07.05.2018 – Kategorie: Fertigung
Additive Fertigung: Die Zahnbürste aus Metall
Italienisches Design ist legendär. Alessi, Pininfarina, Colani. Wir denken an Autos mit eleganten Linien, edle Möbel oder kultige Haushaltsgegenstände. Nun wagte sich das Unternehmen Zare aus Boretto (Italien) mit dem Designbüro von Christoph Nussbaumer an ein Zahnbürsten-Design, das in vieler Hinsicht besonderes verkörpert. von Guido Radig
Italienisches Design ist legendär. Alessi, Pininfarina, Colani. Wir denken an Autos mit eleganten Linien, edle Möbel oder kultige Haushaltsgegenstände. Nun wagte sich das Unternehmen Zare aus Boretto (Italien) mit dem Designbüro von Christoph Nussbaumer an ein Zahnbürsten-Design, das in vieler Hinsicht besonderes verkörpert. von Guido Radig
Dass der 3D-Metalldruck Funktionalität und Geometrie von Produkten neu definiert, zählt zu seinen verfahrenstechnischen Stärken. So überrascht es wenig, dass auch eine 3D-Zahnbürste aus Metall anders als herkömmliche Zahnbürsten wirkt. Zwar sind spritzgegossene Zahnbürsten aus Kunststoff bereits seit vielen Jahren Designobjekte, die 3D-Metallzahnbürste von Zare geht allerdings noch einen Schritt weiter.
Zare und der 3D-Druck
Andrea Pasquali, Mitinhaber von Zare sucht in der Krisenzeit 2008 bis 2010 als Dienstleister im Prototyping und der Kleinserienfertigung nach neuen Geschäftsfeldern und Herstellungsmöglichkeiten. „In diesem Zusammenhang sind wir auf das Thema Additive Manufacturing und dessen Chancen gestoßen. Relativ schnell erkannten wir die besonderen Stärken dieser Fertigungstechnologie gegenüber konventionellen Verfahren für unsere Kunden aus den Bereichen Luft- und Raumfahrt, Medizin- und Dentaltechnik, dem Motorsport und der Verpackungsindustrie.“, erläutert Pasquali. Die Vorteile lagen auf der Hand – AM sparte Zeit und Geld. Produkte waren schneller verfügbar, es gab keine Werkzeuge oder Vorlaufkosten. Auch bei der Funktionalität und Geometriefreiheit bietet AM bislang unbekannte Möglichkeiten, ein Bauteil zu designen.
„Die generelle Aussage, dass die Herstellung mittels AM zu teuer sei, wollten wir nicht gelten lassen, da es insbesondere darauf ankommt, die richtigen Bauteile für die additive Fertigung zu identifizieren. Im Jahr 2009 schafften wir uns daher den ersten 3D-Kunststoffdrucker an.“, erklärt der Zares-Inhaber.
Metall war gefragt
Zunehmende Anfragen nach metallischen Produkten signalisierten Zare die wachsende Bedeutung des 3D-Metalldrucks. So begann man zunächst, Metallprojekte mit einem Dienstleister abzuwickeln. Schnell zeigten sich aber Stolpersteine, insbesondere bei der Oberflächengüte. Im Jahr 2013 beschaffte sich Zare daher seinen ersten eigenen 3D-Metalldrucker – eine M2-Cusing-Anlage von Concept Laser. „Das war ein logischer Schritt für uns. Wir konnten Anfragen und Aufträge nun eigenverantwortlich, schnell und vor allem konstruktiv abwickeln. Heute liegt unser Verhältnis von Kunststoff- zu Metallprodukten bei 40 zu 60“, erläutert Andrea Pasquali.
Neue Wege gehen
Obwohl Zare im 3D-Metalldruck bereits erfolgreich unterwegs war, lag die Idee einer Designer-Zahnbürste aus Metall alles andere als nahe. Auch nicht, als Andrea Pasquali im Jahr 2015 auf den bereits aus anderen Projekten bekannten österreichischen Designer Christoph Nussbaumer zuging, um mit ihm zusammen den Grundstein für ein weiteres Standbein zu schaffen.
Inspiriert von der gemeinsamen Begeisterung für die Geometriefreiheit, welche die AM-Technologie mit sich bringt, entstanden verschiedenste Ideen. Ziel war es, einen Gegenstand des alltäglichen Gebrauchs in ein Luxusgut zu verwandeln, das formbedingt nur additiv herzustellen wäre.
Letztendlich fiel die Wahl auf eine „individualisierbare“ Zahnbürste aus Metall. Die Herstellkosten waren dabei nicht entscheidend. Das einzigartige Design, der Exklusivitätsgedanke sowie die Benutzerfreundlichkeit, in diesem Fall die Ergonomie, standen im Mittelpunkt.
Die medizintechnische Erfahrung führte zur Frage, warum die Zahnbürsten nicht aus einem Edelstahl oder Titan fertigen? Beide Materialien sind in der Zahnmedizin geläufig und für den oralen Einsatz zertifiziert. Zudem strahlen beide Materialien die gewünschte Wertigkeit und Exklusivität aus. Die Erfahrung versprach auch: Mit der vorhandenen Cusing-Multilaser-Anlage wäre auch eine sehr gute Oberflächenqualität zu erzielen.
