedienpanel, das als HMI dient und eine komfortable Eingabe und Statusüberwachung erlaubt. Die Bedienoberfläche wurde von EGS Automation nach Kundenwunsch anlagenspezifisch programmiert.
Der Autor Heiko Röhrig ist Leiter Vertrieb & Marketing bei EGS Automation.
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