Denn gerade im sehr sensitiven oralen Bereich kommt es auf eine perfekte Oberflächenqualität des Endproduktes an. Deshalb erfolgt auch eine rein manuelle Nacharbeit der Zahnbürste, um ein perfektes Ergebnis zu erzielen und maximalen Gebrauchskomfort zu gewährleisten.
Individualität und neue Marke
Nach rund einem halben Jahr hatte man sich auf zwei Design-Varianten festgelegt, die jeweils in der Ausführung für Rechtshänder und Linkshänder sowie in zwei verschiedenen Materialen (Edelstahl 316L und Titan) erhältlich sind. Beide Design-Versionen wurden patentiert. Jede Zahnbürste hat eine Seriennummer und ist individualisierbar.
Die Oberfläche kann matt, poliert oder galvanisiert geordert werden, oder in einer Raw-Version ohne Oberflächenbehandlung. Mit seinem ergonomischen Design und wechselbarem Borstenkopf, dessen Grundkörper aus Silber besteht, ist die 3D-gedruckte Zahnbürste extrem langlebig, individualisierbar und signalisiert ein neues Niveau der Wertigkeit in der Anmutung. Dies wird auch durch die hochwertige Verpackung, in der das gesamte Set ausgeliefert wird, unterstrichen, die zudem mittels 3D-Kunststoffdruck hergestellt wird.
Das neue Produkt aus dem Consumer-Bereich erforderte aber auch eine andere Vermarktungsstrategie mit einem eigenen Markennamen, zur Entkoppelung eines Produzenten und Vermarkters vom bisherigen Profil eines Dienstleisters. Die Idee für das Branding war dann der Name „MIO“, was zu Deutsch „Mein“ bedeutet. Keine ungewöhnliche Wahl für ein individualisierbares Luxusprodukt.
Im September 2017 ist der Verkaufsstart erfolgt. Bei erfolgreicher Markteinführung kann man sich bei Zare auch vorstellen, dass die geschaffene Marke zukünftig weitere AM-Luxusprodukte umfassen wird. In jedem Falle zeigt die „Bauchentscheidung“ von Zare schon heute eines ganz klar: Es geht beim 3D-Metalldruck darum, die Kreativität von Design und Geometrie in neue Produkte und neue Funktionalitäten umzusetzen.
Concept Laser bei Zare
Als Zare im Jahr 2013 in den 3D-Metalldruck eingestiegen ist, wollte das Unternehmen die manchmal negativen Erfahrungen mit Dienstleistern in puncto Qualität und Oberflächengüte möglichst vermeiden. Durch den Vertriebspartner Ridix von Concept Laser in Italien fand Zare den Anlagenhersteller seiner Wahl. Die positiven Erfahrungen mit der ersten Investition in eine M2-Cusing-Anlage führten zur Anschaffung einer Mlab Cusing R. Hinzu kamen bald drei weitere M2 Cusing Multilaser und schließlich eine X Line 2000R, um auch sehr große Teile anbieten zu können. Von Anfang an war die Verlässlichkeit der M2 bei Zare sprichwörtlich. Gelobt wurde auch das besonders gute Handling durch die Concept-Laser-typische Trennung von Prozessstufe und Handling-Stufe, vor allem, es ging ja auch um die Verarbeitung von reaktivem Titan, unter Sicherheitsaspekten.
Andrea Pasquali kommentiert: „Auf anderen am Markt verfügbaren Maschinen dauerte ein Materialwechsel, und der ist bei uns nichts Ungewöhnliches, sehr lange und zudem war er kompliziert. Wollten wir flexibel in der Produktion sein, dann waren Materialwechsel wirtschaftlich nur auf den Maschinen von Concept Laser möglich. Diese Maschinen sind sehr viel einfacher einsetzbar und bieten deutlich mehr Flexibilität und Sicherheit als andere Maschinen, die wir kennen.“
Aber auch auf anderen Feldern der Verfahrenstechnik wusste Concept Laser bei Zare zu überzeugen, wie etwa bei der Oberflächengüte. Bei den ursprünglichen Dienstleistern gab es hier immer wieder Enttäuschungen. Auf den Maschinen von Concept Laser war dies schon bei der ersten Anlage deutlich besser. Die ohnehin sehr gute Oberflächengüte konnte durch die Umstellung auf eine 3D-Optik gesteigert werden. Als vorteilhaft erweist sich auch die erhöhte Flexibilität durch die Möglichkeit einer variablen Laserspoteinstellung. Bei den neuesten drei Maschinen in Multilaser-Ausführung wurde die Produktivität nochmals deutlich gesteigert, wie Andrea Pasquali bestätigt: „Die M2 Cusing Multilaser eröffnet uns ganz andere Aufbaugeschwindigkeiten. Je nach Bauteilgeometrie und Werkstoff liegt hier die Steigerung der Produktivität bei 30 bis 40 Prozent.“ jbi
Autor: Guido Radig ist Fachjournalist in Weichs (Deutschland).
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